Ein Abgang mit Misstönen

CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer tritt nach elf Jahren im Amt zurück. Die Zürcherin kritisiert die Réduit-Strategie von Präsident Gerhard Pfister deutlich.
von Jonas Schmidt
Die CVP verliert Wahl um Wahl. Doch mit öffentlicher Kritik an Präsident Gerhard Pfister hielten sich die Parteiexponenten zurück. Bis gestern. Die Zürcher CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer erklärte in einem Interview ihren Rücktritt und nutzte die Gelegenheit für eine eigentliche Standpauke. «Ich verheimliche nicht, dass mir der heutige Kurs der CVP das politische Leben erschwert», sagte sie dem «Tages-Anzeiger». Die Parteispitze wolle primär in den Stammlanden Wähler zurückgewinnen und habe dafür einen bürgerlich-konservativen Weg eingeschlagen, «mit dem ich mich kaum identifizieren kann». Die Zürcherin, die elf Jahre lang in der Grossen Kammer politisierte, ist keine Unbekannte. Sie stammt aus einer CVP-Dynastie. Einer ihrer Ururgrossväter ist Josef Zemp, der 1891 als erster Vertreter der Katholisch-Konservativen in den Bundesrat gewählt wurde.
Die Politikerin ist überzeugt, dass für die Partei in den urbanen Regionen viel Wählerpotenzial brachliegt. Dieses lasse sich nur mit einer sozialliberalen Ausrichtung erschliessen. Als Beispiel nennt die 52-Jährige den Kanton Genf, wo die CVP mit einem progressiven Kurs bei den Wahlen im April einen zusätzlichen Sitz im Parlament erobert hat.
Parteipräsident Gerhard Pfister kann die Kritik am CVP-Kurs nur bedingt nachvollziehen. «Hier schliesst man fälschlicherweise von mir auf die Partei: Nur weil ich selbst konservativ bin, heisst das nicht, dass die ganze CVP nun so tickt», sagt Pfister dem «Tages-Anzeiger». Er verweist darauf, dass sich die CVP etwa bei der Rentenreform oder der Energiewende als kompromissbereite Mitte-Kraft positioniert habe. Die nationale Parteileitung gebe nur die grossen Linien vor, letztlich würden die Kantonalsektionen ihre Ausrichtung selbst bestimmen.
Für den Politologen Georg Lutz hat die CVP «ein ungelöstes Problem». Sie verliere seit 20 Jahren systematisch Wahlen, «da ihr das Elektorat aus dem katholisch-konservativen Milieu wegbricht». Teilweise gingen diese Stimmen an die SVP. Die konservative Basis sei für die Partei aber auch heute noch wichtig. «Würde die CVP voll auf einen sozialliberalen Kurs setzen, käme dies einer Hochrisikostrategie gleich.» Der konservative Kurs habe dann Potenzial, wenn die SVP schwächele. Mit jeder Strategie riskiere man, «nicht einfach neue Wähler zu gewinnen, sondern auch alte zu vergraulen».