«Eine Unternehmensübergabe ist eine ‹Operation am offenen Herzen›»

Die Nachfolgeregelung eines Unternehmens ist ein komplexer und ganz besonders im Fall einer familieninternen Übergabe oft emotional aufgeladener Prozess, der weitreichende Auswirkungen auf Familie, Geschäft und Mitarbeitende hat. Im Gespräch mit dem Zahltag erklärt Patrizia Eggimann, Expertin im Bereich Unternehmensnachfolge, wie der schwierige Prozess bestmöglich angegangen werden sollte. Ausserdem zeigt sie auf, welche Stolpersteine es zu umschiffen gilt, um sowohl das Unternehmen als auch die Familie in eine erfolgreiche, hoffentlich harmonische und gesicherte Zukunft zu führen.
Beschäftigt man sich mit dem Thema Nachfolgeregelung, merkt man, dass es sich um ein sehr breites Feld handelt. Können Sie uns eine Auslegeordnung machen?
Eggimann: Gern. Da ist zum einen die klassische familieninterne Nachfolgeregelung, das heisst, ein einziger Nachfolger aus der eigenen Familie des Inhabers übernimmt das Unternehmen. Es kann natürlich aber auch sein, dass mehrere Geschwister Interesse an der Nachfolge zeigen. Die aus meiner Erfahrung heikelste Variante ist die Nachfolge durch eine familiennahe Person, zum Beispiel durch den Schwiegersohn. Hier spielt eine doppelte Familiendynamik mit hinein, was den Übergabeprozess nochmals anspruchsvoller macht.
Und wenn keine familieninterne oder -nahe Person zur Verfügung steht?
Eggimann: In einem solchen Fall gibt es mehrere Möglichkeiten: Der Management-Buyout, das heisst, eine im Unternehmen tätige Person übernimmt die Firma. Bei einem Management-Buyin wird das Unternehmen an eine familien- und unternehmensexterne (Einzel-)Person verkauft.
Das heisst, in diesen Fällen übernimmt der Käufer selber die Geschäftsführung?
Eggimann: Korrekt. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um ein Beispiel einer strategischen Akquisition, also beispielsweise den Verkauf an einen Käufer aus der Branche, der das Unternehmen in eine schon bestehende, grössere Firmengruppe integrieren möchte.
Wie soll ein Inhaber, der mit dem Thema Übergabe konfrontiert ist, die Thematik am professionellsten angehen?
Eggimann: Wir stellen immer wieder fest, dass viele Betroffene schon mit viel zu fixen Vorstellungen an den Prozess herangehen. Eine Firmenübergabe ist, vor allem bei grösseren Unternehmen, eine komplexe, delikate Angelegenheit, die weitreichende Folgen haben kann und oft auch mit einiger Unsicherheit behaftet ist, daher lohnt sich zu Beginn ein unverstellter Blick.
«Viele Betroffene gehen schon mit viel zu fixen Vorstellungen an den Prozess heran.»
Was ist der verbreitetste Fehler, der rund um die Übergabe begangen wird?
Eggimann: Dass man sich für das Aufgleisen der Nachfolgeregelung nicht genug Zeit nimmt und das Thema unstrukturiert angeht; das endet dann oft in einem «Gewurstel».
Wie macht man es besser?
Eggimann: Aus den oben genannten Gründen plädiere ich stark dafür, frühzeitig eine (familien)externe Unterstützung beizuziehen, sei dies ein Treuhänder oder eine Fachperson, die speziell auf Übergabeprozesse spezialisiert ist. Eine solche Person sollte Zeit und Erfahrung mitbringen und den Prozess als Coach begleiten. Der Coach plant den Prozess, stellt sicher, dass alle wichtigen Punkte berücksichtigt und genügend Zeit für die Übergabe eingeplant werden, und initiiert eine konstruktive Kommunikation mit allen Beteiligten.
Werden Sie nun von einem Firmeninhaber als Coach für eine klassische Unternehmensübergabe an den einen «Familienerben» bestimmt. Was tun Sie als Erstes?
