Nachruf auf Jeanette Storrer: Eine begnadete Brückenbauerin

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Jeanette Storrer verstarb am 13. Juni 2025 an den Folgen eines tragischen Unfalls.Archivbild: Selwyn Hoffmann

Die FDP des Kantons und der Stadt Schaffhausen trauert tief um unsere hochgeschätzte Kollegin Jeanette Storrer. Nach ihrem tragischen Unfall im vergangenen November durchlebte sie mit ihrer Familie eine entbehrungsreiche Zeit der Rehabilitation, die von beeindruckender Stärke und Zuversicht geprägt war.

Meine politische Wegbegleitung mit Jeanette begann 2001. Was mit gemeinsamen Überzeugungen begann, entwickelte sich rasch zu einer vertrauensvollen Freundschaft zwischen unseren Familien. Noch eine Woche vor ihrem Tod telefonierten wir. Ihre Stimme war kraftvoll, ihr Wille ungebrochen. Sie sprach voller Vorfreude über die baldige Rückkehr nach Hause. Zum Abschied versprachen wir einander: «Gell – unser Ziel ist es, bald wieder zusammen mit unseren Familien eine Reise zu unternehmen.» Diese Hoffnung sollte sich leider nicht mehr erfüllen.

Politischer Start in den späten 1990er-Jahren

Jeanette Storrer wurde 1997 gemeinsam mit Raphaël Rohner in den Vorstand der FDP Stadt Schaffhausen gewählt. Zwei Jahre später trat sie bei den Nationalratswahlen 1999 zusammen mit Gerold Bührer mit einem hervorragenden Resultat erstmals ins öffentliche Rampenlicht. Als junge Mutter, Juristin und Hausfrau verkörperte sie ein modernes, geerdetes Bild der FDP – kompetent, leistungsbereit und tief in der Lebensrealität vieler Frauen verankert. Rasch wurde sie als Hoffnungsträgerin für künftige Aufgaben wahrgenommen. Jeanette betonte jedoch wiederholt, dass die Familie Vorrang habe und sie sich insbesondere im Grossen Rat (heute Kantonsrat) engagieren wolle.

Sie brachte sich sodann im Wahljahr 2000 im Rahmen der «Quoteninitiative» ein für eine stärkere Vertretung von Frauen in der Politik, lehnte aber staatlich verordnete Quoten entschieden ab. Wahlfreiheit war für sie ein hohes Gut und sie scheute sich nicht, auch in kontroversen Debatten mit klaren Argumenten Position zu beziehen. Bei den Gesamterneuerungswahlen wurde sie dann auf Anhieb in den Grossen Rat gewählt. Diesem gehörte sie ununterbrochen bis 2016 an und präsidierte ihn im Jahr 2008. Von 2013 bis 2016 war sie zudem Fraktionspräsidentin der FDP/jf/CVP-Fraktion. In dieser Zeit setzte sie sich unter anderem ein für:

  • die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Einführung von Blockzeiten in der Volksschule,
  • die Förderung familienergänzender Kinderbetreuung durch koordinierte, bedarfsgerechte Angebote,
  • die Prüfung innovativer Energielösungen wie der Power-to-Gas-Technologie
  • sowie Impulse zur Zukunft des Güterbahnhofs und zur städtebaulichen Entwicklung des Areals.

Jeanette war eine liberale Vordenkerin mit Rückgrat, Weitblick und einem feinen Gespür für die Anliegen der Bevölkerung. Ihr politisches Engagement war stets verbunden mit menschlicher Wärme und einem tiefen Sinn für das Gemeinwohl.

Martin Egger, Grossstadtrat und Fraktionspräsident FDP/Die Mitte, ehemaliger Parteipräsident FDP Stadt

An der Wahlfeier im Dezember 2007 durfte ich Jeanette Storrer als die neue Kantonsratspräsidentin zusammen mit ihren Gästen willkommen heissen. Der Abend stand – nicht ganz zufällig – unter dem Motto «Sterne». Denn längst galt Jeanette als Wunschkandidatin für die Nachfolge von Stadtpräsident Marcel Wenger.

