Löwen in der Manege: Darf ein Zirkus wilde Tiere zeigen?

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Vergangene Woche war der Circus Royal in Neuhausen zu Gast. Mit dabei waren auch drei Löwinnen. Ist dies ein Problem für den Tierschutz?

Pro

Von Alexa Scherrer, Leitung Online

Die Aufmerksamkeit auf einen Nebenschauplatz lenken und doppelte ­Böden: Das sind Vorgehensweisen, die im Repertoire von Illusionisten und Artisten im Zirkus nie fehlen. Die Aufmerksamkeit auf einen Nebenschauplatz lenken und Doppelmoral: Das sind Vorgehensweisen, die im Repertoire von selbst ernannten Anwälten der Zirkustiere nie fehlen.

«Ein wildes Tier gehört nicht eingesperrt», sagen sie, während sie von ihrem Salami-Sandwich abbeissen. 100 Gramm der Billiglinien-Salami kosten nicht mal 1.50 Franken. «Man darf einem Tier seine Freiheit und seine Würde nicht nehmen», monieren sie und bürsten ihren Wohnungs-Rassenkatzen das Katzenstreu aus dem Fell, das diese vom Katzenklo, dessen Benutzung man ihnen antrainiert hat, ins Wohn­zimmer geschleppt haben. Warum werden einige Tiere geschlachtet und andere gestreichelt? Warum ist es in Ordnung, gewisse Arten zu domestizieren – tut man es bei anderen, wird man aber auf das gesellschaftliche Schafott ­geführt?

Löwen schlafen auch in freier Wildbahn zwischen 20 und 22 Stunden am Tag, sie streifen also nicht ununterbrochen Hunderte von Kilometern umher. Studien von Verhaltensbiologen zeigen, dass sich der Cortisolpegel – mit dem der Stresslevel gemessen werden kann – bei Zirkuslöwen kaum von jenem von frei lebenden Raubkatzen in der Serengeti unterscheidet.

Natürlich sind solche Studien jeweils mit Vorsicht zu geniessen. Das gilt allerdings auch für die Bekräftigung oder Widerlegung anderer Argumente: Die Vorreiterrolle Österreichs zum Beispiel wird immer ­wieder betont, seit das Land 2005 Wildtiere im Zirkus verboten hat. ­Kamele gehören in Österreich aber zum Beispiel zu den Haustieren.

Und wie soll ein Tier in freier Wildbahn überhaupt leben, wenn sein Lebensraum zusehends zerstört wird? Wer Tiere schützen will, muss zuerst ihren Lebensraum schützen. Wer für das Wohl der Tiere einstehen will, muss dort anfangen, wo es wehtut – beim persönlichen Verzicht. Wer also gegen Löwen in der Manege ist, muss konsequenterweise auch gegen Hotdogs in der Pause sein.

Contra

Von Jeannette Vogel, Regionale Wirtschaft

Sich bezaubern lassen, lachen und Sekunden später den Atem anhalten – das ist Zirkus. Wilde Tiere? Brauchts dazu nicht. Eine artgerechte Haltung ist in einem Zirkus grundsätzlich nicht möglich: Die Grosskatzen verbringen einen Grossteil ihres ­Lebens eingepfercht in Käfigen und Transportwagen. Und einen erheblich kleineren Teil damit, auf Befehl des Tierbändigers Männchen zu ­machen oder andere Kunststücke vorzuführen. Der Rest ist lähmende Langeweile für Löwen. Auf so engem Raum ist einer Grosskatze nicht einmal annähernd das Ausleben ihrer Instinkte möglich, egal wie viel Aufwand man auch treibt. Löwen haben im Zirkus ausgebrüllt – genauso wie Bären, Tiger, Elefanten und weitere wilde Tiere.

Auch wenn diese Tiere während der Dressur keine Schmerzen erleiden oder in Gefangenschaft vielleicht nicht körperlich und sozial verkümmern: Wildtiere haben in der ­Manege schlichtweg nichts verloren. Ihre Zurschaustellung ist ein Relikt aus einer Zeit, in der es wilde Tiere nur im Zoo oder eben im Zirkus zu sehen gab, und nicht wie heute täglich im Fernsehen oder auf ­Youtube. Ein Zirkus verfolgt rein wirtschaft­liche Interessen und – im Gegensatz zu gut geführten Zoos – leistet keinen Beitrag zum Artenschutz. Auch das Training durch den Tierbändiger, das ständige Reisen sowie der Applaus der Menge, all das ­gehört nicht zum normalen Leben einer Grosskatze. Ein Löwe springt bis zu zehn Meter weit und erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde. Sein Brüllen ist auf eine Distanz von fünf Kilo­metern zu hören. Der Löwe ist ein Familientier, in Freiheit lebt er auf einem Gebiet von 20 bis 400 Quadratkilometern – je nach Aufkommen der Beutetiere im Revier.

Wilde Tiere sind jedoch keine wandelnden Kuriositäten, die nur zur Gaudi des zahlenden Publikums zur Schau gestellt werden dürfen. Sie sind Lebewesen, denen man mit ­Respekt begegnen und ihren natürlichen Lebensraum erhalten soll.

Die Zukunft des Zirkus liegt in menschlichen Höchstleistungen am Trapez, beim Jonglieren und der Kunst, die Zuschauer zu bezaubern – nicht im Beschwören von Nervenkitzel aus finsterer Vergangenheit.

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