Eggimann: Ich nehme eine saubere Analyse der Unternehmenssituation, der Familie und der Situation und Stellung des Nachfolgers vor und führe ein ausführliches Gespräch mit dem abtretenden Unternehmer. Ziel ist es, herauszufinden, ob die geplante Nachfolgeregelung auf soliden Füssen steht. Das «Unternehmer-Gen» vererbt sich nicht automatisch. Gerade deshalb ist ein externer Evaluator so wichtig – ist man familiär verbunden, ist es unmöglich, den ganzen Prozess durch eine nicht emotional eingefärbte Brille zu betrachten.
Fällt die Analyse positiv aus, der vorgesehene Nachfolger ist noch im Rennen und keines der anderen Familienmitglieder stellt sich quer, wie geht es dann weiter?
Eggimann: Grundsätzlich ist der Prozess sehr individuell und hängt von der Grösse und Komplexität des Unternehmens sowie von den familiären Gegebenheiten ab. In jedem Fall spielt jedoch eine professionell geführte Kommunikation eine zentrale Rolle, ganz besonders in Familienunternehmen.
«In jedem Fall spielt eine professionell geführte Kommunikation eine zentrale Rolle.»
Inwiefern?
Eggimann: Wie in jeder Familie nimmt auch in einem Familienunternehmen jedes Familienglied eine spezifische Rolle ein. Zusätzlich ist bei dieser Unternehmensart jedoch auch immer die Firma «als unsichtbare Dritte», die eine völlig andere Welt darstellt, ein Einflussfaktor im Privaten. Diese Vermischung von Familienleben und Geschäft bestimmt und prägt die Familie stark.
Und deshalb ist die Kommunikation so entscheidend?
Eggimann: Ja, eine gut gemanagte Kommunikation unter allen Beteiligten ist wahrscheinlich eines der Schlüsselkriterien für eine erfolgreiche Nachfolge. Wird sie von einer externen Person organisiert, können «rote Tücher» und «unsichtbare Elefanten» identifiziert und gezielt adressiert werden, die ansonsten zwangsläufig irgendwann auftauchen würden und Unfrieden stiften können. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass eine Unternehmensübergabe quasi eine «Operation am offenen Herzen» ist, da das Geschäft ja während der Übergabe gewohnt weiterlaufen soll, müssen solche Störfaktoren, wenn immer möglich – nur schon dem Geschäftsverlauf zuliebe – vermieden werden.
Gibt es weitere Fehler, die unbedingt vermieden werden sollten?
Eggimann: Ganz schwierig ist es, wenn man Fakten schafft, bevor die Grundlagen geklärt sind. Also wenn der Inhaber beispielsweise einfach ein paar Aktien an den vorgesehenen Nachfolger abgibt. Diese Aktien kann man nicht einfach wieder zurückholen und es kann fatale Folgen haben, wenn es dann mit der Übergabe doch nicht klappt.
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen bei einer Firmenübergabe berücksichtigt werden?
Eggimann: Bei familieninternen Unternehmensnachfolgen stehen ehe- und erbrechtliche Themen im Vordergrund. Wenn noch andere Kinder Ansprüche haben, ist ein klassischer Erbvertrag mit allen Beteiligten sicher der Königsweg, der dem Nachfolger Planungs- und Rechtssicherheit gibt. Ist ein solcher nicht möglich, müssen andere Wege und Mittel gefunden werden. Stellt das Unternehmen den absolut grössten finanziellen Wert in einer Familie dar, wird es schwierig. Denkbar sind dann Ausgleichungsvereinbarungen oder einseitige testamentarische Anordnungen des Übergebers. Je komplexer die Situation, desto wichtiger ist der Beizug eines erfahrenen Beraters, der neben seiner Expertise auch sicherstellt, dass es zu keiner Vermischung von Firmen- und Privatebene kommt.
Wie lange im Voraus sollte man mit der Nachfolgeplanung beginnen?
Eggimann: Im Fall einer Nachfolge mit einer Person aus der eigenen Familie lautet mein Rat drei bis fünf Jahre vor dem geplanten Übergabetermin. Am besten zu einer Zeit, in der der Inhaber noch Freude an der Geschäftsführung hat. Eine Nachfolgeregelung zu starten, wenn der «Patron» die Altersgrenze von 70 Jahren schon überschritten hat, ist erfahrungsgemäss schwierig.