Hunderte an 1.-Mai-Umzug in Schaffhausen




Mehr Gerechtigkeit, weniger Ungleichheit und ein Aufruf an die Linke, nicht nur zu diskutieren, sondern aktiv zu werden: Das war der 1. Mai in Schaffhausen.
In wenigen Wochen sind Abstimmungen, und das hat man auch am 1. Mai in Schaffhausen gemerkt: Während der traditionelle Feiertag der linken Parteien und der Gewerkschaften gestern unter der recht allgemeinen Parole «Zukunft für alle. Sozialer. Gerechter» stand, waren viele Transparente dem anstehenden Urnengang gewidmet. «AKW aus – Hirn ein», hiess es etwa auf einem Banner zur Energiestrategie 2050. Und die SP Weinland hielt die Maxime «Energie 2050: Einsteigen!» in die Höhe. Ganz zuvorderst im rund 250 Meter langen Cortège, dort, wo sich die hohen Funktionäre und Politiker eingereiht hatten, konnte man wiederum die Forderung «Keine Steuergeschenke an Grossaktionäre» lesen – ein Hinweis auf die gleichnamige Initiative von SP und Juso, über welche der Kanton Schaffhausen abstimmt. Die Juso selbst verlangte «Schluss mit Steuerprivilegien». Weitere Schriftzüge waren «Pflege braucht mehr» des Aktionskomitees Pflege und Betreuung der Gewerkschaft Unia, «Poststellenabbau Stopp!» und, fast etwas versteckt, «Vaterschaftsurlaub jetzt!».
Vom Regen nicht abgehalten
Während der Umzug vom Regen verschont blieb, begann es an der anschliessenden Kundgebung auf dem Fronwagplatz leicht zu tröpfeln. Einzelne Besucherinnen und Besucher suchten in Hauseingängen und unter den Blachen der Verpflegungsstände Schutz, doch viele Unentwegte hatten an den langen Bänken Platz genommen, um den Festreden zuzuhören.
Den Anfang machte die St. Galler SP-Nationalrätin Barbara Gysi. Sie rief die lange Tradition des 1. Mai in Erinnerung. «Er war immer ein Tag für eine bessere Zukunft für alle, für eine sozialere und gerechtere Welt.» Sie unterstrich ihre Haltung mit Zitaten aus Liedern des Berner Troubadours Mani Matter, etwa diesem: «Dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser, wos weniger guet geit.» Tatsächlich aber steige die wirtschaftliche Ungleichheit nach wie vor, und bloss 62 Personen würden gleich viel besitzen wie der Rest der Menschheit zusammen. «Nicht das Kapital gehört gehätschelt, sondern die Arbeit», sagte sie und rief zu einer stärkeren Besteuerung der Dividenden auf. Zweiter Redner war Carlo Mathieu von der Gewerkschaft Syna. Die Rechte der Angestellten stünden unter Druck, warnte er. Als zentrales Beispiel nannte er einen in Bern hängigen Vorstoss, wonach die Arbeitszeiterfassung für leitende Angestellte und Fachspezialisten abgeschafft werden solle. «Das würde die Arbeitnehmenden jedes Jahr etwa 2,8 Milliarden Franken kosten», rechnete er vor, «oder so viel wie achtmal das Stade de Suisse in Bern.»
«Irreführung der Allgemeinheit»
Dritte Rednerin war die Schaffhauser AL-Kantonsrätin Linda De Ventura. Sie erwähnte, dass der Kanton Schaffhausen unter dem Einfluss eines für 2016 budgetierten Defizits grosse Abstriche vorgenommen habe, tatsächlich aber dann mit einem Überschuss von 16 Millionen Franken abgeschlossen habe und sogar noch 33 Millionen Franken auf die Seite gelegt habe. «Das war eine systematische Irreführung der Allgemeinheit», sagte sie unter grossem Applaus an die Adresse der bürgerlichen Mehrheit im Kanton.
De Ventura kritisierte aber nicht nur die Rechten, sondern auch die Linken. Es reiche nicht, nur herumzupoltern und links zu wählen. «Wir müssen wieder mehr zu Aktivisten werden. Wir müssen mehr handeln, statt bloss zu diskutieren, und unseren Ärger in Energie und Engagement umwandeln. Wir müssen aufhören zu jammern, damit ändern wir nichts.»
Zu bluesigen Klängen fand die Maifeier ihren Abschluss. Der Anlass ist friedlich verlaufen: Gemäss Auskunft der Polizei lagen gestern Nachmit- tag keinerlei Meldungen über Störungen vor.
Beitrag Radio Munot: