«Das Lachen fiel mir eine Zeit lang sehr schwer»

Louise Østergaard | 
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Yonni Moreno Meyer backstage vor ihrer Lesung in der Kammgarn Schaffhausen, wo sie als Teenager selbst in den Ausgang ging. Nervös sei sie vor ihren Auftritten selten, vielmehr freue sie sich auf den direkten Kontakt mit ihren Leserinnen und Lesern. Bild Melanie Duchene

Von vollen Windeln und blanken Nerven. Ein ehrliches Gespräch über Mutterschaft mit Yonni Moreno Meyer aka «Pony M.»

«Ehrlich gesagt bin ich total übermüdet», sagt Yonni Moreno Meyer mit einem leicht gequälten Lächeln beim Händeschütteln. Noch bevor sie überhaupt Platz nimmt, erzählt die Online-Autorin, besser bekannt unter ihrem Pseudonym «Pony M.», dass Schlafmangel bei ihr ein altbekanntes Thema sei: «Ein kleines Kind trägt da auch nicht gerade zur Besserung bei», sagt sie und bestellt augenzwinkernd ein Glas Weisswein bei der Kellnerin im «Café des Amis» in Zürich. «Heute bin ich ja zum Glück ohne meinen Sohn unterwegs», schmunzelt sie.

Ein Plädoyer für Ehrlichkeit

Genau diese Balance zwischen erfrischender Ehrlichkeit, Ernsthaftigkeit und Ironie macht auch eine Vielzahl von Yonnis Texten aus, mit denen sie schon vor gut zehn Jahren zu begeistern vermochte, als sie «aus Jux» ihren Facebook-Blog startete. Zu ihrer eigenen Überraschung wurde «Pony M.» in Windeseile zu einer der meistgelesenen Online-Autorinnen der Schweiz. Von den meisten geliebt – von einigen wenigen gehasst, ganz wie es sich gehört für eine, die auch mal Kritik an der Gesellschaft übt.

Diesen Erfolg über Jahre aufrechtzuerhalten, dann ein Kind aufzuziehen und dem Stress ausgesetzt zu sein, während der Pandemie nicht arbeiten zu können, war für Yonni kein Kinderspaziergang. «Nebst unglaublichen Glücksgefühlen sorgt ein Baby eben auch für viel Erschöpfung», erzählt Yonni, deren Sohn Nicolas inzwischen drei Jahre alt ist. «Obwohl ich dank meinem irrwitzig witzigen Kind genügend Material hätte, drei Bühnenprogramme zu schreiben, fehlt mir zurzeit oft die Energie dazu.»

Nicht alles ist rosarot

Schon immer schrieb die Mutter, – die eben nicht nur Mutter ist, sondern auch Autorin, Psychologin, Komikerin, Ehepartnerin, Frau, Freundin und Mensch – über Themen, die ihr persönlich am Herzen liegen. Früher drehten sich viele Texte um den Alltag romantischer, freundschaftlicher und sexueller Beziehungen, über Vorurteile, Selbsturteile – und nicht zuletzt um die Frage, eventuell selbst Mutter zu werden. «Dann kam die Liebe und dann – bäm – eben dieses Kind», witzelt sie. Mit viel Augenzwinkern und einigem Augenrollen berichtet sie in jüngeren Texten über die Turbulenzen des Elternseins, der eigenen Erwartungshaltung, derjenigen der Gesellschaft sowie über herausfordernde und nicht minder wichtige Themen wie der eigenen Wochenbettdepression.

«Auch wenn die schönen Seiten überwiegen, so ist es mir ein Anliegen, offen über die Schwierigkeiten der Mutterschaft zu sprechen», erzählt Yonni, die sich über die irreführende Romantisierung der Schwangerschaft und dem, was darauf erst folgt, ärgert. «Für einige mag diese Anfangszeit rosarot sein, mir war oft einfach stinklangweilig», sagt Yonni ernst.

