Die Sorgen um das edle Baumaterial

Iris Fontana | 
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Floatgläser bereit für die Weiterverarbeitung. Bild: ZVG

Ob Gastronomiebetriebe, Brauereien oder Weinkellereien: Die Glasknappheit hält derzeit viele auf Trab. Lieferzeiten von zwei bis drei Monaten sind normal, auf Spezialanfertigungen muss teilweise über ein halbes Jahr gewartet werden. Doch wie sieht es eigentlich dort aus, wo richtig viel Glas am Stück verwendet wird, bei den Glasereien und Fensterbauern? Wir haben bei Betrieben der Region nachgefragt und sind den Gründen für die Knappheit nachgegangen.

Das Thema Glasknappheit ist in letzter Zeit immer wieder ein Medienthema. Wie stark sind Sie vom Problem betroffen?

Andy Leu, Geschäftsführer und Inhaber der glasMax AG: «In den letzten Jahren wurden einige ältere Glashütten aufgrund ihrer hohen Produktionskosten eingestellt und nicht ersetzt. In der Corona-Krise nahm die Bautätigkeit jedoch nicht ab, sondern boomte weiter. Dadurch entstand europaweit bei gewissen Produkten eine Glasknappheit. Wir konnten beim Basisglaseinkauf zum Glück auf mehrere gute Lieferanten zählen und hatten dadurch immer genügend Glas im Haus. Auf Lieferantenseite kam es zwischenzeitlich zwar zu kleinen Verzögerungen, im Laufe des Jahres entspannte sich die Situation jedoch wieder etwas.»

Thomas Kunz, Geschäftsführer Kunz Fenster AG: «Glasknappheit ist bei uns im Tagesgeschäft nicht gross spürbar, temporäre Lieferengpässe und Lieferkettenunterbrüche, welche schon während der Corona-Pandemie begonnen haben, jedoch umso mehr. Auch die Glaspreiserhöhungen sind ein grosses Thema für uns.»

Daniel Suter, Geschäftsführer Suter Fenster und Haustüren GmbH: «Prekär sind für uns insbesondere die langen Lieferzeiten. Wir sprechen heute von bis zu 16 Wochenfenstern, früher waren es vier bis fünf. Schwierig dabei waren vor allem die grossen Sprünge dazwischen, welche eine solide Planung extrem schwierig machten.»

Was bedeutet dieser Umstand für Ihre Preisgestaltung?

Leu: «Anfang 2022 kamen erste Schreiben von möglichen Preiserhöhungen. Bis im April hatte sich der Glaspreis um rund 15 Prozent erhöht. Da waren alle Marktteilnehmer in der Lieferkette gefordert. Der Prozess dauert bis heute an und hat uns zum Beispiel gezwungen, die Gültigkeit unserer Angebote anzupassen.»

Kunz: «Jeder Betrieb in der Baubranche sollte die Einkaufspreise und die Entwicklung genau verfolgen. Die eigene Preisgestaltung der Produkte müssen diese Preisschwankungen abfedern.»

Suter: «Wir mussten unsere Preise um 20 bis 25 Prozent anheben.»

Daniel Suter, Suter Fenster
«Wir mussten unsere Preise um 20 bis 25 Prozent anheben.»
Daniel Suter, Geschäftsführer Suter Fenster und Haustüren GmbH

Wo liegen die Gründe des Problems?

Leu: «Innerhalb eines Jahres hat sich der Gaspreis um ein Vielfaches erhöht. In der energieintensiven Herstellung von Floatglas* wird Gas als Energieträger verwendet. Für die Hersteller waren die steigenden Gaspreise nicht auszugleichen. Deshalb wurde von den Glasherstellern zu Beginn des Jahres ein Teuerungszuschlag eingeführt, welcher in Abhängigkeit zum Gaspreis steht. Ins Gewicht fällt jetzt zusätzlich der Anstieg des Energiezuschlages, verursacht durch die Gasknappheit. Dieser stieg von CHF 0.25/kg auf heute CHF 0.60/kg.»

Kunz: «Für die hohen Glaspreise sind vor allem die Energiepreiserhöhungen von Gas, Öl, Benzin und Diesel verantwortlich. Aber auch die gestiegenen Transportkosten auf den Strassen schlagen zu Buche.»

