«Bin ich noch jemand ohne jemand?»

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Kuno Lauener gehört zu den Gründungsmitgliedern von Züri West. Die Band tritt im August am «Stars in Town»-Festival in Schaffhausen auf. Bild: zvg

Züri West – die Band tritt am 10. August am «Stars in Town» auf – meldet sich mit «Love» nach fünf Jahren Albumpause eindrücklich ­zurück. Frontmann Kuno Lauener (56) über seine Erfahrungen als spät­berufener ­Vater, seine Fussballromantik und die Liebe in der Nachspielzeit.

von Reinhold Hönle

Kuno Lauener, Züri West bringen zwei Singles auf einmal heraus. Weil ihr wie Ed Sheeran in der Champions League spielen wollt?

Kuno Lauener: Nein, ganz so ist es nicht. (Schmunzelt.) Eigentlich wollten wir nur «Schachtar gäge Gent» veröffentlichen, doch dann kamen wir im Vorgespräch mit der Filmcrew auf die Idee, zwei fast identische Videos zu zwei unterschiedlichen Songs zu machen. Die zwei Drehtage bei minus 10 Grad waren wirklich hart, aber ein unvergessliches Erlebnis – auch, weil der Schnee dieser Hochhauslandschaft in der Nähe unserer Wohnung plötzlich ein ganz anderes Kleid verpasst hat.

Die Schwarz-Weiss-Bilder passen sehr gut zur Stimmung auf diesem Album. «Love» vor, während oder nach einer Trennung …

Die Lieder handeln vor allem in der Nachspielzeit, würde man fussballerisch sagen. Ich weiss nicht, wie es dazu kam. Ich ver­mische Secondhand-Geschichten mit eigenen Erfahrungen, und so entsteht Song um Song. Aber keine Sorge, meiner Familie geht es gut! (Lacht.)

Wäre es Ihnen zu viel des Glücks, wenn Sie glücklich wären und dies noch in Texten über das Glücklichsein wiedergeben würden?

Diese Gefahr besteht bei mir nicht. Ich bin immer noch ein rechter Zweifler, manchmal. Man beobachtet und hört Dinge, ich lese viel … Als wir die Song-Reihenfolge festlegten, habe ich selbst gestaunt, wie viele traurige Liebeslieder entstanden sind. Wir stellten sie dann an den Anfang. Das hat ­irgendwie Sinn gemacht.

Wie hat sich Ihr Blick auf die Liebe verändert, seitdem Sie Vater geworden sind?

Das ist ein neuer Aspekt. Vater zu sein, ist ein realer Zustand. Das ist man auf ewig, und da gibt es kein Zurück mehr. Doch mir tut das gut, von der Solidität her und weil ich mir die Dinge nun aus einer anderen Perspektive ansehe.

Woran mussten Sie sich zuerst gewöhnen?

Es ist einfach eine völlig neue Lebenssituation – Anarchie zu Hause. Du weisst nie, was dich am nächsten Tag erwartet. Wenn du mit 50 noch Kinder bekommst, kommst du selbst noch einmal auf die Welt. Ich sehe das allerdings positiv – obwohl ich Kompromisse machen muss. Früher hatte ich den ­Luxus, dass ich endlos an einer Idee arbeiten konnte, während meine Tage und Nächte nun dem strengen ­Regime meiner Freundin und meiner Kinder unterworfen sind. (Schmunzelt.) Inzwischen flutscht es allerdings mit dem Organisieren und Sichabsprechen.

Bedrückt es Sie, wenn Sie sehen, wie viele Paare nebeneinander herleben, weil sie nicht den Mut finden, sich zu trennen?

Es bedrückt mich nicht, aber wenn man älter wird, werden Angstgefühle wie «Bin ich noch jemand ohne jemand?» nicht weniger. Ich nehme dies schon wahr, auch bei mir selbst.

Was hat Sie zu «Quick» inspiriert?

