Was ist los, Herr Fringer?

Iris Fontana | 
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KGV-Präsident Marcel Fringer will dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Bild: Melanie Duchene

Der Kantonale Gewerbeverband (KGV) sucht Antworten auf eines der aktuell brennendsten Wirtschaftsthemen: Den Fachkräftemangel. Wir haben den Themenabend, zu dem das Arbeitsamt und der Verband diese Woche eingeladen haben, besucht und bei KGV-Präsident Marcel Fringer nachgefragt, was denn nun gegen das Riesenproblem getan werden kann. Ein Gespräch über Imageprobleme, Integrationsmassnahmen, Finanzhilfen und Erfolgsstorys.

Herr Fringer, Sie sind Spengler-Sanitärinstallateur und Ihr Beruf gehört zu den am stärksten vom Fachkräftemangel betroffenen – was ist los?
Marcel Fringer: Meiner Meinung nach haben die gewerblichen Berufe mit einem gesellschaftspolitischen Imageproblem zu kämpfen. Heute ist es das erklärte Ziel vieler Eltern, dass ihre Kinder studieren – auch wenn diese selbst gar nicht restlos von diesem Weg überzeugt sind. Das ist ein Hinweis darauf, wie sehr die handwerklichen Berufe in den letzten Jahrzehnten an Ansehen verloren haben. Was natürlich schade ist, denn in unserem dualen Bildungssystem werden gerade aus jungen Leuten mit einem Berufsbildungsabschluss oft sehr gute und wertvolle Arbeits- und Führungskräfte oder gar Unternehmer.

Wie kann dieses Imageproblem angegangen werden?
Fringer: Unter anderem durch Erfolgsgeschichten, welche die Attraktivität der Berufe aufzeigen. Die Verbände sind hier bereits sehr aktiv. Nehmen wir als Beispiel die Imagekampagne der Schreiner: «Der Schreiner – Ihr Macher». Aber so gut die Botschaften auch sein mögen: Wenn sie nicht ankommen, auch aufgrund von Vorurteilen, haben sie keine Wirkung.

Das klingt resigniert.
Fringer: Nein, überhaupt nicht. Letztlich sind viele kleine Schritte nötig. Neben der Arbeit am Image müssen die Unternehmen auch noch besser werden was die Attraktivität der Arbeitsplätze oder die Flexibilität der Arbeitszeitmodelle anbelangt. Da sind von den Betrieben gute Ideen gefragt. Ich hoffe, dass die handwerklichen Berufe zudem bezüglich der Löhne wieder näher an das Niveau der öffentlichen Hand herankommen und dadurch auch wieder an Attraktivität gewinnen. Eine Anpassung des Arbeitsrechts ist in diesem Zusammenhang überfällig.

Am Anlass des Gewerbeverbandes zum Thema Fachkräftemangel wurde ein bunter Strauss an Unterstützungsmassnahmen vorgestellt. Welche erachten Sie als besonders hilfreich?
Fringer: Ich habe mir am Mittwochabend die Augen gerieben angesichts der grossen Zahl an vorhandenen Unterstützungsmassnahmen, obwohl ich mich schon lange mit diesem Thema auseinandersetze. Ein Grund für den Anlass war, einen Überblick über die verschiedenen kantonalen Unterstützungsmassnahmen zu vermitteln. Daneben war es auch wichtig aufzuzeigen, wie gut die kantonalen Stellen zusammenarbeiten. Ich möchte keine einzelne Massnahme speziell hervorheben, weil ich glaube, dass die Stärke gerade in der Vielfalt liegt, da jeder Stellensuchende unterschiedliche Bedürfnisse und einen anderen Hintergrund hat – ebenso die Arbeitgeber.

Vielfalt klingt gut, letztlich aber geht es doch ums Geld.
Fringer: Natürlich ist das ein wichtiger Punkt. Mir ist es ein Anliegen, aufzuzeigen, dass es für Unternehmen finanzielle Unterstützung gibt. Die Firmen müssen wissen, dass sie beispielsweise bei der Anstellung von Migranten oder von Personen mit Handicap nicht von Anfang an den ganzen Lohn selbst zahlen müssen. Ich höre oft das Argument: «Wenn ich jemanden anstelle, muss ich den Mindestlohn von 4000 Franken zahlen, obwohl die Person kein Deutsch kann, über keine Branchenkenntnisse verfügt und ich sie zuerst ausbilden muss. Dies kann ich mir schlicht nicht leisten.» Dabei können die Unternehmen in solchen Fällen oder auch bei der Einstellung eines älteren Mitarbeiters Finanzzulagen beantragen.