Suter: «Europäischen Werken fehlt der Sand für die Herstellung, weil der Suez Kanal durch einen Dampfer blockiert ist. Chinesische Häfen waren lange aufgrund der Corona-Lockdowns geschlossen. Crypton Gas, welches für die Produktion von Glas verwendet wird, kann aufgrund des Russland-Ukraine Kriegs nicht geliefert werden. Weiter erschwerend kommt dazu, dass vielerorts ein Personalmangel in Glaswerken aufgrund von Corona-Lockdowns herrscht.»

Thomas Kunz, Kunz Fenster
«Für die hohen Glaspreise sind vor allem die Energiepreiserhöhungen von Gas, Öl, Benzin und Diesel verantwortlich. Aber auch die gestiegenen Transportkosten auf den Strassen schlagen zu Buche.»
Thomas Kunz, Geschäftsführer Kunz Fenster AG
Fensterdetail Isolierglas Floatglas
Zur Illustration: Dieses Fensterglas besteht aus einem 3-fach Wärmeschutz-Isolierglas (3 x 4 mm Floatglasscheiben in einem Glasverbund).

 

Wie sehen die Zukunftsperspektiven für ihr Unternehmen und den Glasmarkt im Gesamten aus?

Leu: «Prognosen sind heute sehr schwierig. Der Krieg hat unser Konsumverhalten verändert. Wir merken, dass einige Projekte, geplante Renovationen oder auch private Umbauten, bis auf Weiteres verschoben werden. Zusätzlich wird durch die Klimadebatte eher die Heizung ausgetauscht als die Küche oder das Bad saniert. Als Unternehmer müssen wir uns so oder so den neuen Situationen anpassen und mit unseren Produkten auf dem Markt attraktiv bleiben. Wir von glasMax versuchen, vorausschauend zu planen und täglich unser Bestes zu geben, um für unsere Kunden weiterhin ein verlässlicher Partner zu sein.»

Andy Leu, glasMax AG
«Der Krieg hat unser Konsumverhalten verändert. Wir merken, dass einige Projekte, geplante Renovationen oder auch private Umbauten, bis auf Weiteres verschoben werden.»
Andy Leu, Geschäftsführer und Inhaber der glasMax AG

Kunz: «Es gilt, den Markt genau zu beobachten, die eigenen Lieferanten in die Pflicht zu nehmen und die Verkaufspreise kostendeckend zu gestalten. Im kommenden Jahr werden wohl auch die angesagten Strompreiserhöhungen einen weiteren Preisschub auslösen. Die Glaspreise werden sich auf einem hohen Niveau einpendeln. Ausschlaggebend für die Entwicklung ist der Lauf der wirtschaftlichen wie auch der weltpolitischen Lage.»

Suter: «Meine Einschätzung ist, dass sich das Ganze wieder beruhigen wird, wenn die Lockdowns wieder ganz aufgehoben werden. Bis zu einer völligen Normalisierung wird es wohl aber schon noch ein bis zwei Jahre dauern.»

 

*Floatglas nennt man Flachglas, welches im Floatprozess hergestellt wurde. Anwendungsbereiche sind z.B. Fenstergläser, Autoscheiben und Spiegel. Geschmolzenes Glas wird dazu auf ein Bad aus flüssigem Zinn aufgebracht. Da Glas leichter als Zinn ist, schwimmt (engl. «float») es an der Oberfläche und breitet sich dabei absolut gleichmässig aus. Das Ergebnis ist ein Glas mit makellos glatter Oberfläche, frei von Lufteinschlüssen wie etwa Blasen oder Schlieren.

Wissenswertes über Glas

Wie entsorge ich verschiedene Glasarten richtig?

NICHT in den Glascontainer gehören:

  • Trinkgläser und Vasen: Aufgrund des erhöhten Bleigehalts gehören sie zum Bauschutt. Der Bleigehalt ist aus gesundheitlichen Gründen gesetzlich streng limitiert.
  • Fensterglas (Flachglas): Besitzt eine höhere Schmelztemperatur und kann nicht mit Verpackungsglas verarbeitet werden.
  • Spiegelglas: Dieses kommt aufgrund der Zusammensetzung mit Aluminium oder Silber ins Grubengut zu den mineralischen Abfällen.

In den Glascontainer gehören: 

  • Wein- und Getränkeflaschen
  • Öl- und Essigflaschen
  • Gläser von Konfitüren, Gurken und Joghurt etc.

Quelle: ne-wissen.ch

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