«Ihr Schweizer und Schaffhauser, schwingt eure Hüfteli!»

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Spielfreude pur: Sänger und Entertainer Müslüm hatte in der Kammgarn eine hochkarätige Band im Rücken. Bild: Begüm Ürek

Mit Humor und Charme, aber auch mit politischen Statements begeisterte Müslüm am Freitagabend in der Kammgarn.

VON HERMANN-LUC HARDMEIER

«Ich bin so scharf wie Wasabi!» Die Textzeile aus dem Lied «Ego» scheint etwas prollig, doch Müslüm-Kenner wissen, wie sie zu verstehen ist. Der Künstler polarisiert, provoziert und unterhält. In goldenem Smoking, mit schwarzem Hemd und goldener Fliege, dichtem, wuscheligem Haar, Mono-­Augenbraue und pechschwarzem Bart spielt der Komiker Semih Yavsaner mit Müslüm eine charismatische Figur, die man weder übersehen noch ignorieren kann. Für manche ist er nur ein bunter, freakiger Musiker, doch eigentlich ist Müslüm ein politischer Botschafter. Die Inhalte seiner Lieder sind nicht nur witzig, sondern auch gesellschaftskritisch.

In Schaffhausen zerpflückte er schon nach dem zweiten Song lautstark die Globalisierung. Die Konsumgesellschaft sei schlecht für uns, und vor allem für die Kinder. Mit schelmischem Augenzwinkern sprach er ­direkt zu einigen Teenagern, die ihn mit dem Handy filmten. «Früher sagte man, legt eure Waffen nieder. Heute sage ich, legt eure iPhones nieder.»

Pop aus dem Orient

Müslüm spielte fast alle seine Hits von den zwei Alben «Süpervitamin» und «Apochalüpt». Die Besucher waren begeistert. Sie sangen und tanzten. Die Kombination aus orientalischer und türkischer Traditionsmusik, gepaart mit modernem Pop, begeisterte. Ab­gesehen davon, dass Müslüm ein guter Sänger ist, hatte er auch eine hoch­karätige Band im Rücken. Die bombastische Stimme der Backgroundsängerin stach dabei immer wieder hervor.

Der Star des Abends hatte sichtlich Spass auf der Bühne. Das zeigte sich nicht nur, indem er selbst immer wieder Tanzeinlagen aufs Parkett legte, sondern auch in seinen Animationen. «Ihr Schweizer und Schaffhauser, heute müsst ihr nicht neutral sein. Lasst es einfach raus! Schwingt eure Hüfteli!», forderte er das Publikum in bekannter Müslüm-Manier heraus.

Ein häufiges Thema seiner Lieder sind Vorurteile gegen Migranten. Aber auch über eine Schlägerei zwischen einem Touristen und einem Bären im Bärengraben, Volksweisheiten, die missverständlich sind, oder über die Folgen von übermässigem Alkoholkonsum wusste er zu berichten.

So richtig in Form war Müslüm gegen Mitte seines Auftritts. Er holte einen Jungen auf die Bühne, der mit ihm das Kinderlied «Det äne am ­Bergli» sang, und machte wenig später daraus eine türkische Müslüm-Version. Auch die «W. Nuss vo Bümpliz» wurde mit anatolischen Klangkleidern versehen, und schliesslich gipfelte das Ganze in seinem Hit «La Bambele». Das Publikum durfte immer wieder den Refrain singen, und Müslüm tanzte so euphorisch auf der Bühne mit, dass Elvis mit seinem Hüftschwung hätte einpacken können. Zwischendurch strich Müslüm Wasabi-Paste in die offenen Wunden der Globalisierung. Er scherzte über Donald Trump, geisselte Schönheitsoperationen und Botoxspritzen und meinte zu seinem Lieblingsthema Ausländer: «Früher haben die Gastarbeiter den Gotthard gebaut, heute schiessen sie Tore für die Nationalmannschaft.» Der Abend endete mit ausgiebigem Konsum der angeblich einzig legalen Droge der Welt: des Süpervitamins.

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