An Ihrem Anlass kam die Frage auf, ob es nicht zu wenig Angebote von Betrieben für Umschulungen gebe. Wie lautet Ihre Antwort?
Fringer: Die nationalen Verbände sind hier aktiv und versuchen, dieses Anliegen vermehrt auch bei den Lokalverbänden zu platzieren. Denn es sind die Lokalverbände, die für die Berufsbildung und die überbetrieblichen Kurse zuständig sind. Es besteht unter anderem die Idee, das Ganze flexibler zu gestalten, dass also Betriebe zu integrierende Angestellte in einzelne Kursmodule schicken können, damit sie nicht eine ganze Lehre absolvieren müssen und trotzdem weiterkommen. Es gibt diesbezüglich aber sicher noch Potenzial.

Können Sie eine Erfolgsstory aus Ihrer eigenen Erfahrung erzählen?
Fringer: Ich bin schon 30 Jahre in der Berufsbildung tätig und unterrichtete früher genau solche Integrationskurse – und ich habe schon diverse Erfolgsstorys erlebt. Unter anderem traf ich in dieser Tätigkeit auf einen Einwanderer aus dem Nahen Osten, der wirklich bei null anfing. Er hat sich Schritt für Schritt bis zum Meister hochgearbeitet und hat noch weitere Ambitionen.

Der Kanton Schaffhausen ist Spitzenreiter im Bereich der Integration, worauf führen Sie dies zurück?
Fringer: Auf zwei Faktoren: Zum einen sind wir ein kleiner Kanton und haben in Schaffhausen kurze Wege, tiefe Hürden und die verantwortlichen Personen kennen sich, tauschen sich miteinander aus. Da sehe ich einen grossen Unterschied, gerade zu meinem Kollegen im Kanton Zürich, der mit grossen, schwerfälligen Institutionen zu kämpfen hat. Zweitens ist Integres als Organisation, aber auch ihr Leiter, Kurt Zubler, wirklich sehr aktiv und machen einen sehr guten Job.

Wie geht es weiter beim Gewerbeverband mit Blick auf den Fachkräftemangel?
Fringer: Wir müssen dranbleiben und bekannt machen, was es alles für wirksame Instrumente zur Integration Stellensuchender gibt, mit denen wir dem Fachkräftemangel begegnen können. Und wir müssen die zuständigen Ämter und die Unternehmer zusammenbringen. Kurz zusammengefasst: Öffentlichkeit schaffen und vernetzen.

Und wenn das nicht reicht?
Fringer: Dann sind wir gerne bereit, in Zusammenarbeit mit dem Kanton neue Angebote zu schaffen.

Sinkende Arbeitslosenquote und zahlreiche Unterstützungsangebote

Im Meeting-Point auf dem Herrenacker fand am vergangenen Mittwoch ein Themenabend rund um den Fachkräftemangel statt, eingeladen hatten das Arbeitsamt und der Kantonale Gewerbeverband. Es wurde eine spannende Veranstaltung – mit positiven Neuigkeiten. Nachdem mit dem Abflachen der Pandemie die Kurzarbeit weitgehend abgebaut werden konnte, sinkt die Zahl der Arbeitslosen wieder unter die 2000er Grenze und nähert sich weiter dem Schweizer Durchschnitt an, konnte Bruno Büchi vom Schaffhauser Arbeitsamt mit Blick auf die Februar-Zahlen berichten. Besonders erfreulich: Die Arbeitslosenquote sank in allen Altersklassen, auch bei der Gruppe der ganz Jungen und der über 50-Jährigen.

Büchis Team informierte über verschiedene, altersspezifische Angebote. Für die über 50-Jährigen etwa gibt es ein spezielles Projekt unter dem Namen «Der starke Mix» und Personen über 40 Jahre können bei Bedarf eine kostenlose berufliche Standortbestimmung buchen. Einziger Wermutstropfen des Programms «viamia»: Bis dato melden sich vor allem hochqualifizierte Personen, jedoch nicht die eigentlich anvisierte Zielgruppe, die Niedrigqualifizierten. Die Gründe dafür blieben bisher im Dunkeln.

Thorsten Weber vom Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum RAV stellte in einer Live-Präsentation das Online-Stellenportal Job-Room vor. Zur Demonstration tippte er einen Berufs- und einen Kantonsnamen ein und liess sich so eine Auflistung aller Stellensuchenden im abgefragten Bereich mit allen wichtigen Daten aus ihrem CV anzeigen. Kurt Zubler von Integres schliesslich berichtete, dass Schaffhausen im Kantonsvergleich auf Platz eins liege bei der Integration junger Einwanderer mit postobligatorischer Ausbildung.

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