Handyverbot in den Pausen an der Kantonsschule: Schüler laufen Sturm

Ralph Denzel | 
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Blick auf die Kantonsschule, Kanti, auf dem Emmersberg, am Donnerstag, 16. Maerz 2023. (Melanie Duchene / Schaffhauser Nachrichten)
Die Kantonsschule Schaffhausen will ab dem 5. Mai keine Handynutzung mehr – auch nicht in den Pausen. Bild: Melanie Duchene

Ein kurzer Blick aufs Smartphone, während man mit den Kollegen auf dem Pausenhof steht? Bald ist das in der Kanti verboten. Schülerinnen und Schüler fühlen sich überrumpelt und starten eine Petition dagegen. Dabei haben sie die Meinungen von Experten auf ihrer Seite.

Das Smartphone gehört für fast alle Jugendlichen zum täglichen Leben dazu: 98 Prozent der 12- bis 19-Jährigen haben ein eigenes Handy. Das Surfen, Liken, Teilen und Kommentieren auf sozialen Medien wie Instagram oder Tiktok sind schon lange Teil der Lebenswirklichkeit der jungen Generation, auch in der Schule.

Wie sollen Schulen mit Handys umgehen? Die Kantonsschule Schaffhausen will einen Schritt weiter gehen als die meisten Schulen und Handys zukünftig auch in den Pausen verbieten. Direkt nach Bekanntwerden dieses Vorhabens formierte sich Widerstand unter den Schülerinnen und Schülern – und auch Experten sind skeptisch, was generelle Verbote angeht.

Immer wieder Diskussionen über Handyverbot

Ab dem 5. Mai sollen auf dem gesamten Schulareal der Kanti auch alle Pausen handyfrei sein. «Wir sind überzeugt, dass handyfreie Pausen in einer Gemeinschaft positive Effekte auf die Gesundheit und das Lehren und Lernen hat», heisst es in einem Elternbrief, der den SN vorliegt.

Man habe sich «aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Wohlbefinden und digitaler Medien entschieden», so der Brief weiter. So soll es sich «positiv auf das Wohlbefinden» auswirken, wenn Menschen eine Pause von den digitalen Medien einlegen, während sie mit anderen zusammen sind.

Fast so lange, wie es Handys gibt, gibt es auch die Diskussion, ob man diese an Schulen verbieten solle, auch in der Region. 2024 etwa reichte der damals parteilose Grossstadtrat Urs Tanner ein Postulat ein, welches den Stadtrat aufforderte, geeignete Massnahmen zu prüfen, wie in den obligatorischen städtischen Schulen das Ziel einer «smartphonefreien Schule» eingeführt werden kann. Das Postulat wurde damals für unerheblich erklärt. Solche Regelungen seien «nicht generell, sondern individuell je Schulhaus zu regeln» und «zudem im Schulalltag bereits grossmehrheitlich erfüllt», erwiderte der Stadtrat.

Handys haben auch Vorteile, sagt die Wissenschaft

Auch die Wissenschaft beschäftigt sich mit dem Thema. Die OECD etwa veröffentlichte 2024 eine Studie, in der untersucht wurde, wie sich die Handynutzung an Schulen auswirkte.

Das Ergebnis: Handys und mobile Endgeräte böten oft neue Möglichkeiten der Wissensvermittlung. So habe sich gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler, die etwa mobilen Geräte regelmässig zum Lernen in Mathe nutzten, teils deutlich besser in Tests abschnitten als die, die dies nicht taten.

Laut der OECD-Studie könnten sich dann negative Effekte bei der Handy- und Tabletnutzung entwickeln, wenn diese im Klassenzimmer für Social Media, Surfen oder Spiele benutzt werden: Die Studienteilnehmer, die ihre mobilen Geräte dafür und nicht fürs Lernen nutzten, schnitten deutlich schlechter ab, je länger sie an ihren Geräten waren.

«Smartphones und soziale Medien an sich sind nicht schlimm»

Wie sieht es aber aus, wenn Schülerinnen und Schüler diese Geräte in ihrer Pause benutzen? Kann das auch einen negativen Effekt auf sie haben? «Smartphones und soziale Medien an sich sind nicht schlimm», sagte der Medienpsychologe Tobias Dienlin in einem Gespräch mit CH Media.