Ein Systemschock

Plötzlich sitze man ungeduscht und übernächtigt mit diesem Säugling auf dem heimischen Sofa, «das T-Shirt riecht säuerlich nach aufgestossener Muttermilch, unter den Fingernägeln klebt Babykacke und trotzdem findet man sein Kind das niedlichste Wesen auf der ganzen weiten Welt», sagt Yonni und verdreht dabei die Augen. Da helfe es schon, wenn man über sich selbst lachen kann. «Es gab aber auch eine Zeit, in der mir das Lachen sehr schwerfiel und mich eine bleierne Leere überkam, die nicht mehr von alleine wegging», erzählt sie. Neun Monate nach der Geburt ihres Sohnes litt Yonni an einer schweren postnatalen Depression und musste für einige Zeit stationär behandelt werden. «10 bis 15 Prozent aller Mütter erleiden dasselbe, darüber muss doch gesprochen werden», fand sie und veröffentlichte einen Text über diesen «seelischen Doppelbeinbruch». Auch wenn es ihr schwerfiel, darüber zu schreiben, so sollten sich andere Betroffene dadurch weniger alleine fühlen.

«Die körperliche und hormonelle Umstellung nach der Schwangerschaft gleicht einem Systemschock. »

Yonni Moreno Meyer aka Pony M. Comedienne und Mutter

«Die körperliche und hormonelle Umstellung nach der Schwangerschaft ist ein regelrechter Systemschock», erzählt Yonni. «Sowohl für die Frau selbst, aber auch für das Paar.» Als Eltern sei man einem 24-Stunden-Schichtbetrieb ausgesetzt – zusätzlich zum normalen Tagesjob. Das Wochenbett, das «nicht von ungefähr so heisst», dauere empfohlene sechs bis acht Wochen, «da sind zwei Wochen Vaterschaftsurlaub doch ein Witz», regt sich Yonni auf, die nach ihrem Kaiserschnitt eigentlich mehrere Wochen hätte ruhen sollen, statt mit einem schreienden Kleinkind im Arm in der Wohnung herumzuwandern , «aber das ging halt nicht anders», sagt sie und ärgert sich einmal mehr über die schleppenden Veränderungen in der Schweiz in Richtung Gleichberechtigung und über die ungenügende Unterstützung für Mütter und weniger privilegierte Familien.

Grenzerfahrung Mutterliebe

Yonnis Wut richtet sich nicht nur auf Politik und Gesellschaft, sondern auch auf die Auswirkungen hartnäckiger, veralteter Rollenbilder auf sie als Frau: «Besonders nerven mich diese andauernden Schuldgefühle», sagt sie und fragt sich, warum so viel Druck auf ihr als Mutter laste. «Mein Mann ist da sehr viel entspannter drauf, wobei Väter sowieso eher gelobt als gerügt werden.» Innezuhalten und zu reflektieren, woher die Ängste und Selbstzweifel eigentlich kommen und nicht zu hart über sich selbst zu urteilen helfe ihr dabei, Ruhe zu bewahren. «Ich habe viel über mich gelernt, bin mir gegenüber sanfter geworden», erzählt Yonni.

«Trotzdem stosse ich immer wieder an meine Grenzen und verliere auch mal die Nerven.» Dass man auf dieses Kind, für das man sich «ohne zu zögern vor einen Zug werfen würde», auch mal wahnsinnig wütend werden kann, sei eine extreme Erfahrung der Gegensätze. Dennoch ist es eine Erfahrung, die sie nicht missen möchte. «Diese Art der Selbstaufgabe, diese uneingeschränkte Mutterliebe, das ist etwas nie Dagewesenes für mich», sagt sie.

«Ein eigenes Kind zu bekommen ist das Fundamentalste, das man überhaupt machen kann – es stellt das ganze Leben auf den Kopf.»

Yonni Moreno Meyer aka Pony M. Comedienne und Mutter

Fundamentale Entscheidung

Ein eigenes Kind zu bekommen sei das Fundamentalste, das man machen könne. «Es ist weder das Beste noch das Schlechteste – aber nichts verändert dein Leben so sehr wie ein Kind.» zitiert Yonni ihren Vater. Yonnis Fürsprache: Legen wir für einmal die rosarote Brille ab, geben zu, dass Kinder auch bedeuten, dass die Liebesbeziehung inklusive Sexleben für eine ganze Weile zu kurz kommt, weil zuerst das Überleben dieser «Frucht der Liebe» garantiert werden muss. Reden wir doch einfach ehrlich über die Ups und Downs der Elternschaft und anerkennen, dass wir unsere Kinder trotz alledem über alles lieben.

Denn, so sagt sie: «Ein Kind zu bekommen war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich liebe meinen Sohn, freue mich auf alles, was noch kommt, und wenn ich oft darüber rede, was mich nervt, liegt das nicht an ihm, sondern daran, dass ich mir wünsche, dass wir ehrlich über alles sprechen können, um dadurch bessere Eltern und Vorbilder zu werden.»

