«Es fehlt ein Treffpunkt für Jugendliche in Neuhausen»

Saskia Baumgartner | 
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Die Schüler Tobias Honegger (links) und Alessandro D´Ottaviano freuen sich auf ihre KV-Ausbildung im 2023. Bild: Saskia Baumgartner

Wie haben Jugendliche das zu Ende gehende Jahr erlebt? Die SN haben mit zwei 15-jährigen Neuhausern gesprochen, die eine klare Meinung zur Zukunft der Burgunwiese, zum Hochhausbau in der Gemeinde und zur Pandemie haben.

2022 ist in Neuhausen am Rheinfall viel passiert. Die SN woll­ten wissen, wie Jugendliche das Jahr erlebt haben und sprachen mit Alessandro D’Ottaviano und Tobias Honegger (15).

In Neuhausen wird neu islamischer Unterricht angeboten. Es handelt sich um ein Pilotprojekt. Wie findet ihr es, dass muslimische Kinder so in ihre Religion eingeführt werden?

Tobias: Ich kenne den Imam nicht. Ich denke allerdings, es ist gut für Schüler aller Religionen, mehr über die eigene Religion zu erfahren. Ich besuche seit der 1. Klasse den Religionsunterricht der Katholischen Kirche und konnte viel lernen.

Zu den Personen

Alessandro D’Ottaviano und Tobias Honegger sind 15 Jahre alt. Die Freunde besuchen die 3. Sek. im Neuhauser Rosenbergschulhaus. Nächstes Jahr beginnen beide eine KV-Lehre.

Ihr Hobby ist Fussballspielen.

Auf dem Rhy-Tech-Areal sind 2022 die beiden höchsten Wohnhochhäuser des Kantons im Rohbau entstanden, ­Anfang 2024 können sie bezogen werden. Wie steht ihr zum Hochhausbau in ­Neuhausen?

Alessandro: Es beeinflusst mich nicht direkt, wir wohnen nicht in der Nähe solcher Hochhäuser. Aber ich denke schon, dass sie gut sind, da ja immer mehr Leute nach Neuhausen ziehen. Die brauchen den Wohnraum.

Tobias: Ich finde es schön, dass neue Menschen hierher ziehen werden und man neue Kontakte knüpfen kann. Aber ich finde, Hochhäuser passen nicht in das Bild von Neuhausen. Neuhausen ist schon eher ein Dorf als eine Stadt.

Alessandro: Ich denke, das strebt Neuhausen an – mehr zur Stadt zu werden. Wenn man Blöcke baut, dann sollte man aber auch Arbeitsmöglichkeiten für die Menschen in der Gemeinde schaffen.

Ein grosses Thema in Neuhausen war in diesem Jahr die Abstimmung zur Zukunft der Burgunwiese. Klar ist jetzt: Das Areal wird zum Park umgestaltet. Was wäre euer Wunsch für die Burgunwiese gewesen?

Alessandro: Ich hätte mir dort einen Jugendtreff vorstellen können. Es gibt zwar schon einen in Neuhausen, aber ein grösserer wäre gut. Es fehlt ein Ort, an dem man sich mit den Kollegen treffen kann.

Tobias: Man weiss einfach nicht, wo man hin soll in Neuhausen, und so bleibt man oft zu Hause und spielt Playstation. Würde ich in der Stadt Schaffhausen leben, wäre ich öfter mit Freunden unterwegs. Auf der Burgunwiese wäre auch ein Platz mit Basketballkörben und Toren gut. Einer, an dem nicht schon um 21 Uhr jemand kommt und einen wegschickt. Das ist uns beim Schulhaus einmal passiert. Aber wenn man 15 Jahre alt ist, will man halt auch mal länger irgendwo sein. Vor allem im Hochsommer, wenn es bis 22.30 Uhr hell ist und man Ferien hat.

«Durch die Pandemie bin ich viel selbststän­diger geworden.»

Tobias Honegger, Schüler

Neuhausen strebt das Unicef-Label «Kinderfreundliche Gemeinde» an. Ihr habt beide an einem Workshop der Gemeinde dafür teilgenommen. ­Welche Verbesserungsmöglichkeiten habt ihr, ausser nach einem Treffpunkt, geäussert?

Tobias: Wir haben uns einen Pumptrack gewünscht oder eine andere Freizeitmöglichkeit, die man zum Beispiel im Langriet ausüben kann. Es wurden auch E-Scooter gefordert, aber es ist verständlich, dass das nicht umgesetzt werden kann. Dann haben wir noch eine Verpflegungsmöglichkeit in der Schule vorgeschlagen, eine Cafeteria oder zumindest einen Selecta-­Automaten.

