Von der Kammgarn an die Strände Jamaikas

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Patrice berührte mit seiner sanften und doch eindringlichen Stimme. Bild: Selwyn Hoffmann

Trotz einer kleinen Enttäuschung zu Beginn riss Patrice das Publikum mit seinen Reggaesongs von den Socken.

von Hermann-Luc Hardmeier

Reggae in Schaffhausen, das bedeutet nach wie vor gute Laune auf Knopfdruck. Schon bei den ersten Klängen des DJ-Teams Silly Walks Discotheque begannen die Gäste in der Kammgarn zu tanzen. Gemütlich kreisten die Hüften, und die bekannten Re­frains wurden bereits kurz nach Türöffnung mitgesungen. Die Zuschauer waren somit perfekt eingestimmt, als kurz vor elf der Star des Abends die Bühne betrat.

Im ersten Moment war da jedoch eine kleine Enttäuschung. Patrice kam nicht mit Band, sondern die DJs waren weiterhin für das musikalische Fundament zuständig. Im zweiten Moment rückte dies jedoch wieder in den Hintergrund. Patrice zog mit seiner einzigarten Stimme die Zuhörer so in seinen Bann, dass man sich sofort auf der Reise an die karibischen Strände von Jamaika befand. Er sang auf Englisch und in Patois, zur Begrüssung fiel er aber kurz aus der Rolle. «Schaffhausen, was geht ab?», wollte er wissen, und ein begeisterter Jubel schlug ihm entgegen.

Geburt am Todestag des Grossvaters

Eigentlich kommt der Künstler aus Deutschland, er lebte aber auch schon in Paris und New York. Zehn Alben und diverse Hitsingles darf er sein Eigen nennen. Spannend ist nicht nur seine Musik, sondern auch sein bürgerlicher Name. In voller Länge heisst der Künstler Gaston Patrice Babatunde Bart-Williams. Während Gaston der Vorname seines Vaters ist, bedeutet der afrikanische Name ­Babatunde so viel wie Wiedergeburt. Er kam nämlich exakt am Tag auf die Welt, als sein Grossvater starb. Patrice schliesslich bezieht sich auf den kongolesischen Freiheitshelden Patrice Lumumba.

«Man darf stolz sein auf die eigene Leistung, ja. Aber nicht darauf, irgendwo geboren zu sein.»

Dramaturgie perfekt gelungen

Am Samstagabend kamen die Fans von Livemusik schliesslich doch noch auf ihre Kosten. Nach einigen Liedern griff Patrice zur Gitarre und spielte ohne DJs mehrere Stücke. Dies war eine gute Abwechslung zum Partysound und wirkte dank der sanften und eindringlichen Stimme des Künstlers druckvoll, dynamisch und harmonisch. Als er danach unterstützt von den Plattenlegern einstieg, riss es auch den letzten Gast von den Socken. Es wurde gefeiert, gesprungen und mitgesungen. Die Dramaturgie des Abends war perfekt gelungen. Vom gemütlichen Reggae steigerte Patrice das Tempo bis hin zum fiebrigen Dance­hall. Hie und da mit Jazz oder Hip-Hop-Elementen gewürzt, ergab das eine brodelnde Partysuppe, die vorzüglich schmeckte. Genau ein Jahr nach der ausverkauften Wahnsinnsshow von Gentleman wurde die Hütte erneut zum Schwitzen und Feiern gebracht.

Politische Äusserungen blieben aus

Patrice hatte im Juli 2008 im musikalischen Vorprogramm für den Auftritt von Barack Obama an der Berliner Siegessäule vor mehr als 200 000 Menschen gespielt. Angesichts der Euphorie, die er auslöst, hätte es nicht verwundert, wenn die Fans von Obama, angestachelt vom Reggaekünstler, anstatt «Yes we can» gleich auch noch «Yes we dance!» gerufen hätten. Patrice war damals natürlich nicht zufällig ausgewählt worden. Der Künstler äus­sert sich in den Songs und in Interviews immer wieder politisch. Nationalismus bezeichnete er einmal als «Müll». «Man darf stolz sein auf die eigene Leistung, ja. Aber nicht darauf, irgendwo geboren zu sein.» Zudem erschien 2008 sein Song «Dove of Peace», in welchem er die Politik von George W. Bush kritisierte. In der Kammgarn war die Politik an diesem Abend jedoch nicht auf der Bühne, sondern kuschelte sich fidel am karibischen Strand auf einen Liegestuhl und schlürfte vergnügt einen kühlen Cocktail. Bob Marleys Philosophie «One love, one heart, one destiny» und «Love the life you live» waren das Motto. Patrice hatte die Fähigkeit, das Publikum zu verzaubern und schickte es nach seinem gelungenen Konzert begeistert nach Hause.

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