Nur verändert, was wirklich nötig war
Der Jeep Wrangler wurde in seiner vierten Generation kräftig modernisiert und bleibt doch meilenweit von einem soften SUV entfernt.
Nina Vetterli
Der Fussball: vom Kommerz entzaubert. Das Fruchtjoghurt: frei von echten Früchten. Der ungeschminkte Star auf Instagram: geschminkt, inszeniert und per Filter beschönigt, während der durchschnittliche SUV kaum mehr als ein höher gelegter Kombi ist. Doch der Wrangler, der vom Militärfahrzeug Willys MG von 1942 abstammt und seit seiner Erstauflage 1987 nur behutsam weiterentwickelt wurde – der symbolisiert auch in postromantischen Zeiten das Echte. Zeiten, in denen die uramerikanische Marke Jeep zum Fiat-Konzern gehört. Für die Fans lautet die Frage daher weniger, was an der vierten, mit dem Kürzel JL gekennzeichneten Generation neu ist. Vielmehr, ob er noch der Alte geblieben ist.
21. Jahrhundert hält Einzug
Um Entwarnung zu geben: ja. Von der kantigen Karosserie in zwei Radstandversionen mit Soft- oder Hardtop über die runden Scheinwerfer, sechs Kühlergrillrippen und trapezförmigen Radhäuser bis hin zu den abnehmbaren Türen und der klappbaren Frontscheibe ist alles da, was den Wrangler zum Wrangler macht.
Auch der Schalthebel fürs Verteilergetriebe ist geblieben, und wie immer gibt es «Easter Eggs» zu entdecken: kleine Details wie die Willys-Zeichnungen an Schaltknauf, Windschutzscheibe und auf den Felgen. Der Land Rover Defender mag in seiner Urform Geschichte sein und die Mercedes-G-Klasse vor allem in den irren AMG-Versionen beliebt, doch in Amerika, ausgerechnet in der Heimat von Hollywood, Fake News und «I Cant Believe Its Not Butter»-Margarine konnten sie die Authentizität ihres Geländeklassikers bewahren.
Dennoch, und das dürfte selbst konservativen Jeepers einleuchten, musste der Wrangler einige Änderungen hinnehmen, um das Prädikat «All-New» zu verdienen. Zu den verschmerzbaren zählen LED-Scheinwerfer, Luftauslässe auf der Motorhaube und ein minimales Längenwachstum auf 4,33 respektive 4,88 Meter. Im funktionalen, schön verarbeiteten Cockpit hält das 21. Jahrhundert mit Kombiinstrument, Zentraldisplay, Smartphone-gängigem Infotainment und Rückfahrkamera ohne Hightechkitsch Einzug.
Knopf statt Zündschlüssel
Im Motorenprogramm stehen ein 2,2-Liter-Diesel mit 200 PS und 450 Nm sowie ein neu entwickelter 2,0-Liter-Benziner mit 270 PS und 400 Nm, die ihre Kraft über eine 8- statt 6-Gang-Automatik übertragen und bis zu 15 Prozent sparsamer sind. Schwerer zu verkraften: dass der V6 in Europa nicht erhältlich ist. Dafür ab 2020 ein Plug-in-Hybrid.
Und deshalb reicht es erst mal mit Neuerungen. Bitte Platz nehmen. In der Hardcore-Geländeversion Rubicon, versteht sich. Den Motor, in diesem Fall den Diesel per – ups, noch eine Änderung! – Knopf statt Zündschlüssel starten. Und einen Spielplatz suchen, auf den sich weder Golfer noch höher gelegte Kombis verirren.
Schmale, steile Waldwege, wie sie in der österreichischen Steiermark über schroffes Gestein, dicke Wurzeln und durch tiefen Schlamm führen, sind Peanuts für das 4×4-System mit zweistufigem Verteilergetriebe und einem Unter- setzungsverhältnis von 4:1. Hinzu kommen Stollenreifen, weiterentwickelte Heavy-Duty-Achsen, Sperren und eine elektrische Schlupfbegrenzung.
Das postromantische Ich
Vollkommen unangestrengt schiebt, schaukelt und wühlt sich der Jeep damit immer tiefer ins Unterholz. Dabei liegt der Reiz nicht nur darin, die Natur zurückzuerobern, sondern ein Stück weit sich selbst. Das postromantische Ich, das meint ja, immer cool bleiben zu müssen. Aber das tatsächlich ungeschminkte, das kann schon mal uncool kreischen, wenn die Hinterräder in Richtung Abgrund rutschen. Und kindlich jubeln, sobald der Wrangler – als ob ihn die Situation überfordert hätte! – wieder der Spur folgt.
Doch selbst ein fünf Millionen Mal verkauftes Urgestein kann es sich nicht leisten, den SUV-Trend zu ignorieren, und so betreffen einige Neuerungen den Alltag statt das Abenteuer. Nebst den Antriebseinstellungen für den Hinterradantrieb, die 50:50-Kraftverteilung und den Vierradantrieb mit Geländeuntersetzung gibt es nun – wie bei modernen Allradlern üblich – einen Automodus für eine variable Kraftverteilung auf normalen Strassen.
Wer den Jeep nicht manuell zum Cabrio umbauen mag, erhält erstmals ein elektrisches Faltdach. Und dann wäre da noch die «Urban Jeep»-Version Sahara mit feiner Lederausstattung. Ein Verrat an der Geländetradition? Don’t panic. Nur weil der Sahara keine Innenraumwäsche mit dem Gartenschlauch verträgt, wie das Basismodell Sport auf Strassenreifen rollt, ein weniger kompromissloses Fahrwerk aufweist und mit einem Untersetzungsverhältnis von 2,72:1 vorliebnimmt, beschränkt er sich nicht auf Randsteine. Auch der Jeep für Städter erweist sich in der Steiermark als «The Real Deal», wie der Amerikaner sagt – was allerdings nicht nur Vorteile hat.
Authentizität hat ihren Preis
Während bei SUVs das Fahrverhalten auf befestigter Strasse im Vordergrund steht, geht die nach wie vor auf einer Rahmenkonstruktion basierende Jeep-Ikone nur wenige Kompromisse ein. Der Diesel arbeitet ruhig, doch bei Autobahntempo strapazieren die Windgeräusche das Gehör – daran ändert auch die schräger gestellte Windschutzscheibe nichts. Die für den Offroadeinsatz ausgelegte Lenkung wirkt auf der Strasse schwammig und bedarf zum Geradeausfahren ständiger Korrekturen. Und Kurvenfahren ist sowieso nicht das Metier des 2,2-Tönners.
So wie Fussball ohne Kommerz nur ein Spiel ist, echte Erdbeeren faulen, Idylle einsam macht und ein ungeschminktes Model nicht nach Model aussieht, hat auch die Authentizität beim Wrangler ihren Preis. Seine Fans, sie werden es ihm wie immer verzeihen. Und für Neukunden bleibt wenigstens der Instagram-Shot. Denn an Coolness ist der Wrangler auch in der vierten Generation nicht zu überbieten.