«Er hat sich verhalten wie ein Tier»

Martin Edlin | 
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Zum Sex gezwungen? Ein 47-jähriger Mann musste sich gestern im Kantonsgericht dem Vorwurf der mehrfachen Vergewaltigung stellen. Symbolbild: Pixabay

«Szenen einer Ehe» war das, was ein Mann seiner ihm nach islamischem Ritus Angetrauten antat, nicht. Eher schon Vergewaltigung.

Der 47-jährige Mann schien vor Kantonsgericht die Welt nicht mehr zu verstehen. Das lag nicht nur an der deutschen Sprache, die ihm Wort für Wort ins Arabische übersetzt werden musste, sondern schon eher an dem, was ihm der ausserordentliche Staatsanwalt Maurus Meier vorwarf: mehrfache Vergewaltigung, Tätlichkeit, