Die Krux mit dem Stundenplan: Genervte Eltern, skeptische Verantwortliche

Iris Fontana | 
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Der Stundenplan bereitet vielen berufstätigen Eltern Kopfzerbrechen. Bild: Pixabay.com

In Sonntagsreden gehört sie zum Standardrepertoire: Die Forderung nach besseren Voraussetzungen für berufstätige Eltern mit schulpflichtigen Kindern. In der Praxis sieht es dann schnell einmal anders aus, unter anderem mit Blick auf die Ausgestaltung und die frühzeitige Bekanntgabe von Stundenplänen. Forderungen von Eltern stossen zwar auf offene Ohren, werden aber häufig als nicht umsetzbar abgetan. Wir haben uns bei verschiedenen Beteiligten umgehört in diesem emotional aufgeladenen Themenfeld.

Ende August lancierte Nina Schärrer eine Petition mit dem Titel: «Beruf und Familie vereinbaren: Fixe Wochentage für den Nachmittagsunterricht in der Primarschule». Die Petition fordert das Erziehungsdepartement des Kantons Schaffhausen dazu auf, für die Primarschule kantonsweit fixe Wochentage für den Nachmittagsunterricht zu definieren. Dies soll eine frühzeitige Planung von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung für berufstätige Eltern ermöglichen. Unter Eltern schulpflichtiger Kinder findet diese Idee verständlicherweise Anklang. Doch das ist nicht überall so.

Das Thema polarisiert

Das Thema weckt Emotionen und polarisiert. Initiantin Nina Schärrer kann ein Liedchen davon singen. Von Eltern bekommt sie grosse Zustimmung, wohingegen Schulvertreter Skepsis äussern. Der Tenor auf der ablehnenden Seite lautet kurz und bündig: nicht umsetzbar. Neue Ideen direkt abzuschmettern, ohne sich vertiefte Gedanken darüber zu machen, findet Schärrer jedoch nicht zielführend. Sie wünscht sich vielmehr, dass Politik und Schule die Bedürfnisse von berufstätigen Eltern ernst nehmen und in einem gemeinsamen Dialog eine Lösung suchen, die für alle Parteien umsetzbar ist. «Die Lösung muss nicht genau so sein wie in meiner Petition gefordert. Aber der heutige Zustand ist nicht mehr vertretbar», sagt Schärrer.

In Münsterlingen gelebte Realität

Dafür, dass die Lösung umsetzbar ist, gibt es Beispiele. Ursula Knecht ist Schulleiterin der Primarschule im thurgauischen Münsterlingen, wo das von Schärrer geforderte Modell längst Praxis ist. Münsterlingen hat eine Primarschule mittlerer Grösse mit altersdurchmischten Klassen an zwei Standorten. Seit acht Jahren haben die Primarschüler an beiden Standorten pro Zyklus an denselben Nachmittagen Schule. «Das über die Jahre beizubehalten, war in den ersten Jahren auszuhandeln, danach hat es sich eingespielt», erklärt Ursula Knecht. Und sie fügt an: «Dafür habe ich mich eingesetzt, weil ich überzeugt bin, damit die Eltern dank einer guten Planbarkeit zu unterstützen.» Und dies werde von den Eltern auch sehr geschätzt. Allerdings betont Knecht, dass sie nur für die Schule in Münsterlingen spreche. Sie kann sich durchaus vorstellen, dass das Modell in Städten mit grösseren Schulen eher schwieriger umzusetzen ist.

Wünschenswert – aber …

Münsterlingen ist also Vorreiter. Und wie sieht es in Schaffhausen und dem Zürcher Weinland aus? Nüchtern und sachlich reagieren zwei angefragte Schulleiter. Florian Wohlwend, Schulleiter Zyklus 2 in Beringen, sagt: «Ich verstehe das Anliegen und würde eine solche Regelung grundsätzlich auch sehr begrüssen. Schwierigkeiten sehe ich allerdings vor allem in der Umsetzung, da die Stundenplanplanung komplex ist.» Er habe die Idee noch nicht konkret auf ihre Machbarkeit überprüft, spontan fielen ihm jedoch drei Punkte ein, die eine Umsetzung sicher erschweren: «Die beschränkte Raumsituation, die Lehrkräftesituation, bei der im Moment ein Nachfrageüberangebot herrscht sowie die kantonalen Vorgaben der Stundenplangestaltung.»

Heiner Widmer, Schulleiter in Trüllikon und Benken, kommentiert das diskutierte Modell so: «Grundsätzlich denke ich, dass eine solche Regelung möglich ist, sie ist einfach ein weiterer limitierender Faktor bei der Stundenplangestaltung.» Eine spezielle Herausforderung sieht auch er bei der Einteilung von Fachlehrern und besonders bei Spezialkräften wie Logopäden oder Psychomotorik-Therapeuten und bei der Zuteilung von Fachräumen wie Werkstätten und Turnhallen.