Alessandro: Die Sek. ist ja hier im Rosenbergschulhaus und die Real im Gemeindewiesenschulhaus untergebracht. Viele haben im anderen Schulhaus Kollegen. Viele Jugendliche haben sich im Workshop daher eine Cafeteria in der Mitte der beiden Schulhäuser gewünscht, wo man sich am Mittag treffen und gemeinsam essen kann.

Wir haben fast drei Jahren Pandemie hinter uns. Hat sich durch Corona und die Massnahmen für euch etwas ­verschlechtert oder verbessert?

Tobias: Ich denke, ich bin viel selbstständiger geworden, vor allem durch das Homeschooling. Die Pandemie war eigentlich eine schöne Zeit in meinem Leben. Ich kann mich nicht beschweren, ich hatte viel Freizeit und habe viel unternommen.

Weshalb hattest du viel Freizeit?

Tobias: Ich war 2020 noch in der Primarschule und hatte keinen Schulstress. Wir haben montags einen Wochenplan bekommen, den wir zu erledigen hatten, und ich war dienstags meist schon fertig. In der Sekundarschule war das wahrscheinlich anders, da haben die Lehrpersonen viel mehr Stoff zum Lernen gegeben.

Alessandro: Die Pandemie hat mich weitergebracht, ich denke auch, dass ich selbstständiger geworden bin. Man musste durch das Homeschooling selbst zurecht kommen und sich organisieren.

Für manche Kinder und Jugendliche waren die Lockdowns eine psychisch ­Belastung. Wie erging es euch?

Tobias: Ich habe mich nie alleine gefühlt. Ehrlich gesagt, habe ich mich nicht rie­sig gefreut, als es hiess, dass wir wieder in die Schule müssen. Meine Kollegen und ich haben während des Lockdowns jeden Tag telefoniert, zusammen online Spiele gespielt. Und die Eltern waren auch zu Hause, mit denen hat man mehr unternommen.

Alessandro: Unsere Familie hatte sicher den Vorteil, dass wir in einem Haus mit Garten wohnen. Für jemand, der in einer 3-Zimmer-Wohnung mit vier Geschwistern lebt, war es sicher keine so schöne Zeit.

Wie habt ihr den Angriffskrieg von ­Russland auf die Ukraine miterlebt?

Alessandro: Meine Familie stammt aus der Ukraine. Ich habe zwei Onkel, die noch dort sind und nicht ausreisen dürfen. Der Rest ist einen Monat nach Kriegsbeginn geflohen, unter anderem in die Schweiz. Ich finde es schlimm. Sie mussten ihre Heimat verlassen, kennen die Sprache am neuen Ort nicht, haben keine Arbeit, leben vom Staat. Mein kleiner Cousin redet ständig von seinem Vater, der noch dort ist. Jedes Mal, wenn er Zug fährt, denkt er, dass es wieder zurück in die Ukraine geht. Denn die Familie ist mit dem Zug geflüchtet, hat tagelang am Bahnhof übernachtet, um Platz in einem Waggon zu finden.

Wohnen sie jetzt in deiner Nähe?

Alessandro: Anfangs sind sie zu uns gekommen, es lebten zeitweise 15 Personen in unserem Haus. Jetzt haben sie alle ihre eigenen Wohnungen in der Nähe. Früher haben wir jeden Tag geskypt. Jetzt konnten wir zusammen Weihnachten feiern.

Junge Menschen gehen seit einiger Zeit für den Klimaschutz auf die Strasse. Zuletzt klebten sich Aktivisten auf die Strasse. Was denkt ihr über solche Aktionen?

Tobias: Ich habe mich viel mit den Klebeaktionen auseinandergesetzt. Das Thema ist mega wichtig, aber der Weg ist der falsche, um die Politik zu erreichen. Vielleicht haben andere Menschen ihren Job verloren, weil sie wegen der Aktionen nicht pünktlich gekommen sind. Dem Chef ist das vielleicht egal, weshalb die Arbeitnehmer zu spät zur Arbeit kommen. Ich finde, die Politik muss was tun. Aber die Klimaaktivisten sollten lieber eine Demo anmelden und Schilder in die Höhe halten, ganz legal.

Jahresrückblick 2022

In unserem Dossier finden Sie weitere Rückblicke auf das Jahr 2022.

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