Doch die zweifache Mutter und selbständige Anwältin lehnte aufgrund der zeitlichen Belastung ab und erst, als ein Halbamt zur Diskussion stand, liess sie sich überzeugen und wurde sodann mit einem Glanzresultat gewählt.

Von 2009 bis 2012 war Jeanette Sozial- und Sicherheitsreferentin, wobei sie in dieser Zeit wichtige Impulse setzte in den Bereichen Soziales, Integration, Sicherheit und Stadtentwicklung. Jeanette war eine Stimme der Vernunft: sachlich, lösungsorientiert und stets mit einem liberalen Pragmatismus. Auch als Brückenbauerin zwischen Parlament und Exekutive überzeugte Jeanette mit ihrem feinen Gespür für die unterschiedlichen Rollen. Kritik oder Angriffe nahm sie nicht persönlich, sondern begegnete ihnen mit Sachlichkeit und Gelassenheit.

Nachdem die Schaffhauser Stimmbevölkerung 2011 die Abschaffung der Halbämter beschlossen hatte, verzichtete Jeanette Storrer auf eine Wiederwahl.

Ein Herz für Menschen – auch nach der Politik

Nach ihrem Rückzug aus der aktiven Politik im Jahr 2016 verlagerte Jeanette ihren Einsatz dorthin, wo sie direkt für Menschen da sein konnte, und engagierte sich tatkräftig in zahlreichen Institutionen. So unterstützte sie als Juristin alleinerziehende Mütter mit pragmatischer und unkomplizierter Rechtsberatung.

Als Präsidentin des Stiftungsrats der altra Schaffhausen prägte sie massgeblich die Entwicklung dieser wichtigen Institution für Menschen mit Beeinträchtigung. Unter ihrer Führung wurden neue Wege beschritten, um Menschen mit Unterstützungsbedarf echte Perspektiven und Teilhabe zu ermöglichen.

Zudem war sie über viele Jahre in verschiedenen Gremien der Handelsschule KV Schaffhausen (HKV) tätig. Ihr Sachverstand und ihre Erfahrung trugen dazu bei, die HKV als starke Bildungsinstitution zu etablieren und Generationen von Lernenden den Weg ins Berufsleben zu ebnen.

Darüber hinaus setzte sie sich im Stiftungsrat von Pro Senectute Kanton Schaffhausen für die Belange der älteren Generation ein. Ihr Einsatz galt unter anderem der Mitgestaltung von Angeboten zur sozialen Teilhabe, wie dem Projekt «MobilPlus» oder dem Programm «Generationen im Klassenzimmer», das den Austausch zwischen Jung und Alt stärkt.

Nicht zuletzt und nicht abschliessend war sie in der kirchlichen Arbeit (Kirchenstand) sowie in weiteren sozialen Institutionen wie beispielsweise Krebsliga, Fokusgruppe Kindesschutz, HoriZonta, Hauseigentümerverband und SeniorenUni mit grossem persönlichem Einsatz aktiv. Stets war sie getragen vom Anspruch, konkret zu helfen, Brücken zu bauen und Menschen zu verbinden. Neben all diesen meist ehrenamtlichen Tätigkeiten fand Jeanette einen persönlichen Ausgleich im Ballett – eine Leidenschaft, die ihr bis zuletzt Kraft und Freude schenkte.

Jeanette hinterlässt eine Lücke, die kaum zu füllen ist – in unserer Partei, in unserer Gemeinschaft und in unseren Herzen. Sie hat unsere Region während Jahren mitgestaltet. Zuerst als Politikerin und später als engagierte Mitbürgerin.

Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt ihrer Familie und ihren Angehörigen. Wir trauern mit ihnen, und wir sind dankbar, dass wir Jeanette ein Stück des Weges begleiten durften.

Raphaël Rohner, Kantonsrat und ehemaliger Fraktionspräsident FDP/jf/CVP des Grossen Stadtrats

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