Halloween: Kinderfreundlicher Brauch oder überflüssiger Kulturimport?

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Süsses oder Saures? In den letzten Jahren hat Halloween auch in Schaffhausen an Bedeutung ­gewonnen. Doch bringt das nord­amerikanische ­Gruselfest mehr Freude oder mehr Leid?

Pro

Von Isabel Heusser, Redaktorin

Noch einmal wird mir das nicht ­passieren. Als es vor ein paar Jahren am Abend des 31. Oktobers bei mir klingelte, war ich nicht vorbereitet. Da standen ein paar verkleidete Kinder mit je einem Säckli in der Hand vor meiner Haustür, und eines von ihnen piepste: «Händ Sie öppis ­Süesses für eus?» Der Spruch geht zwar anders, aber leid tat es mir trotzdem, dass ich den Kindern nicht mal ein Guetsli anbieten konnte. Denn ich finde Halloween toll. Aus den USA, wo ich den Kindergarten besuchte, ist der Brauch seit Jahrzehnten nicht mehr wegzudenken und, neben Weihnachten, ein Highlight für jedes Kind. Die Häuser werden mit mannshohen Plastikskeletten, künstlichen Spinnweben und Vogelscheuchen geschmückt, ein kunstvoll zur Fratze geschnitzter Kürbis vor der Tür ist Ehrensache. Kleine Geister, Hexen und Monster gehen aufgeregt von Tür zu Tür, jedes mit einer Schale in Kürbisform ausgestattet, und stellen die obligate Frage: «Trick or Treat?», zu deutsch: «Süsses oder Saures?» Eine rein rhetorische Frage. Denn natürlich hortet jeder ein paar Kilogramm Süssigkeiten zu Hause, der nicht als Unmensch dastehen oder zur Strafe sein Auto mit Rasierschaum versprüht sehen will. ­Besonders beliebt als Gabe sind Schoggi- Erdnussbutter-Taler.

Ja, ja, ich höre sie schon, die Stänkerer. Amerikanische Kommerz­veranstaltung! Importierter Pseudo­brauch! Nun ist mir erstens schleierhaft, warum manche Schweizer eine automatisierte Abscheu gegen alles haben, was mit den USA zu tun hat. Und zweitens ist Halloween nicht amerikanisch, sondern ein katholisch-irischer Brauch. Einwanderer haben ihn in die USA gebracht. Es stimmt: Halloween hat keinen kulturellen Hintergrund in der Schweiz. Na und? Weihnachten wurde schliesslich auch nicht hier erfunden. Brauchtum entwickelt sich, und das ist gut so. Man muss ja nicht gleich die ganze Wohnung mit billigem Dekokrempel vollstellen, der in den Geschäften angeboten wird. Die Kinder haben auch so ihren Spass. Vor allem dürfen sie endlich mal über die Stränge schlagen. Seit zahlreiche Kantone aus Angst vor Vandalenakten den Schulsilvester abgeschafft haben, sind solche Gelegenheiten selten geworden. Darum, liebe Miesmacher: Lassen wir die Kinder Halloween feiern! Einmal im Jahr soll es erlaubt sein, von Fremden Süssigkeiten anzunehmen. Wenn es am 31. Oktober wieder bei mir klingelt, werde ich mit Schoggi-Erdnussbutter-Taler bereitstehen. Broccoli können die Kinder am nächsten Tag wieder essen.

Contra

Von Ralph Denzel, Redaktion Online

Wo man hinschaut: Überall grinsen einen Kürbisse, Skelette und Gruselmasken an. Es ist wieder so weit: Schaffhausen ist im Halloween-­Fieber – und damit in einer Zeit, in der deutlich wird: Jeder Grund, um Konsumenten Geld aus der Tasche zu ziehen, ist herzlich willkommen.

Für mich ist Halloween nur ein weiterer «Exportschlager» aus anderen Kulturkreisen, ähnlich wie viele andere «Traditionen» die man in unseren Breitengraden nur allzu bereitwillig kopiert hat – zum Beispiel den St. Patrick’s Day oder ganz aktuell das Oktoberfest. Ebenso wie Halloween haben diese Events mit der Schaffhauser oder der Schweizer Kultur rein gar nichts zu tun. Warum begehen wir sie dann trotzdem jedes Jahr aufs Neue? Weil sie uns kurzzeitig einen Vorteil verschaffen – so auch ganz speziell Halloween. Das eigene Fasnachtskostüm muss nicht bis im Februar im Schrank versauern, sondern darf schon im Oktober herausgeholt werden.

Aber wie so oft stehen hier nicht der Mensch und seine Bedürfnisse im Vordergrund, sondern vor allem Geschäfte, die ein reges Interesse daran haben, dass möglichst viele Menschen am 31. Oktober Halloween begehen. So reibt sich die Süssigkeiten­industrie schon jedes Jahr erwartungsfroh die Hände, wenn sie an die Gewinne denkt, die sie mit Halloween machen wird. Mittlerweile ist dieser Abend ein Highlight für diesen Geschäftszweig, bei dem die Umsätze kurz­zeitig fast an Ostern heranreichen.

Kein Wunder, dass dann auch örtliche Geschäfte nur allzu gern auf diesen Zug aufspringen und ihre Auslagen mit allem vollstopfen, was irgendwie gruselig wirken könnte. Irgendjemand wird schon den Styroporgrabstein, die Gummifledermäuse und die Wattespinnweben kaufen. Für viele Geschäfte ist Halloween ein zweites Weihnachtsgeschäft, nur mit Kürbissen und Skeletten in der Auslage anstatt Weihnachtskugeln und Lametta.

So ist das ganze Event Halloween die ausgemachte Kommerzialisierung von «Traditionen» und einzig zu dem Zweck hierhergeholt, um möglichst Geld damit zu machen. Die wenigstens wissen wohl noch, warum dieser Abend ursprünglich begangen wurde – es dürfte den meisten aber auch egal sein: Hätte dieser Abend nicht das Potenzial, die Umsätze von Unternehmen vor dem grossen Weihnachtsgeschäft etwas steigen zu lassen, wir würden wohl weiter am 31. Oktober zu Hause sitzen und nicht in «gru­seligen» Kostümen um die Häuser ziehen.

Eine schöne Vorstellung.

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