Übergriffe auf Frauen – aber nicht von Geisterhand

Robin Blanck | 
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Zuerst verkauft ein Mann aus dem Kanton Frauen minderwertige Ware, die Schuld für die Mängel gibt er Geistern. Bei der folgenden «Geisteraustreibung» betatscht er die Opfer – und kommt fast ungeschoren davon.

Es müssen demütigende Szenen gewesen sein, die sich in zwei Privatwohnungen in einer grösseren Schaffhauser Gemeinde zugetragen haben: Nicht weniger als die Austreibung von Geistern hatte M., selbständiger Unternehmer aus dem Kanton Schaffhausen, ­seinen weiblichen Opfern in Aussicht gestellt. Aber eigentlich ging es ihm nur darum, Ware besser aussehen zu lassen, die er zuvor verkauft hatte. Doch von Anfang an.

Geister in der Wohnung

M., der im Verkauf tätig ist, veräussert 2014 und 2015 Ware unter anderem an zwei Frauen. Doch mit der Qualität der erworbenen Stücke sind die beiden Käuferinnen unabhängig voneinander nicht zufrieden und treten deshalb nochmals mit M. in Kontakt. Dieser wird daraufhin bei den einzelnen Damen vorstellig – und zwar zu Hause. M. stellt dort jeweils fest, dass sich in den Wohnräumlichkeiten Geister aufhalten würden. Dieser Umstand habe die Funktionstüchtigkeit der gekauften Gegenstände beeinträchtigt. Der abgebrühte M. bietet den Käuferinnen darauf an, die Austreibung der Geister vorzunehmen: Das tut er bei den beiden Opfern, indem er sie am Körper berührt – und dies auch unter den Kleidern und im Intimbereich. Nach erfolgter Behandlung auferlegt M. den beiden Damen eine strikte Schweigepflicht: Sie dürften mit niemandem über das Erlebte sprechen, da sonst ­ihnen oder auch ihren Kindern ein ­Unglück widerfahren würde.

Wehren wäre möglich gewesen

Wie lange die Drohung nachwirkt, ist nicht klar, doch die beiden Damen wenden sich nach einer Zeit an die Schaffhauser Polizei – und das ruft ungemein konkretere Gegnerschaft auf den Plan, die M. nicht so einfach vertreiben konnte: die Staatsanwaltschaft. Der zuständige Staatsanwalt eröffnet ein Strafverfahren gegen M.: Im Raum steht der Verdacht der mehrfachen sexuellen Nötigung und der mehrfachen sexuellen Belästigung. Doch es kommt anders, als man erwartet hätte: Das Verfahren wird eingestellt, weil M. weder körperliche Gewalt noch schweren psychischen Druck auf die beiden Frauen ausgeübt und diese auch sonst nicht anderweitig widerstandsunfähig gemacht habe. Fazit der Untersuchung: Im Sinne des Gesetzes seien die Opfer nicht zur Duldung der sexuellen Handlungen genötigt worden, womit der Vorwurf in sich zusammenbricht. Strafanträge wegen sexueller Belästigung liegen nicht vor, folglich kann die Staatsanwaltschaft diesen Verdacht nicht weiterverfolgen. Doch so ganz wird M. die Geister, die er gerufen hatte, doch nicht mehr los: Die Staatsanwaltschaft verurteilt ihn per Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe von 14 Tagessätzen à 60 Franken, dies bei einer Bewährungsfrist von zwei Jahren. Sofort bezahlen muss er aber eine Busse von 300 Franken sowie eine Staatsgebühr von 400 Franken. Grund für die Verurteilung sind am Ende aber nicht seine verwerflichen Übergriffe, sondern sein Verhalten danach: Indem er den beiden Opfern untersagte, über die Vorfälle zu sprechen, und ihnen bei Verstössen schwerwiegende Konsequenzen ­androhte, hat er sich der mehrfachen ­Nötigung schuldig gemacht.

Verbreiteter Glaube

Auch wenn es im vorliegenden Fall um eine vorgegaukelte religiöse Handlung ging, kommen Rituale zu Geisteraustreibungen in praktisch allen Religionen vor, wie Joachim Finger, Pfarrer in Beringen und Beauftragter für Religionen, auf Anfrage erklärt. Gerade auch wenn sexuelle Elemente Teil des Rituals würden, «bewegt sich das schon stark Richtung Aberglaube», sagt Finger. Der Glaube, dass sich ­Geister in Häusern aufhalten oder von Menschen Besitz ergreifen, trete auch bei uns immer wieder einmal auf, «in den seltensten Fällen wird das aber je aktenkundig».

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