Wenn Erdbeeren Hochsaison haben: Die Auswirkungen des Überschusses auf den Schweizer Markt

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Prächtige, tiefrote Erdbeeren konnten in den letzten Wochen bei lokalen Produzenten gekauft werden. Bild: Melanie Duchene

Auf Regen folgt Sonnenschein: Dieses Sprichwort galt in den vergangenen Wochen wohl mehr denn je. Das Wetter sorgte dafür, dass der Markt mit Erdbeeren überschwemmt wurde. Doch Ende Woche könnten diese bereits knapp werden, wie ein regionaler Produzent sagt.

von Damiana Mariani und Kay Fehr

In der Schweiz gibt es einen Überschuss an Erdbeeren – das berichtete unter anderem der «Tages-Anzeiger». Schuld sei in erster Linie das Wetter: Weil der Frühling regenreich war, verzögerten sich die frühen Erdbeersorten, die eigentlich Mitte Mai pflückreif wären. Dann änderte sich das Wetter schlagartig und die Region wurde mit Sonnenschein und heissen Temperaturen beglückt. Nicht nur hat das die frühen Sorten zur Reife gebracht, die späten Sorten, die eigentlich erst Ende Juni reif sein sollten, gediehen schneller als gedacht. Die Folge: Alle Sorten Erdbeeren sind in den gleichen zwei bis drei Wochen erntereif geworden, anstatt wie in anderen Jahren in fünf bis sechs Wochen.

Schmales Zeitfenster zum Pflücken

«Man will die Ernte normalerweise lang ziehen, damit wir mit dem Pflücken hinterherkommen und so lange wie möglich unsere Erdbeeren verkaufen können», bestätigt Erik Eichenberger, Geschäftsführer von Eichenberger Obst in Uhwiesen. Die Erdbeerkulturen würden besonders stark auf das Wetter reagieren, denn ihre Aufzucht sei mit grossem Aufwand verbunden. «Schon wenn wir eine normale Ernte haben, ist der Zeitrahmen zum Pflücken kurz. In den vergangenen zwei Wochen war es aber noch intensiver und wir mussten bereits vier Mal mit einer erhöhten Anzahl Mitarbeiter ernten», sagt Eichenberger. «Mit dem Personal auf dem Feld kamen wir bisweilen sogar ins Schleudern. Anstatt 20 hätten wir 30 oder 40 Erntehelfer benötigt.»

Die Menge an Erdbeeren sei indes nicht grösser als in anderen Jahren – problematisch sei nur, dass alles in einem sehr kleinen Zeitfenster gepflückt werden muss. Das hat auch Auswirkungen auf den Markt: Die ganze Schweiz wurde mit lokal angebauten Erdbeeren regelrecht überschwemmt. «Dazu kommt, dass Erdbeeren kaum lagerbar sind. Durch das Überangebot auf dem Markt fällt der Preis. Es ist definitiv ein schwieriges Jahr, was Erdbeeren angeht», so der Geschäftsführer. Immerhin hat er die Option, Überproduktionen einzufrieren oder zu trocknen, um später Konfitüre oder Likör daraus zu machen.

Erik Eichenberger rechnet damit, dass das beliebte Obst aus der Region bereits Ende Woche wieder knapp werden könnten. «Unsere Erdbeeren sind Naturprodukte und lassen sich deswegen nicht lange lagern. Spätestens einen Tag nach der Ernte müssen sie verkauft oder eingefroren werden.» Der Geschäftsführer bleibt aber optimistisch. «Als Obstbauern sind wir uns gewohnt, mit der Natur zusammenzuarbeiten. Wir machen das Beste daraus.»

«Als Obstbauern sind wir uns gewohnt, mit der Natur zusammenzuarbeiten. Wir machen das Beste daraus.»

Erik Eichenberger, Geschäftsführer von Eichenberger Obst in Uhwiesen

Etwas anders präsentiert sich die Situation bei der Familie Räss in Benken. Der Betrieb produziert Bio-Erdbeeren. Und qualitativ hochwertige Bio-Erdbeeren seien auf dem Schweizer Markt noch immer Mangelware, sagt Simon Räss von Räss Wildbeeren, «zudem ist der Bio-Erdbeermarkt vom konventionellen nur wenig abhängig. Leidet dieser, spüren wir das nur bedingt.» Räss Wildbeeren produziert zehn Prozent der schweizweiten Bio-Erdbeermenge.

Allerdings beginnt die Ernte bereits im Frühling und wird schon kommende Woche abgeschlossen. Die Bio-Erdbeeren-Produktion gestaltet sich anspruchsvoll, besonders in einem Frühling wie diesem, reich an Wolkenbrüchen. «Der Regen wäscht alle natürlichen Schutzmittel ab, das Wetter stellt somit ein grösseres Risiko für uns dar.» Unter dem Strich hatte Simon Räss in diesem Jahr dann auch eine kleinere Erdbeerernte als die Jahre zuvor. Immerhin: Die Preise waren und sind stabil. Auf diese Stabilität ist die Bio-Produktion auch angewiesen. Bieten Grossverteiler wie Migros und Coop, die Räss Wildbeeren beliefert, konventionelle Erdbeeren zum Spottpreis an, sehen sich Bio-Produzenten gezwungen, mitzuziehen, um konkurrenzfähig zu bleiben.

«Lieber zu trocken als zu nass»

Auch bei Tobias Martin von Martin Agro in Hettlingen hat die Ernte später angefangen als sonst. Das Wetter war kühl und nass, und so sind die Erdbeeren eben zusammen reif geworden. Den Höhepunkt der Haupternte hat Tobias Martin vergangene Woche erreicht, nun geht die Ernte wieder zurück. «Wir sind zufrieden mit der Saison», sagt Tobias Martin. «Zu Beginn des Frühlings habe ich mir noch Sorgen gemacht, dass meine Erdbeeren wegen des vielen Regens verfaulen.» Aber dann habe sich der Himmel gelichtet, das schöne Wetter das Obst verwöhnt, und nun sei es sogar schon ein wenig zu trocken.

«Zu Beginn des Frühlings habe ich mir noch Sorgen gemacht, dass meine Erdbeeren wegen des vielen Regens verfaulen.»

Tobias Martin, Obstbauer aus Hettlingen

Noch vor vier, fünf Wochen habe niemand damit gerechnet. «Lieber ist es zu trocken als zu nass», sagt er. «Wasser giessen ist einfacher als Wasser wegnehmen.» Tobias Martin hatte in diesem Jahr mehr Ertrag als in denen davor. Die Trockenheit, gepaart mit vielen Sonnenstunden und kühlen Nächten sorgte ausserdem für massig Fruchtzucker, die Erdbeeren werden süss. «Es war eigentlich ideal. Wir haben die gepflückten Erdbeeren im Hof verkauft und den Rest konnten Besucher auf unserem Erdbeerfeld selbst pflücken. Das ist jedes Jahr ein Highlight.»

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