Früher gab es in Bern eine gleichnamige Bar, die eine Stunde länger offen hatte als all die anderen. Das war der Laden, wo man hinmusste, wenn man «dabei» sein wollte. Als Junger habe ich immer gestaunt ob der schönen, coolen Frauen und der wichtig dreinschauenden Typen. Im Song stelle ich mir nun vor, dass ich einem von denen nach zwanzig Jahren wieder begegne und dabei an all die grossen Töne denke, die er damals gespuckt hatte, wie er die Welt verbessern wollte, und was davon übrig geblieben ist.

Was bedeutet Ihnen der Fussball, der in zwei Liedern namentlich vorkommt?

Für mich hat er etwas Romantisches. Ich habe im Club gespielt, bis ich 18 war. Seither bin ich nur noch Fan und Konsument. Mannschaftssportarten haben mich schon immer mehr interessiert als Einzelsportarten. Unsere Band funktioniert auch irgendwie so. Ich bin gut aufgehoben, wenn ich mit anderen Menschen zusammenarbeiten kann.

Wie haben Sie Ihre neuen Bandmit­glieder gefunden?

Nach der letzten Tournee, die wir nach dem Gleitschirmunfall von Jüre Schmidhauser mit einem Gast­musiker bestreiten mussten, war vorerst noch nicht klar, wie es weitergehen sollte, und von Tom Etter, unserem ehemaligen Gitarristen, haben wir uns nach 15 gemeinsamen Jahren in gutem, gegenseitigem Einvernehmen getrennt. Mit Bassist Wolfi Zwiauer und unserem alten Kumpel Mänu Haefliger, der als Grafiker zwei Plattenhüllen für uns mitgestaltet hatte und mit dem ich bei den Sugarbabies AC/DC und Hendrix gecovert hatte, holten wir darauf zwei sehr coole Typen an Bord, von denen wir wussten, dass sie zu uns passen.

Stimmt der Eindruck, dass die Songs wieder mehr längere Instrumental­passagen haben?

Ja, wir tönen wieder rockiger. Es hat mehr Gitarrensoli drauf, und wir haben der Musik etwas mehr Raum gelassen. Das war nicht geplant, sondern ist jetzt halt, wie die neue Band so tönt.

Was erwartet das Publikum bei den Konzerten?

Wir sind schwer am Proben. Noch ist nicht definitiv klar, welche Songs wir live spielen werden und wie wir das Ganze auf die Bühne bringen wollen. Wir sind also ziemlich im Stress. Ich freue mich, wenn das Zeug auf dem Schlitten ist und wir endlich die Türe [zum Proberaum] im dritten Untergeschoss abschliessen und sagen können: Wir sind dann mal weg ...

Züri West: 30 Jahre Mundartrock

Sänger und Texter Kuno Lauener, der am 17. März 1961 in Aarberg geboren wurde und in Spiegel bei Bern aufwuchs, gehörte wie Gitarrist Markus Fehlmann schon dem Quintett an, das Züri West 1984 gründete. 1989 eroberten sie mit «Bümpliz–Casablanca» erstmals die Spitze der Schweizer Hitparade. Die erfolgreichste Single ist bis heute «Ich schänke dr mis Härz» (1994). Trotz verschiedener Besetzungswechsel ist die Band in Sachen Kreativität, Beständigkeit und Coolness im Mundartrock der letzten 30 Jahre unbestritten die Nummer eins. Das 13. Studio-Album «Love» bringt den Fans nun besonders viel Glück, nachdem sie auch deshalb fünf Jahre darauf warten mussten, weil der Frontmann noch ein zweites Mal Vater geworden ist. Die Platte klingt, als ob ihn nichts mehr aus der Ruhe bringen könnte – nicht ­einmal eine Cup-Heimniederlage seines Lieblingsvereins BSC Young Boys zu Hause gegen das unterklassige Winterthur. Neben dem rockig abgehenden «Schachtor gäge Gent» und dem stimmigen «Schatteboxe» ragen das ­bittersüsse «Glück u Glas», der bedrohliche «Chliine Brueder» und die kongeniale Dylan-Adaption «Mir wie nid grüble» (von «Don’t Think Twice, It’s Alright») heraus.

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