Zur Neuorganisation der Friedensrichter

Mark Liebenberg | 
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Friedensrichterin Stefanie Stauffer im Friedensrichterbüro am Fronwagplatz in der Stadt erhofft sich durch die Zentralisierung des Friedensrichterwesens im Kanton mehr Effizienz und einen besseren Service für die Bürger. Bild Selwyn Hoffmann

Die vier Friedensrichterämter im Kanton sollen zu einem zusammengelegt werden. Gründe, Argumente, Gegenargumente.

Zivile Rechtsstreite aus beruflichen oder privaten Beziehungen landen in der Regel vor einem Friedensrichter oder einer Friedensrichterin. Dort wird versucht, den Streit zu schlichten, und wenn keine Einigung zustande kommt, wird eine Klagebewilligung ausgestellt, die es dem Kläger ermöglicht, den Fall an das Kantonsgericht weiterzuziehen. Bei Streitsummen bis 2000 Franken können Friedensrichter einen Entscheid fällen, bei Beträgen bis 5000 Franken einen Urteilsvorschlag machen. 374 Streitfälle haben die vier amtierenden Schaffhauser Friedensrichter und -richterinnen im letzten Jahr erledigt, mit einem Gesamtpensum von 150 Stellenprozent (siehe ­Kasten).

Sie sorgen so auch kostengünstig für eine Entlastung der Gerichte. «Jeder Fall ist anders gelagert und macht die Arbeit sehr abwechslungsreich», sagt Friedensrichterin Stefanie Stauffer vom Kreis Stadt Schaffhausen. Noch besser und noch effizienter soll die Arbeit aber jetzt werden, indem die vier 2011 gebildeten Friedensrichterkreise Stadt, Stein am Rhein, Reiat und Klettgau zusammengelegt werden. Grund sind mitunter die starken jährlichen Schwankungen der Fallzahlen. Stauffer erklärt: «Diese Schwankungen der Geschäftslast betreffen vor allem die kleinen Kreise.» Die Auswirkungen sind: «Der stark belastete Kollege muss mehr Zeit aufwenden, pendente Verhandlungstermine verschieben oder sogar durch eine Stellvertretung unterstützt werden, die das Obergericht organisieren muss, während ein anderer Friedensrichterkollege unterbelastet ist … das sind nicht immer optimale Arbeitsbedingungen», sagt Stauffer.

Nach heutiger Regel haben die Kreisfriedensrichter ein fixes Pensum und können ihren Kollegen in den anderen Kreisen nicht aushelfen. Gleichzeitig können die Streitparteien es sich nicht aussuchen, in welchem Kreis sie einen Friedensrichter aufsuchen wollen.

Effizientere Organisation möglich

Stauffer verspricht sich von der Neuregelung eine effizientere, gleichmässigere und fachlich bessere Verteilung der Gesamtlast. «Die Fälle können kreisunabhängig auf die bestehenden Pensen und auch auf die fachlichen Kompetenzen verteilt, Stellvertretungen können untereinander abgesprochen werden, und die Erreichbarkeit würde zunehmen.» Denn auch als Anlaufstelle für allerlei Rechtsauskünfte dienen die Friedensrichter, wenigstens jene in der Stadt. «Die ‹Laufkundschaft› sowie Telefon- und E-Mail-Auskünfte nehmen zu, und wir versuchen weiterzuhelfen.»

Kantonsrat Peter Neukomm (SP, Schaffhausen) hatte als damaliger Präsident der Justizkommission die jetzt zur Abstimmung gelangende Neuordnung angeregt. «Es war damals der ­Hilferuf des Obergerichts, das schnell erkannte, dass die Fälle mit den starr geregelten Kleinstpensen fast nicht zu bewältigen sind.» Eine Änderung des Stellenetats und der Zuweisung an die einzelnen Kreise müsste jedes Mal der Kantonsrat beschliessen.

«Das ist natürlich Augenwischerei», hält Philippe Brühlmann, SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident von Thayngen, entgegen. «Die Friedensrichter haben sich bislang sehr gut organisieren können.» Brühlmann führte die Gegner im Kantonsrat an und kritisiert vor allem, dass sich das Volk erst vor sechs Jahren für das jetzige Modell entschieden habe. «Und es funktioniert doch einwandfrei, und zwar als echter Service public vor Ort, mit kurzen Wegen und ohne grosse ­Bürokratie.»

Ortsverbundenheit schwindet

Nicht nur dass dem Land etwas weggenommen werde, störe ihn. «Es ist mir schleierhaft, wie man glauben kann, dass mehr Zentralisierung und Professionalisierung günstiger und besser sind, dies nach den aktuellen Erfahrungen zum Beispiel im Vormundschaftswesen, im Erbschaftswesen oder bei der Zusammenlegung der Betreibungsämter.» Die früheren Laienrichter langsam, aber sicher abzuschaffen und durch geschulte Juristen zu ersetzen, hält er für falsch. «Gerade im Friedensrichterwesen wäre eine gewisse ‹Hemdsärmeligkeit› und Ortsverbundenheit eher vonnöten.»

Die Neuregelung von 2011 habe sich in der Praxis einfach nicht bewährt, sagt Neukomm. «Man darf ja auch klüger werden mit der Zeit.» Abgenommen habe die Ortsverbundenheit schon länger, da die Friedensrichter zu einem grossen Teil arbeitsrechtliche Streite bearbeiteten, wo verstärkt Fachkom­petenz gefragt sei.

Stauffer meint: «Ich nehme an, dass es den Parteien in vielen Fällen angenehmer ist, von dort, wo jeder jeden kennt, an einen neutralen Ort, sprich nach Schaffhausen, zu einer Schlichtungsverhandlung gehen zu können.» Und: Wo dies nötig oder sinnvoll sei, etwa wenn es einen Augenschein vor Ort brauche, könnten Verhandlungen dann immer noch im örtlichen Gemeindesaal durchgeführt werden.

Friedensrichter: Worum es geht

Arbeitslast Die vier Schaffhauser Friedensrichter bearbeiteten 2016 438 Fälle – davon 324 in der Stadt (1 x 60- und 1 x 40-%-Pensum), 29 in Stein am Rhein (10 %), 36 im Reiat (15 %) und 40 im Klettgau (25 %). Erledigt wurden 374 Verfahren, in 222 Fällen kam eine Einigung zustande. In 111 Fällen gab es keine Einigung, davon wurden 89 ans Kantonsgericht weitergezogen.

Rechtsgebiete Zum grössten Teil Forderungsstreitigkeiten (Obligationenrecht, inkl. Arbeitsrecht), gelegentlich Sachenrecht (z. B. Nachbarrecht) und Erbrecht, seltener Persönlichkeitsrecht.

Volksabstimmung Die vier bestehenden Friedensrichterkreise sollen zu einem zusammengelegt werden. Ein Pool von vier Richtern teilt weiterhin unter sich die 150 Stellenprozent auf. Die Amtsstelle soll in der Stadt ein Büro haben, auch die Verhandlungen sollen in der Regel hier stattfinden.

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