Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um zu investieren? Matthias Baumgartner von der Schaffhauser Kantonalbank ordnet ein

Till Burgherr (tbu) | 
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Portrait von Matthias Baumgartner, Leiter Investment Center Schaffhauser Kantonalbank, am Dienstag, 30. Januar, 2024 (Melanie Duchene / Schaffhauser Nachrichten)
Matthias Baumgartner, Leiter Investment Center der Schaffhauser Kantonalbank, rät zur Ruhe. Bild: Melanie Duchene

Das Börsenbeben sorgt für Nervosität unter Anlegerinnen und Anlegern. Matthias Baumgartner von der Schaffhauser Kantonalbank ordnet die Lage ein. Das rät er.

Donald Trumps neue Zölle lassen die Märkte erzittern: Nach den Kursstürzen vom Donnerstag und Freitag setzt sich der Abwärtstrend am Montag fort. Der Swiss Market Index (SMI) brach zum Handelsstart um 6,9 Prozent ein.

Während selbst Schweizer Schwergewichte wie Swiss Life deutlich verlieren, fragen sich die Anleger: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt zum Aussteigen – oder zum Einsteigen?

Matthias Baumgartner, Leiter Investment Center der Schaffhauser Kantonalbank, ordnet die Situation ein.

Zur Person

Matthias Baumgartner ist seit über 25 Jahren bei der Schaffhauser Kantonalbank tätig und als Leiter Investment Center mit seinem Team verantwortlich für die Anlagepolitik der Bank. Er ist verheiratet und lebt in Schaffhausen.

Herr Baumgartner, der Swiss Market Index hat am Montagmorgen nochmals massiv verloren – auch Schweizer Schwergewichte wie Swiss Life, UBS oder Holcim sind eingebrochen. Sind diese Rückschläge gerechtfertigt oder übertreibt der Markt?

Aus Anlegersicht drängt sich tatsächlich die Frage auf, ob gesunde und solide Unternehmen innerhalb von wenigen Tagen zehn bis zwanzig Prozent weniger wert sein können. Fakt ist, dass der Aktienkurs die zukünftige Entwicklung der Unternehmensgewinne widerspiegelt. Aktuell geht der Markt davon aus, dass die neuen Handelszölle das Potenzial haben, eine globale Rezession auszulösen.

«Aus Anlegersicht drängt sich tatsächlich die Frage auf, ob gesunde und solide Unternehmen innerhalb von wenigen Tagen zehn bis zwanzig Prozent weniger wert sein können.»

Matthias Baumgartner, Leiter Investment Center der Schaffhauser Kantonalbank

Handelt es sich jetzt um eine Korrektur oder den Beginn eines längeren Kurszerfalls – wie lautet Ihre Einschätzung?

Die weitere Börsenentwicklung ist in erster Linie von der US-Zollpolitik abhängig. Werden weitere Zölle eingeführt? Krebst US-Präsident Trump punktuell zurück? Kommt es zu Verhandlungserfolgen? In diesem von grosser Unsicherheit geprägten Umfeld ist eine seriöse Prognose unmöglich. Wir rechnen mit weiteren grösseren Kursschwankungen, bis sich ein klareres Bild über die Auswirkungen des Zollkonflikts herauskristallisiert.

Auf der LED-Wand im Eingangsbereich des SIX-Hauptsitzes in Zürich stürzen die Linien steil in die Tiefe – ein Sinnbild für die Nervosität an den Märkten. Bild: Keystone

Gibt es aktuell Schweizer Aktien, die unterbewertet sind und sich für einen Einstieg anbieten könnten?

Zu Jahresbeginn beurteilten wir den Schweizer Aktienmarkt als «fair» bewertet. Die aktuellen Kurskorrekturen müssen nicht zwingend zu einer Unterbewertung führen, da die Ertragserwartungen im gleichen Ausmass nach unten korrigiert wurden. Auf ein, zwei vermeintlich unterbewertete Aktien zu setzen, erachten wir als nicht zielführende Strategie. Anlegerinnen und Anleger sollten ihr Portfolio breit aufstellen und auf eine genügende Diversifikation achten.

«Wir raten, an der eingeschlagenen Anlagestrategie festzuhalten und den Anlagehorizont – bei Aktienengagements fünf Jahre und länger – nicht aus den Augen zu verlieren.»

Matthias Baumgartner, Leiter Investment Center der Schaffhauser Kantonalbank

Können Werte wie Swisscom oder Nestlé noch als «sichere Häfen» gelten oder ist diese Rolle in der aktuellen Lage nicht mehr haltbar?

Aktienanlagen können per se nicht als «sicherer Hafen» im Sinne von keinen oder minimalen Kursschwankungen bezeichnet werden. Bei Aktieninvestitionen ist ein langfristiger Anlagehorizont die wichtigste Grundvoraussetzung für den Anlageerfolg. Kurskorrekturen, wie sie aktuell stattfinden, müssen Anlegerinnen und Anleger aushalten. Vergangene Krisen zeigen, dass Unternehmen anpassungsfähig sind und deren Aktienkurse sich rasch erholen können.

Was raten Sie Anlegern, die bereits stark in Schweizer Aktien investiert haben?

Der Schweizer Aktienmarkt liegt seit Jahresbeginn rund fünf Prozent im Minus, im vergangenen Jahr legte er um sechs Prozent zu – also aktuell immer noch ein positives Ergebnis, wenn man 2024 und 2025 kumuliert. Wir raten, an der eingeschlagenen Anlagestrategie festzuhalten und den Anlagehorizont – bei Aktienengagements fünf Jahre und länger – nicht aus den Augen zu verlieren. Die Flucht in Sicherheit hat in der Schweiz zu (noch) tieferen Renditen geführt. Aktien werden früher oder später wieder in die Gunst der Anlegerinnen und Anleger fallen und bieten Partizipation an der Innovationskraft der Unternehmen.

Wie kann man sich als Privatanleger in solch volatilen Zeiten sinnvoll aufstellen?

Diversifikation gehört in der Anlagewelt zu einem wichtigen Grundsatz, um Risiko und Ertrag in Einklang zu bringen. In jeder Krise gibt es auch Gewinner. So haben beispielsweise CHF-Obligationen seit Monatsbeginn zugelegt und in einem gemischten Portfolio die Aktienverluste teilweise kompensieren können. Auch der Goldpreis oder Immobilienfonds sorgten im bisherigen Jahresverlauf für Stabilität im Portfolio.

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