Arbeitslose: Verhaltener Optimismus

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Die Bauwirtschaft lässt die Statistik gut aussehen, doch bei der Abnahme der Arbeitslosen ist die Konjunktur am Werk. Bild: Key

In der Schweiz sind weniger Arbeitslose gemeldet als vor einem Jahr. Doch die starke Zunahme der Nachfrage nach Temporärarbeit zeigt, dass die Unternehmer mit dem Aufbau neuer Kapazitäten noch vorsichtig sind.

von Daniel Zulauf

Die neue Frankenschwäche verleiht der Schweizer Wirtschaft zusätzlichen Schwung. Dies belegen sowohl die gestern veröffentlichten Arbeitsmarktdaten zum Monat April wie auch der aktuelle Geschäftslageindikator der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). Doch die ungewöhnlich stark ansteigende Zunahme der Nachfrage nach Temporärarbeit zeigt ebenso: Die Unternehmer wollen dem Glück noch nicht richtig trauen.

An guten Nachrichten mangelte es in der Schweizer Wirtschaft eigentlich nicht. Gestern meldete das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) den Rückgang der Arbeitslosenquote im April auf 2,7 Prozent. Das ist der tiefste Stand seit sechs Jahren. Noch sind auf den regionalen Arbeitsvermittlungszentren fast 120 000 Menschen als arbeitslos gemeldet. Allein im April ist diese Zahl um über 10 000 Personen kleiner geworden. Saisonale Effekte wie die Rückkehr der Bauwirtschaft vom winterlichen Sparbetrieb zur Maximalproduktion lassen die Statistik in dieser Jahreszeit zwar immer etwas besser aussehen, doch der saisonal unbeeinflusste Vergleich zwischen April 2018 und April 2017 macht deutlich, dass hier allerdings auch starke konjunkturelle Kräfte am Werk sind.

Stimmung wie vor dem Frankenschock

In diesem Vorjahresvergleich hat die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen um mehr als 26 000 Personen beziehungsweise um 18 Prozent abgenommen. Besonders erfreulich: Von den rund 26 000 Personen, die im April 2017 noch als langzeitarbeitslos gemeldet waren (mehr als ein Jahr ohne Stelle), haben in den vergangenen zwölf Monaten über 5500 (23 Prozent) den Weg zurück in den Schweizer Arbeitsmarkt gefunden. Besonders viele fanden im letzten Monat einen Job.

Dass die Wirtschaft frische Arbeitskräfte braucht, zeigt der Geschäftslageindiktor der KOF. Die monatliche Befragung von 4500 Unternehmen aus allen Bereichen der Privatwirtschaft ergibt derzeit ein Stimmungsbild, das so positiv ist wie unmittelbar vor dem letzten Frankenschock im Januar 2015. In der Industrie planen Exportfirmen, ihre Produktionstätigkeit in naher Zukunft auszuweiten, und es werden zusätzliche Arbeitskräfte gesucht, beschreibt die KOF das gestern veröffentlichte Umfrageergebnis. Zusätzlich hilft auch der aktuelle Wechselkurs der Exportwirtschaft. Im ersten Quartal des Jahres kostete ein Euro noch durchschnittlich 1,17 Franken, ein Jahr davor waren es 1,07 Franken gewesen. Inzwischen bewegt sich der Euro sogar bei über 1,19 Franken. Insbesondere auf den EU-Märkten habe sich die Wettbewerbsposition der Schweizer Industriefirmen verbessert, stellt die KOF fest.

Doch dem Wechselkursglück wollen die Unternehmer noch nicht ganz trauen. Das zeigt sich unter anderem an der Tatsache, dass im Moment besonders viele Arbeitsverträge auf Zeit abgeschlossen werden. Swiss­staffing, der Verband der Schweizer Personalvermittler, registriert für das erste Quartal des Jahres eine Zunahme der geleisteten Einsatzstunden von Temporärangestellten um über 15 Prozent gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres. Das ist die stärkste Zunahme in den sechs Jahren, seit es den «Swiss Staffing­index» gibt.

Unter der Annahme einer unverändert guten Konjunkturentwicklung könnten sich in gewissen Sektoren und Berufsgruppen schon im laufenden Jahr, spätestens aber im nächsten Jahr, Zeichen der Verknappung manifestieren, glaubt Swissstaffing-Ökonom Marius Osterfeld. Die Schweizer Industrie wird kaum umhinkommen, auch in der Schweiz wieder mehr zu investieren. KOF-Ökonom Yngve ­Abrahamsen erwartet zunächst vor allem mehr Rationalisierungsinvestitionen, von denen es in den vergangenen Jahren erstaunlich wenige gegeben habe. In absehbarer Zukunft könnten aber auch Erweiterungsinvestitionen folgen. Bereits im Januar waren über 90 Prozent der Kapazitäten in der Industrie ausgelastet. Die gesamte Kapazitätsauslastung der Schweizer Wirtschaft betrug im April gemäss KOF 83 Prozent. Die Zurückhaltung der Unternehmer ist auch vor dem Hintergrund dieser Zahlen nicht unverständlich. So sorgte die verworrene politische Lage in Italien gestern für einen unerwartet starken Dämpfer auf den Eurokurs. Auch Donald Trumps Sicherheits- und Handelspolitik erhöht die wirtschaftliche Unsicherheit.

Dank saisonalen Jobs: Weniger Arbeitslose auch in der Region

Im Kanton Schaffhausen gab es im April 1333 Arbeitslose. Mit einer Quote von 3,1 Prozent entspricht das einer Abnahme von 0,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Im Vorjahr betrug die Arbeitslosigkeit 3,3 Prozent. 19 Prozent der Versicherten sind seit länger als einem Jahr arbeitslos. Davon sind 52 Prozent Ausländer. Den 2445 Stellensuchende stehen 118 offene Stellen gegenüber.

Auch im Kanton Thurgau freut man sich über einen Rückgang der arbeitslosen Personen. Die Quote ist von 2,3 Prozent im Vormonat auf 2,1 Prozent gesunken. Insgesamt waren im April 3105 Personen ohne Arbeit. Vor allem bei den ausländischen Männern hat sich die Zahl stark reduziert. Dieser Umstand lässt auf saisonale Aspekte, vor allem die Bautätigkeit schliessen, welche die Arbeitsmarktsituation positiv beeinflusst.

Die positive Dynamik setzt sich auch im Kanton Zürich fort. Hier waren 22 531 Personen beim RAV als arbeitslos gemeldet. Mit 2,7 Prozent ist die Quote somit um 0,3 Prozent gesunken (Vormonat: 3 Prozent). Auch hier war der Rückgang im Baugewerbe am stärksten. Dies führte dazu, dass die Abnahme bei den Männern (4,4 Prozent) stärker war als bei den Frauen (2 Prozent) und bei den Ausländern (4,4 Prozent) stärker als bei den Schweizern (2,3 Prozent). Die Pro­gnosen für eine wirtschaftliche Erholung im In- und Ausland sprechen für eine Fortsetzung dieser Tendenz. (cla)

 

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