Veloweg Rüdlingen: Föhre im Weg

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Diese markante Föhre bei der Kreuzung Spitzrüti ist der Ursprung aller Diskussionen. BILD THOMAS GÜNTERT

Die Streckenführung des Velowegs ist entschieden. Nun stellt sich die Frage, wie das Problem bei der Kreuzung Spitzrüti mit der dort stehenden, markanten Föhre gelöst werden kann.

von Katja Brütsch

Es ist beschlossene Sache. Der Veloweg zwischen Rafz und Rüdlingen wird der Kantonsstrasse folgen und nun gebaut werden. Dies haben die Rüdlinger und Buchberger Stimmberechtigten am 22. August 2018 in einer Konsultativabstimmung beschlossen. Jetzt stellt sich aber ein neues Problem. Bei der Kreuzung Spitzrüti, gleich ausgangs des Quartiers Sandgruben, steht eine Föhre im Weg. Wer schon von Rüdlingen nach Rafz gefahren ist, dem ist der markante und hochgewachsene Baum sicher aufgefallen. Diese über 100-jährige Föhre ist im kommunalen Naturschutzinventar der Gemeinde Rüdlingen erfasst. Das bedeutet, dass sie im Interesse der Rüdlinger Gemeinde behördenverbindlich als «erhaltenswert» eingestuft wurde. Hansueli Meyer aus Rüdlingen, Geschäftsführer der Baumwerker AG und Baumpflegespezialist, erklärt, dass die Föhre dank ihrem markanten Standort und ihrem prägenden Erscheinungsbild schützenswert sei. Eine mehrstämmige und solitäre – das heisst, sie steht frei und wirkt von allein – Waldföhre sei eine Seltenheit und zudem ökologisch sehr wertvoll.

Drei Varianten in Diskussion

Da die Föhre im kommunalen Naturschutzinventar der Gemeinde Rüdlingen erfasst ist, kann sie nicht einfach gefällt werden. Der Verantwortliche der Fachstelle für Langsamverkehr des Kantons Schaffhausen, Martin Baggenstoss, stellt drei mögliche Varianten vor. Diese seien zurzeit noch in Abklärung bezüglich Finanzen und Möglichkeiten. Dino Giuliani, Dienststellenleiter von Tiefbau Schaffhausen, erklärt, dass das Projekt überarbeitet werde. Nach Abwägungen und Absprache mit der Gemeinde und dem kantonalen Planungs- und Naturschutzamt sollte es im Frühjahr 2019 präsentiert werden. Die erste mögliche Variante wäre eine Ostverschiebung der Kantonsstrasse, erklärt Baggenstoss. Die Idee ist, die Strasse sowie den Veloweg öst- lich der Föhre vorbeizuführen. Das Pro- blem dieser Variante sind die Kosten. Baggenstoss konnte noch keine Zahlen nennen, doch diese Variante sei wahrscheinlich die teuerste. «Der Kanton ist noch im Gespräch mit privaten Landbesitzern, auf deren Land die Kantonsstrasse möglicherweise gebaut wird», erklärt der Rüdlinger Gemeindepräsident Martin Kern.

«Alle Massnahmen, die zum Baum auf Distanz gehen und ihm so den nötigen Respekt entgegen­bringen, sind entscheidend.»

Hansueli Meyer, Baumpflegespezialist

Die zweite Variante sieht vor, dass der Veloweg hinter der Föhre durchgehen wird. Das heisst, dass der Baum zwischen Veloweg und Kantonsstrasse stehen bleibt. Diese Variante sei nicht ideal, ergänzt Baggenstoss, da der Veloweg über die Wurzeln der Föhre gebaut werden würde und der Veloweg eine kurvige Führung erhielte. Sicherheitstechnisch schneide diese Variante vermutlich etwas schlechter ab. Baumspezialist Meyer sagt dazu, dass der Unterbau der Strasse oder des Velowegs das Problem darstellt, da es zu Wurzelverlust kommen wird. Dies sei problematisch, da die Versorgung mit Wasser und Nährstoffen nicht mehr sicher gewährleistet seien. Ausserdem besteht so eine grössere Gefahr der Wurzelfäulnis. Dazu kommt, dass die Standsicherheit des Baumes bei solch massiven Wurzelverlusten nicht mehr gewährleistet werden kann.

Die dritte Variante wäre, die Föhre zu fällen und einen Ersatz zu pflanzen. Dieser Vorschlag eckt bei Hansueli Meyer an. Die Föhre ist im kommunalen Naturschutzinventar der Gemeinde Rüdlingen erfasst und als «erhaltenswert» vermerkt. Meyer ergänzt, dass es nicht damit getan sei, die Föhre zu fällen und durch eine neue zu ersetzen. Kern erklärt, dass diese Föhre schon seit Ende der 1980erJahre erfasst sei. Wenn es möglich sei, solle sie erhalten werde. Kern sagt weiter, «wenn sie auf natürlichem Weg oder von Menschenhand gefällt wird, sollte sie ersetzt werden. «Letztlich liegt die Entscheidung aber beim Kanton, da der Kanton den Bauauftrag aufgegeben hat und führt» sagt Kern.

Meyer sieht eine weitere Möglichkeit, die Föhre und den Veloweg aneinander vorbeizuführen. Der einseitig geführte Veloweg könnte an die andere Strassenseite der Kantonsstrasse gebaut werden. «Alle Massnahmen, die zum Baum auf Distanz gehen und ihm so den nötigen Respekt entgegenbringen, sind entscheidend», so Meyer.

