Eine halbe Million, die keiner will

Zeno Geisseler | 
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Das Winkelrieddenkmal in Sempach, hier an der Gedenkfeier im Jahr 2008 zur Erinnerung an die Schlacht von 1386. Bild: Key

In einem Fonds beim Kanton liegen über 500 000 Franken für einen guten Zweck. Doch nachgefragt wird dieses Geld kaum, und einfach so anders verwendet werden darf die Summe auch nicht. Was soll nun damit passieren?

Der Kanton Schaffhausen hat definitiv nicht zu viel Geld. Er angelt sich von Entlastungsprogramm zu Entlastungsprogramm, und für 2017 sind einmal mehr rote Zahlen budgetiert.

In bestimmten Töpfen finden sich aber sehr wohl noch Mittel. Ein solcher Topf ist der Winkelriedfonds. Er dient einem edlen Zweck: Soldaten und ihre Angehörigen, die durch den Militärdienst in finanzielle Schwierigkeiten geraten, können Beiträge beantragen. Dieser Sozialfonds wurde 1884 gemeinsam von dem Kanton und der Offiziersgesellschaft eingeführt, und er war lange Zeit sehr wichtig. In Schaffhauser Gemeinden gab es Sempacher­feiern zugunsten des Fonds, und in ­Kirchen wurde die Kollekte dafür gespendet. Die SN druckten vor gut 100 Jahren jeweils sogar Sonderseiten, in der alle Spender aufgelistet wurden.

300 Franken ausbezahlt

Doch seit vielen Jahrzehnten treffen kaum noch Unterstützungsanfragen ein. Kein Wunder: Seit 1940 gibt es den Erwerbsersatz. Dienstpflichtige erhalten einen Grossteil ihres Lohnes ausbezahlt, es gibt sogar Kinder- und Betreuungszulagen. Zudem gibt es den Sozialdienst der Armee. Er hilft Leuten, die wegen ihrer Dienstpflicht in Schwierigkeiten geraten. Wegen des Militärdiensts Not leiden muss heute also niemand mehr. Entsprechend klein sind die Auszahlungen beim Winkelriedfonds. Im Jahr 2015 etwa wurden gerade mal 300 Franken an Unterstützungsgeldern ausbezahlt, 2014 waren es 900 Franken, 2013 400 Franken.

Etwas mehr Geld wird für den zweiten Verwendungszweck des Fonds ausgegeben: für Beiträge an das freiwillige, ausserdienstliche Schiesswesen, an militärische Vereine, Wettkämpfe und das Vorunterrichtswesen. 15 000 Franken sind dafür im Budget 2017 vorgesehen. In den letzten Jahren flossen die Gelder unter anderem an das Museum im Zeughaus, an die Offiziersgesellschaft oder den Pontonierfahrverein. Doch diese Zahlungen könnten bald versiegen. Denn Mittel, die nicht dem Hauptzweck des Fonds dienen, also der Unterstützung von Not leidenden Soldaten oder ihren Angehörigen, dürfen nur so lange gesprochen werden, bis das Fondsvermögen nicht unter 500 000 Franken fällt.

Ende 2015 lag der Stand bei rund 580 000 Franken. Bleibt es bei den aktuellen Auszahlungen, ist die 500 000- Franken-Limite Ende 2020 erreicht. Dies auch deshalb, weil es auf der Gegenseite kaum Erträge gibt. Für 2017 sind gerade mal 600 Franken an Zinsen budgetiert. Der Kanton sitzt also voraussichtlich in fünf Jahren auf einer halben Million, die nicht zweckgemäss eingesetzt werden kann. Was nun?

«Ein falsches Signal»

Patrick Strasser, Präsident der Geschäftsprüfungskommission (GPK) und der SP/Juso-Fraktion im Kantonsrat, sagt, dass die Fonds ein Thema in der GPK waren. «Aber man muss wissen, dass die Fonds die grundlegenden finanziellen Probleme des Kantons auch nicht lösen können.» Ein vorschnelles Handeln sei deshalb nicht angezeigt.

Kantonsrat Lorenz Laich (FDP, Dörflingen) möchte den Fonds ebenfalls lieber nicht auflösen: «Das wäre ein falsches Signal, gerade gegenüber der Armee.» Denkbar ist für ihn aber, dass die Restriktion mit den 500 000 Franken aufgehoben wird. Der Fonds soll also auch in künftigen Jahren Militäranlässe unterstützen können. Immerhin würde der Fonds auch ohne Erträge noch mehr als 30 Jahre lang 15 000 Franken jährlich ausschütten.

In anderen Kantonen ist der Winkelriedfonds angepasst oder sogar ganz aufgehoben worden (siehe unten). Ein solch radikaler Schritt wäre in Schaffhausen jedoch nur schon rechtlich schwierig: 1884 sei der Winkelriedfonds der Offiziersgesellschaft in den kantonalen Fonds eingeflossen, verbunden mit entsprechenden Schenkungsbedingungen, erklärt Finanz­direktorin Rosmarie Widmer Gysel.

Nicht ausgeschlossen ist aber, dass der Mindestbestand von einer halben Million Franken aufgehoben wird. «Es ist vorgesehen», sagt Widmer Gysel, «die künftige Handhabung dieses Fonds sowie aller weiteren Fonds und Legate im Laufe der nächsten zwei Jahre zu überprüfen».

Winkelriedfonds: Andere Kantone haben ihn aufgelöst oder den Zweck geändert

Der Kanton Schaffhausen hat sich mit dem Winkelriedfonds immer wieder schwergetan. Das Parlament hatte sich mehrmals mit einer Auflösung zu befassen, was bis heute aber immer abgelehnt worden ist.

Andere Kantone haben ihre Winkelriedfonds neuen Zwecken zugeführt oder aufgelöst. Ersteres hat Solothurn getan. Der Kanton hält einen Fonds von 2,5 Millionen Franken und erzielt etwa 100 000 Franken Ertrag. Davon geht die Hälfte an Projekte zur Unterstützung von Menschen, die wegen der Folgen des Militärdienstes, von Krieg oder in ausserordent- lichen Lagen in Not gekommen sind, die andere Hälfte und das Fondsvermögen über zwei Millionen Franken gehen an Projekte für ausgesteuerte Arbeitslose und Gewaltbetroffene sowie ihre Familien.

Der Kanton Nidwalden wiederum beschloss 2007 im Rahmen eines Sparprogramms, seinen Winkelriedfonds aufzulösen und das Geld in die Staatskasse fliessen zu lassen. Auch in Baselland gibt es den Fonds nicht mehr: Er ging 2011 zur Neige, nachdem bis zum Schluss kleine Renten an Hinterbliebene von verunglückten Soldaten ausbezahlt worden waren.

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