Syntegon: 77 Neueinstellungen seit Anfang Jahr

Iris Fontana | 
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Ein Syntegon-Ingenieur bei der Entwicklung einer speziell für den Kunden konzipierten Verpackungsmaschine Bild: ZVG

Das Beringer Maschinenbauunternehmen Syntegon eilt von Auszeichnung zu Auszeichnung für seine innovativen Verpackungsmaschinen. Und das Geschäft brummt. Woran liegt’s und wie ist es da eigentlich so, in den Betriebsräumlichkeiten, wo die guten Ideen zu sprudeln scheinen? Wir haben uns für eine Visite angemeldet und nachgefragt, woher der Innovationsgeist kommt, den auch viele andere Firmen suchen und selten finden.

Hat man die Zufahrt zu dem weitherum sichtbaren Firmenkomplex gefunden, empfängt einen ein grosszügiges, weites Areal. Die Eingangshalle ist hell, eine moderne Glas-Beton-Konstruktion. Modern ist jedoch nicht nur das Interieur, sondern fast alles am Unternehmen: Von der Photovoltaikanlage, die den Gebäudekomplex in absehbarer Zeit energieautonom machen soll, über die Technik, mit der ausgefeilte, ressourcenschonende Maschinensysteme entwickelt werden bis hin zu den vielen Studenten, die hier arbeiten und das neuste Know-how einbringen. Doch: Modern ist gut und recht – zum Fliegen bringen das Ganze jedoch die vielen, alteingesessenen Mitarbeiter, die ihr riesiges Wissen und ihre jahrelange Erfahrung beisteuern.

Anderer Name, ähnlicher Inhalt

Einer der «alten Hasen» ist Stephan Schüle, der einst seine Lehre im Betrieb – damals noch SIG –absolvierte und nun als Produktmanagement-Leiter am Standort Beringen arbeitet. Er erklärt die bei vielen vorhandene Verwirrung betreffend Syntegon: «Die SIG war in der Region verankert, Bosch war vom Brand her sehr bekannt, aber Syntegon kennt niemand. Dabei machen wir grundsätzlich immer noch dasselbe wie damals die SIG.» Das Unternehmen ist nach wie vor im Maschinenbau tätig – oder wie man heute sagt: als Produzentin für Prozess- und Verpackungstechnik für die Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie.

Stephan Schüle

Stephan Schüle

Seit August 2020 leitet Stephan Schüle das Produktmanagement für horizontale Schlauchbeutelmaschinen (HFFS) bei Syntegon in Beringen. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Vorsitzender der Geschäftsleitung von diheiplus kehrte der Elektro- & Wirtschaftsingenieur zu Syntegon (ehemals SIG und Bosch) zurück, wo er bereits die Lehre absolvierte und für die er viele Jahre in der Entwicklung und im Verkauf tätig war. Zusätzlich engagierte er sich über sieben Jahre für das IPI International Packaging Institute. Schüle wohnt mit seiner Familie in Schaffhausen.

1500 Produkte pro Minute verpacken

Syntegon steht für «Synergy, Technology» und «on» für Fortschritt. Am Standort Beringen sind die beiden Bereiche Syntegon Packaging Systems AG und die Syntegon Technology Services AG, die global tätige Serviceorganisation des Konzerns, beheimatet. Rund 860 Mitarbeitende, davon 171 Ingenieure, 69 Auszubildende in acht Lehrberufen sowie 37 Studenten und Diplomanten arbeiten im Oberklettgau und konzipieren Maschinen, welche an sechs Tagen die Woche während 24 Stunden in drei Schichten arbeiten und bis zu 1500 Produkte pro Minute verpacken können.

Die preisgekrönte IDH Maschine. Bild: ZVG

 

Innovations-DNA

Das alles ist beeindruckend. Doch was steckt nun hinter dem Erfolg? Warum sahnt Syntegon derzeit Preise für seine Innovationen ab? Schüle nennt verschiedene Faktoren: Den Zwang beispielsweise, Innovationsführer zu sein, weil die Schweiz im Kostenwettbewerb mit dem Ausland nicht mithalten kann. Zudem die während Jahren etablierte Innovations-DNA, die durch das Cluster an Maschinenbaufirmen in der Region und durch die Nähe zu relevanten Hochschulen verstärkt wird. Und Syntegon hat auch die Organisation auf Innovation ausgerichtet. Ein Innovationsverantwortlicher sammelt Ideen und speist sie in klar vorgegebene Prozesse ein.