Weiteres Problem bei Kreuzung

Ein weiteres Problem stellt die Föhre für die Sicherheit an der Kreuzung Spitzrüti dar. Martin Baggenstoss von der Fachstelle für Langsamverkehr des Kantons Schaffhausen sagt, dass die Kreuzung zwar kein Unfallschwerpunkt sei, also der Kanton nicht handeln müsse, dass es aber trotzdem relativ viele Unfälle gebe. Dies liege zum Teil daran, dass die beiden einmündenden Strassen versetzt auf die Kantonsstrasse treffen. Zusätzlich dazu behindere die Föhre in Kombination mit den beidseitigen Böschungen die Sicht in beiden Richtungen. Baggenstoss ergänzt, dass die vorgegebene, aber sehr hohe Geschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde das Unfallrisiko bei solch einer Kreuzung steigen lässt.

Die Lösung sieht vor, die Geometrie der Kreuzung anzupassen und die Strassen rechtwinklig aufeinandertreffen zu lassen. Zusätzlich werden zwei Inseln eingebaut werden, sodass die Fahrzeuge leicht versetzt fahren müssen, wie Baggenstoss weiter ausführt. Dadurch mässige sich das Tempo, und die ­Signalisation werde auf 60 Kilometer pro Stunde heruntergesetzt. Mit diesen Massnahmen sollte die Sicherheit der Kreuzung verbessert werden.

153 Bäume sind im kommunalen Naturschutzinventar

Im kommunalen Naturschutzinventar sind die wichtigsten Naturobjekte der jeweiligen Gemeinde verzeichnet. Naturobjekte sind zum Bespiel Einzelbäume und Hecken, aber auch wertvolle Waldgebiete, Fliessgewässer, Feuchtgebiete und Magerwiesen. «In erster Linie ist das Inventar ein Planungsinstrument für die Gemeinden und den Kanton», erklärt Petra Bachmann, Ressortleiterin des kantonalen Planungs- und Naturschutzamts.

Petra Bachmann, Ressortleiterin des kantonalen Planungs- und Naturschutzamts. Bild: Julia Leppin

Gemeinde stellt Anträge

Das Inventar gibt Aufschluss dar­über, welche Naturobjekte bedeutsam sind, was für Pflege sie benötigen und wie sie geschützt werden sollten. «Mit der Aufnahme ins Inventar ist ein Objekt behördenverbindlich geschützt», sagt Bachmann. Das heisst, es ist die Aufgabe der Gemeinden, diesen Schutz anzufordern, umzusetzen und weitere nötige Massnahmen einzuleiten. Der Grundeigentumsschutz werde erst erlangt, wenn sich das Objekt in einer Naturschutzzone befindet oder zu einer solchen per Vertrag oder Grundbucheintrag erklärt wird. Jede Gemeinde entscheidet selbst, was sie in ihr Inventar aufnehmen will: Der Gemeinderat berät über die Anträge. Die Gemeinderatsbeschlüsse werden vom Kanton überprüft. Zuletzt werden die Änderungen per Regierungsratsbeschluss festgelegt.

Um ein Naturobjekt aus dem Inventar herausnehmen zu können, braucht es «übergeordnete Interessen». Falls solche geltend gemacht werden können, muss ein Ersatz oder eine Kompensation erfolgen.

Inventar wird vereinheitlicht

Bis anhin führte jede Gemeinde ihr eigenes Naturschutzinventar. Momentan arbeitet das Planungs- und Naturschutzamt des Kantons Schaffhausen daran, alle kommunalen Inventare zu digitalisieren und im Internet einheitlich darzustellen. Dadurch sollte die Kommunikation zwischen Gemeinde und Kanton einfacher werden.

Im Naturschutzinventar des Kantons Schaffhausen sind vor allem Magerwiesen und andere Trockenstandorte, Moore und spezielle Waldgebiete aufgenommen. Aber auch Amphibienlaichgebiete und geologische Besonderheiten sind zahlreich im kantonalen Inventar vertreten.

Einzelbäume werden meist ins kommunale Inventar aufgenommen, wenn sie markant und auffallend in der Landschaft stehen, erklärt Bachmann. Auch wenn sich die Gemeinde mit dem Baum identifiziert oder ihre Geschichte damit verbindet, zum Beispiel bei einer alten Linde auf einem Dorfplatz, kann er ins kommunale Naturschutzinventar aufgenommen werden.

Immer wieder illegale Fällungen

Im Kanton Schaffhausen sind 153 Einzelbäume erfasst. Laut der kantonalen Naturschutzverordnung sind Einzelbäume geschützt, auch ohne im Inventar verzeichnet zu sein. Das Inventar konkretisiert und begründet den Schutz. Auch das Fällen dieser Bäume ist strafbar. Der Kanton kann das Fällen bewilligen, wenn übergeordnete In- teressen vorliegen, jedoch muss der Grundeigentümer den Antrag dazu stellen. Leider komme es immer wieder vor, dass Bäume rechtswidrig gefällt würden, sagt Bachmann. Wenn dies geschehe, müsse der Schuldige mit einer Busse rechnen. Aber «dem Baum bringt die Busse auch nichts mehr», sagt Bachmann. Darum sollte es das Ziel sein, das rechtswidrige Fällen schon im Voraus zu verhindern und eine einvernehmliche Lösung zu finden. (kab)

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