«Lüt zrugg, du N****»: Schaffhauser Gerichtsmitarbeiterin kommt nach Beleidigung straffrei davon

Eine Mitarbeiterin des Kantonsgerichts beleidigt einen Mann am Telefon mit dem N-Wort. Sie wird schuldig gesprochen, kommt aber straffrei davon. Schliesslich landet der Fall vor Bundesgericht.
Zum Verhängnis wurden ihr vier Worte: Im Juni 2019 hinterliess eine juristische Mitarbeiterin Schaffhauser Kantonsgerichts eine Nachricht auf der Mailbox eines Mannes, mit dem sie in einem Unterhaltsverfahren zu tun hatte. Am Ende der Nachricht, als sie dachte, das Gespräch sei beendet, fügte sie hinzu: «Lüt zrugg, du N****!» Der Beschimpfte liess das nicht auf sich sitzen und klagte die Beamtin an. Die ehrverletzende Äusserung hatte der Betroffene dokumentiert. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage und der Fall zog sich über Jahre durch mehrere Instanzen. Bis Ende 2024.
Bedingte Geldstrafe zu Beginn
Rückblende: Im April 2023 kam es zum Verfahren vor dem Kantonsgericht. Die Verteidigung argumentierte, dass es sich um ein unbeabsichtigtes und nicht vorsätzliches Selbstgespräch gehandelt habe. Zudem wurden datenschutzrechtliche Bedenken gegen die Aufzeichnung der Nachricht geltend gemacht. Das Gericht wies diese Argumente zurück und entschied, dass die Aussage die Würde des Betroffenen verletzt habe. Das Kantonsgericht verurteilte die Beamtin wegen Beschimpfung und verhängte eine bedingte Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 150 Franken.
Im Mai 2024 bestätigte das Obergericht des Kantons Schaffhausen den Schuldspruch, verzichtete aber auf eine Strafe. Das Gericht begründete dies mit einer Retourkutsche des beschimpften Mannes: Er hatte die Beamtin in einer Combox-Aufnahme als «pute» (zu Deutsch: «Hure») beschimpft. Das Obergericht wertete dies als unmittelbare Erwiderung auf die Beleidigung der Beamtin und entschied, dass er damit «hinreichend Gerechtigkeit» geschaffen, heisst es im Urteil.
Entscheid des Bundesgerichts
Die Staatsanwaltschaft legte gegen diesen Freispruch Beschwerde beim Bundesgericht ein und argumentierte, dass das Verhalten der Beamtin das Vertrauen in die staatlichen Institutionen beeinträchtigen könne. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass das Obergericht in «Willkür» verfallen sei, wenn es die Äusserung des Mannes als Retourkutsche für die Beleidigung der Kantonsgerichtsmitarbeiterin erachte.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde im November 2024 ab und bestätigte den Entscheid des Kantonsgerichts, wie seinem Urteil von Silvester zu entnehmen ist. In seiner Begründung führte das Bundesgericht aus, dass die gegenseitigen Beschimpfungen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stünden. Deshalb sei es möglich, von einer Bestrafung abzusehen. Es liege «offensichtlich auf der Hand, dass der Privatkläger sich zu diesem Ausdruck hinreissen liess, weil er zuvor gehört hatte, dass ihn die Beschwerdegegnerin als ‘N****’ bezeichnet hatte».
Das Gericht betonte aber, dass das Vertrauen in Amtsträger ein hohes Gut sei. «In der Tat besteht ein eminentes Interesse, dass Beschimpfungen durch Staatsangestellte konsequent geahndet werden», schreibt das Bundesgericht.
Was der Frau bleibt: Die Gerichtskosten und Zahlungen an den Mann, den sie beleidigt hatte. Diese betragen rund 9000 Franken. Doch auch der Mann, der die Angestellte des Kantons beschimpft hatte, kommt nicht ungeschoren davon. Er wurde für seine Beschimpfung sogar verurteilt. Wie hoch die Strafe ist, geht aus dem Bundesgerichtsurteil nicht hervor.