«Das Problem ist, dass Smartphones und soziale Medien uns von anderen wichtigen Tätigkeiten abhalten können», meint der Experte. «Wenn Kinder sich kaum mehr bewegen, keine Freunde mehr treffen, nicht für die Schule lernen und nicht mehr lesen, dann ist das problematisch. In den 1980er-Jahren machte man dafür den Fernseher verantwortlich, dann die Videogames – jetzt die Smartphones und die sozialen Medien.»

Daher sieht auch Dienlin ein generelles Handyverbot kritisch: «Man kann das schon mal als Experiment versuchen. Wunder darf man davon aber keine erwarten.»

Lehrer-Dachverband spricht sich gegen Verbot aus

Auch für die Studienleiter bei der OECD ist klar: Digitale Medien brauchen ihren Platz in der heutigen Lernwelt. Ein Handyverbot könnte vielleicht helfen, Ablenkungen zu reduzieren – aber eben nur eventuell. Sinnvoller wäre laut OECD ein Zusammenspiel zwischen Lehrern, Eltern und Politikern, dass man eine gute Lernumgebung schaffe. Ob dies mit dem Smartphone-Verbot erreicht wird, ist eher fraglich.

Von einem strikten Handyverbot in der Schule hält die OECD in ihrer Studie daher nichts. So gaben die Wissenschaftler auch zu bedenken, dass trotz Verboten viele Schülerinnen und Schüler dennoch heimlich an ihrem Mobiltelefon hantieren und die Ablenkung da war. Ausserdem seien, spätestens seit der Coronapandemie, mobile Endgeräte vollwertiger Bestandteil des Schulunterrichts geworden und hätten ihren Nutzen bewiesen.

Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) hält ein generelles Verbot von Smartphones an Schulen ebenfalls «nicht für sinnvoll». Stattdessen plädiere er für individuelle, stufengerechte Regelungen, die von Lehrpersonen und Schulleitung gemeinsam entwickelt werden, so der LCH. «Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern einen verantwortungsvollen und reflektierten Umgang mit Smartphones zu vermitteln.»

Barbara Sulzer Smith, Rektorin der Kantonsschule Schaffhausen, sagte auf Anfrage, dass sie erst nach Einführung der neuen Regelungen Auskunft geben wolle.

Schülerinnen und Schüler laufen Sturm

Bis die Handys aus der Kanti verbannt werden, dauert es noch eine Weile – aber schon jetzt formiert sich Widerstand. Am Montag starteten Schülerinnen und Schüler der Schule eine Petition, in der sie forderten, dass diese Regelung gar nicht erst in Kraft treten solle, da diese ein «gewaltige Rückschritt» sei. Die Petitionäre erinnerten daran, dass es doch eigentlich ein Ziel sei, «die Schule zu digitalisieren», unter anderem mit Laptops. Genau diese seien dann auch das Schlupfloch, was wohl viele nutzen würden: Zukünftig könne man nämlich im Unterricht «einfach am Laptop» Instagram-Reels oder Tiktoks anschauen, was die «Kontraproduktivität dieses Verbotes» unterstreiche.

Die Petition der Schülerinnen und Schüler. Bild: zVg

Eine Schülerin der Kantonsschule, die anonym bleiben möchte, sagte den SN: «Ich finde das übertrieben. Ein Grossteil der Schülerinnen und Schüler hier sind volljährig und können die Handynutzung gut selbst einschätzen.»

Das kommende Verbot habe 17-Jährige schon abgesehen. «Vor einiger Zeit gab es eine Umfrage zum Thema ‹Handynutzung›, da dachten wir schon, dass es so kommen könnte.»

Vielleicht konnten daher die Schülerinnen und Schüler auch so schnell reagieren. Das Thema mobilisiert sie anscheinend: «Binnen einem Tag sind dort schon knapp 350 Unterschriften zusammengekommen», so die Schülerin – bei knapp 800 Schülerinnen und Schülern.

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Kommentare (1)

Beat Rüedi-Külling Di 25.03.2025 - 07:04

Ich habe ab 2009 das Handy als vornehmsten Computer ins Lernen (nicht in den Präsenzunterricht!) integriert. Ab 2009 konnten meine SchülerInnen wo und wann und mit wem immer lernen. Einzige Voraussetzungen waren die webbasierte PLE und eben das Handy. Weil die Schule dieses Lernen weder kann noch will, bleiben TikTok-Filmli und WhatsApp-Nachrichten in den Pausen. Fazit: die ideale Schule ist eine handyfreie Zone.

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