Ein Adel, der verpflichtet

Mark Liebenberg | 
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Sir András Schiff eröffnet mit einem Rezital die Schaffhauser Meisterkurse. Bild: pd

Auf Tonträgern, in Buchform oder diese Woche live in Schaffhausen – András Schiff, ein nachdenklicher Musiker und Zeitgenosse.

Als der ungarisch-britische Pianist András Schiff vor einigen Jahren in der Zürcher Tonhalle Brahms’ Klavierkonzert spielte und ein Zuhörer im Publikum offenbar unsanft mitten in eine leise Schlüsselstelle hineinhustete, reckte der Meisterpianist mitten im Satz die rechte Hand in die Höhe und zürnte dem Fehlbaren mit fuchtelnder Faust, während er die Phrase mit der linken Hand weiterspielte. Es war NZZ-Musikjournalist Martin Meyer, der diese Anekdote festhielt («Die Faust im Frack»).

Jetzt kommt der 64-jährige Klavierkünstler im Rahmen der «Schaffhauser Meisterkonzerte» nach Schaffhausen – wo er Stücke von Komponisten spielen wird, die ihm offensichtlich sehr am Herzen liegen. Die Namen (Bach, Beethoven, Bartók, Janácˇek und Schubert) tauchen auch immer wieder in einem schönen neuen Buch auf, das der Musiker jüngst gemeinsam mit ebenjenem Martin Meyer, dem früheren Feuilletonchef der NZZ, herausgegeben hat: «Musik kommt aus der Stille» (Bärenreiter Verlag, 2017) ist zum einen ein über 100 Seiten langes Gespräch über Schiffs künstlerische Grundanschauungen, seine Spieltechniken und Interpretationsweisen, über das Repertoire, über seine Kindheit und Jugend und seine beruflichen Erfahrungen als Pianist und Dirigent. Ein «Interview», das sich thematisch locker gegliedert über so viele Seiten hinzieht und doch nie langweilt: Das liegt an der dialogischen Form, wo der Interviewer nicht bloss Stichwortgeber ist und der Interviewte nie bloss doziert in nobler Herablassung. Im Gegenteil: Im Nachdenken über das, was aus der Stille kommt und worüber bisweilen so schwer zu sprechen ist – über das Phänomen Musik schlechthin und über die rund 400 Jahre währende Hochphase der europäische Kunstmusik im Besonderen (die seit etwa einem halben Jahrhundert sich langsam wieder von der Weltbühne verabschiedet) –, denkt hier Schiff in glasklarer, verständlicher Sprache nach. Davon können Klassiklaien lernend und entdeckend profitieren. Hier spricht einer, man muss es sagen, der auch etwas zu sagen hat!

Kein Kauz im Elfenbeinturm

Sir András Schiff ist zweifellos einer der bedeutendsten Pianisten der Gegenwart. Für die zyklischen Aufführungen der Klavierwerke von Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Chopin, Schumann und Bartók wurde er mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet. Für seine Verdienste von der Queen im Jahre 2014 in den Ritterstand erhoben, ist Schiff jedoch alles andere als ein konservativer Kauz, der sich im Elfenbeinturm der Hochkultur verschanzt. Aber ein wacher, schalkhafter Zeitgenosse, der sich etwa gegen gewisse Erscheinungen im Kulturbetrieb (etwa das Regietheater auf der Opernbühne) mit bissiger Kritik auflehnt und kommerzielle Fehlentwicklungen anprangert. Geboren 1953 in Budapest als Sohn jüdischer Holocaustüberlebender, ergreift er aber auch gegen politische Zustände in seiner alten Heimat Partei und nimmt dabei kein Notenblatt vor den Mund. Davon zeugt die Sammlung von Essays und Artikeln im zweiten Teil des Buches.

PS: Besuchern des Rezitals sei an dieser Stelle geraten, für alle Fälle ein Hustenbonbon mitzunehmen …

Meisterkonzert: AndrÁs Schiff: Dienstag, 19. September, 19.30 Uhr, St. Johann Schaffhausen.

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