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Frühzeitig planen

Wie handhabt Münsterlingen denn die angesprochenen Schwierigkeiten? Man setzt auf eine frühzeitige Planung. Und das hat durchaus Vorteile. Schulleiterin Knecht erklärt, dass durch das fixe System schon im Einstellungsprozess klar sei, an welchen Nachmittagen die künftigen Lehrer unterrichten werden. Das bringt Planbarkeit für alle Beteiligten. Auch die Fachlehrer können in Münsterlingen in das System integriert werden, Förderlektionen finden zudem immer am Morgen statt.

Rohner: «Eine gute Idee»

Zurück nach Schaffhausen. Der städtische Bildungsreferent Raphaël Rohner sagt, dass das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf in seiner Arbeit ein Dauerbrenner sei und es ihm persönlich und dem Stadtrat ein grosses Anliegen sei, hier zu forcieren. «Wir sind sowohl dabei, Tagesstrukturen auszubauen, als auch ein neues Finanzierungsmodell auszuarbeiten», berichtet Rohner. Als ein Puzzleteil in diesem grösseren Ganzen erachtet er die Petition von Schärrer. «Auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist, ist es etwas, das die Eltern direkt im Alltag spüren und damit eine gute Idee.» Die Machbarkeit müsse aber natürlich zuerst noch überprüft werden.

Strasser: «Im Moment nicht umsetzbar»

Genau diese Machbarkeit sieht der Vorsteher des kantonalen Erziehungsdepartementes, Patrick Strasser, als nicht gegeben. Auch er unterstützt das Anliegen im Grundsatz und hat Verständnis für die Petition. Doch Strasser sagt klar: «Das Ansinnen ist im Moment so nicht umsetzbar.» Und er weist darauf hin, dass die Gemeinden Trägerinnen der Volksschule seien und die konkreten Stundenpläne ausarbeiteten – das Erziehungsdepartement gebe lediglich die Richtlinien vor. «Die Gestaltung der Stundenpläne ist für die Schulen wegen des Lehrpersonenmangels ohnehin schon eine Herausforderung, denn oft finden sich Lehrpersonen nur für bestimmte Wochentage, da sie unter Umständen auch noch an anderen Schulen unterrichteten.» Fixe Nachmittage einzuplanen, würde daher eher Probleme schaffen als lösen. Strasser ist sich sicher: «Die Ausweitung von Tagesstrukturen und Tagesschulen wäre der effizientere Ansatz, um eine bessere Vereinbarkeit zu erzielen.»

Mutter findet klare Worte

Und was ist nun eigentlich mit den Eltern? Jüliyet Schwörer ist HR-Business-Partner der Medipack AG und hat die Petition unterschrieben. Als Mutter von mittlerweile noch einem schulpflichtigen Kind kennt sie die Herausforderung, ihre Arbeitstage jährlich oder gar halbjährlich rund um die Stundenpläne der Kinder herum organisieren zu müssen. Ihr würde Klarheit über die freien Nachmittage weiterhelfen. Und sie sagt auch: «Es geht einfach nicht, dass ich den Stundenplan erst in der letzten Schulwoche vor den Sommerferien erhalte und mich dann, erst recht noch in den Sommerferien, mit meinem Arbeitgeber neu organisieren muss.»

Wenn man Schwörer damit konfrontiert, dass Lehrer mit Forderungen an die Schule heranträten, wann sie bereit seien, zu arbeiten, kochen die Emotionen hoch: «In der Wirtschaft ist die Arbeitsflexibilität unabdingbare Voraussetzung, aber die Schulen können sich das leisten», sagt sie. «Unsere Kunden interessiert nicht, wie wir ihren Auftrag zustande bringen, er muss einfach erledigt werden und das erwarte ich auch von den Schulen. Wie sie sich organisieren, ist mir egal und auch nicht mein Problem.»

Wann kommt der Stundenplan?

Wenn es um die Planbarkeit von Eltern- und Arbeitspflichten geht, ist der Zustellzeitpunkt des Stundenplans ein wichtiges Element. Das Weinland ist relativ früh dran: Die Eltern erhalten dort den fertigen Stundenplan Mitte Mai. In verschiedenen Orten im Kanton Schaffhausen kommt der neue Stundenplan jedoch erst rund eine Woche vor Schulschluss. In anderen Kantonen gibt es weitere Modelle. In Sigriswil, im Berner Oberland, erhalten die Primarschuleltern beispielsweise bereits im Frühjahr Bescheid, an welchen Nachmittagen im kommenden Schuljahr Unterricht ist und an welchen nicht. Der Stundenplan folgt dann später.

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