Drei Tipps für die Frischgebackenen

«Ihr wollt all eure Babybreichen mit Biogemüse selber kochen? Habt euch vorgenommen, Stoffwindeln zu verwenden und euer Kind nur mit pädagogisch wertvollem Spielzeug aus zertifiziertem Holz spielen zu lassen? Das ist überaus bewundernswert und falls ihr es tatsächlich schafft, das durchzuziehen: Hut ab. Aber bitte macht euch keinen Kopf, wenn ihr euren eigenen Ansprüchen nicht immer genügen könnt. Ist der kleine Schreihals erst mal da, kann es nämlich schnell einmal passieren, dass man die eigenen Prinzipien über den Haufen werfen und Prioritäten setzen muss. Nicht selten der eigenen mentalen Gesundheit zuliebe. Da ist es völlig in Ordnung, wenn der kleine Racker dann doch einmal mit einem Plastik-Spiderman spielt und das Rüeblimus aus dem Sup

«Besonders allergisch bin ich gegen ungefragte Tipps und Aussagen wie: ‹Warts ab› oder ‹Entspann dich doch einfach mal›. Nicht sehr hilfreich! Deshalb ein tatsächlich nützlicher Hinweis, weil ich tatsächlich danach gefragt wurde: Besorgt euch ein superweiches Nuuscheli. Nicht eines aus Baumwolle, sondern eines aus Bambus, denn das sind mit Abstand die weichsten. Das Einsatzgebiet dieser Kuscheltücher ist schier unendlich. Sie können als Spucktuch verwendet werden, als Lätzchen beim Essen von (gekauftem) Babybrei, sie können zum Segeltuch aufgespannt werden, fangen ausgespuckte Nuggis auf, sind wunderbar zum Schmusen und nicht zuletzt ideal zum Gugus-Dada spielen. Mein Sohn, der inzwischen drei Jahre alt ist, schläft noch immer damit. Seelenruhig.»

«Klar, nach der Geburt wollen vom Cousin bis zur Nachbarin alle den Nachwuchs bestaunen. Und Grosi und der Grospapi, die sollen auch dürfen, die drehen sonst am Rad. Trotzdem: Empfangt nicht zu viel Besuch in der Anfangszeit, denn ihr braucht alle viel Ruhe und Erholung. Nehmt euch diese Zeit füreinander, um zusammenzuwachsen. Es gibt noch genügend Möglichkeiten für alle, die dies wünschen, euch und euer Baby zu besuchen. Überfordert euch nicht damit, mit durchschnittlichen zwei Stunden Schlaf pro Nacht Gäste unterhalten zu müssen.»

Bühne frei für Yonni Moreno Meyer aka Pony M.

Eltern werden ist nicht schwer – Eltern sein dagegen sehr. Weisheiten von Comedienne Yonni Moreno Meyer, die ganz ernst gemeint sind. Bild Melanie Duchene

Die schweizweit bekannte Bloggerin wuchs im Zürcher Weinland in Benken auf und besuchte die Kantonsschule Schaffhausen. Während ihres Psychologiestudiums in Freiburg betrieb sie unter anderem Hormonforschung. Nach dem Abschluss rief Yonni Nelida Moreno Meyer, wie sie mit ganzem Namen heisst, im Jahr 2013 auf Facebook ihren Blog «Pony M.» ins Leben. Ihre Texte sind oft witzig, aber längst nicht mehr nur unterhaltsam, sondern oft gesellschaftskritisch und regen zum Nachdenken an. Themenschwerpunkte sind unter anderem Rollenbilder, Gleichberechtigung, soziale und gesellschaftliche Gleichstellung sowie Themen zur Psychologie des Menschen. Aufgrund ihres grossen Erfolgs wurden Yonnis Texte rasch auch in den etablierten Medien veröffentlicht. Sie wurde in einer Vielzahl von Zeitungsberichten, Radio- und Fernsehsendungen porträtiert und gilt als eine der meistgelesenen Online-Autorinnen der Schweiz. Bisher hat sie vier Bücher publiziert. Sie hält Lesungen, macht Stand-up-Comedy, tritt in Radio und Fernsehen auf und engagiert sich gemeinnützig. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie einen dreijährigen Sohn, der sie meist zum Lachen bringt, sie aber auch manchmal zur Weissglut treibt.

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