Ideen früh testen

«Ausserdem sind wir relativ gut darin, Ideen früh zu testen und auszuprobieren», sagt Schüle. Gute Ideen gelangen in so genannte «Innovations-Gates», wo ein kleiner Betrag gesprochen und ein Student oder Mitarbeiter beauftragt wird, zum Thema eine kleine Testumgebung zu errichten. «Mit dem Feedback können wir die Machbarkeit, Möglichkeiten, Grenzen und Rahmenbedingungen klären.» Aus einem solchen «Proof of Principle»-Prozess ist auch das preisgekrönte IDH hervorgegangen (siehe Box). Wird eine Idee als erfolgsversprechend eingestuft, ist das Unternehmen dann bereit, auch richtig Geld in die Hand zu nehmen. Denn das ist matchentscheidend, um ein gutes Produkt zu entwickeln und damit auch wirklich einen technologischen Vorteil im Mark zu erlangen.

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Vielfältige Kundenprojekte

Besonders motivierend für die Mitarbeiter ist, dass sie immer wieder Neuentwicklungen umsetzen dürfen, da kein Kundenprojekt gleich wie das andere ist. Denn was Syntegon herstellt, sind eigentliche «Engineer-to-Order»-Produkte für den «High-end-Bereich». «Klar haben wir Baukästen, ein Teil des Auftrags ist jedoch immer kundenspezifisch. Konkret kommt ein Kunde bei uns vorbei, präsentiert uns sein Produkt und seine Verpackungsidee und will wissen, wie er dies technisch umsetzen kann», erklärt Schüle den Prozess.

Stephan Schüle im Innovationszentrum clxlh
Stephan Schüle präsentiert im Innovationszentrum des Unternehmens die vier verschiedenen Packstile der IDH Maschine. Bild: Iris Fontana

 

Automatisierungsgrad entscheidend

Dabei werden in Beringen oft komplett automatisierte Linien verkauft, die für die Verpackung grosser Stückzahlen entwickelt sind. Erst dann rechnet sich das Ganze für den Kunden. Denn die Investition in eine neue Verpackungsanlage kann rasch einmal mehr als eine Million Franken kosten. Den Preis macht nicht allein die Maschinenleistung aus, sondern vor allem die Höhe des Automatisierungsgrads. Kunden, die solche Maschinen beziehen, sind zum Beispiel bekannte Schweizer Grossunternehmen, aber auch globale Player wie Nestlé, Mars oder Mondelēz. «Unsere Stückzahlen sind eher klein, da wir kein Hersteller von Massenartikeln sind. Von der am meisten verkauften Maschine stellen wir 60 Stück pro Jahr her», erklärt Schüle.

Das Geschäft brummt

Und damit lebt Syntegon gut. Von der umhergeisternden Eintrübung der Wirtschaftslage bekommt das Unternehmen derzeit nichts zu spüren. Der Bestellungseingang ist immer noch überdurchschnittlich hoch, Syntegon verfolgt gar einen sehr ambitionierten Wachstumskurs. Dieser äussert sich in einer aktiven Personal-Rekrutierungsphase. So sind allein in diesem Jahr bis Ende Juli 77 Neueinsteillungen getätigt worden, davon 42 für neugeschaffene Positionen. Die Rekrutierung ist nicht einfach und wird auf verschiedensten Kanälen betrieben. Doch der Aufwand lohnt sich, wie Stephan Schüle weiss: «Sind die Interessenten erst einmal im Haus, haben wir eigentlich schon gewonnen. Denn das, was wir hier zeigen können, ist wirklich beeindruckend.»

Produktion

Die Produktion erfolgt in einer grossen Montagehalle, die in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist (Teilefertigung, Vormontage und Systemmontage). Dabei werden viele Maschinenteile im Modul beschafft, nur die kundenspezifischen Entwicklungen und Know-How Teile werden in Eigenfertigung hergestellt.

 

 

Komplettes Verpackungssystem

Die Syntegon-Maschinen können den ganzen Verpackungsprozess abdecken, vom fertig produzierten Produkt am Ende der Herstellung (Ofen, Giessanlage) bis hin zum Versandkarton.

Als erstes übernehmen und verteilen die Maschinen die fertig hergestellten Produkte.

 

 

Danach folgt die Erstverpackung, wobei das Produkt beispielsweise in einen Schlauchbeutel (entweder aus Folie oder Papier) eingepackt wird.

 

Als nächstes kommt die Zweitverpackung. Dabei werden die abgepackten Produkte zum Beispiel in einen Karton abgepackt.

 

Und schliesslich werden die einzelnen Kartons in eine Transportschachtel gefüllt.

 

Der Preis für eine Gesamtanlage mit diesen drei Verpackungsmaschinen kann – je nach Ausführung – mehre Millionen Franken kosten.

 

Geschichte und Funktionsweise der IDH (Intelligent Direct Handling) Maschine

 

Die Geschichte der Linearmotortechnologie begann 2009. Einem Syntegon-Mitarbeiter, der das Potential dieser Technologie erkannt hatte, wurde Entwicklungszeit und Budget zur Verfügung gestellt, um eine kleine Testumgebung zu erarbeiten. Daraus entstand unter anderem eine Kerntechnologie des auf der interpack 2011 vorgestellten Riegelverpackungssystems. Im gleichen Jahr präsentierte Syntegon eine weitere, komplett neue Anwendung der Linearmotortechnologie, die Syntegon IDH, welche kürzlich den Deutschen Verpackungspreis gewann.

Video: IDH Maschine bei der Produktion

Erklärung: Die Produkte kommen ungeordnet aus der Produktion. Ein kamerabasiertes Erkennungssystem erfasst die Anzahl Produkte und den Standort auf dem Band. Die genaue Position wird an die Roboterarme kommuniziert und dank der flexiblen Linearmotortechnologie kann jeder Sauger individuell gesteuert werden. So gelangen die einzelnen Produkte aus einer nicht ausgerichteten Reihe zur Verpackungsmaschine und werden entweder direkt in die Zuführung der Schlauchbeutelmaschine oder in Trays gelegt, wobei gesteuert werden kann, ob sie auf der Kante oder flach verpackt werden. Als nächstes werden die gefüllten Trays in der Schlauchbeutelmaschine verpackt. Die einzeln zugeführten Produkte werden gruppiert und entweder in Stapeln oder als Slug (hintereinander stehend angeordnet) direkt verpackt. Ein Zwischenspeicher sichert zudem einen lückenlosen Verpackungsprozess.

Die Vorzüge der Maschine liegen in ihrer grossen Kompaktheit und der Flexibilität mit vier Verpackungsstilen sowie der innovativen Technologie der individuellen Steuerung.

Verpackungsindustrie und Syntegon

 

Der globale Verpackungsmarkt ist rund 46 Mia. Dollar schwer und sehr fragmentiert. Mit einem Umsatz von rund 1,4 Mia. Franken gehört die Syntegon-Gruppe zu den grösseren führenden Anbietern. Das Geschäft mit Verpackungsmaschinen ist einerseits ein globales Geschäft mit grossen internationalen Konzernen, andererseits aber auch ein sehr regionales mit Lebensmittelherstellern, die nur in bestimmten Regionen aktiv sind. Syntegon ist dabei einer der wenigen Anbieter, der den gesamten Verpackungsprozess abdecken kann. 2022 betrug der Umsatz der Syntegon Packaging Systems AG 170 Mio. Franken im Neumaschinengeschäft; der Auftragseingang belief sich auf 225 Mio. Franken.
Die meisten Projekte bei Syntegon dauern rund ein Jahr, vom Auftragsabschluss bis zur Auslieferung, was einen guten Planungshorizont ermöglicht.

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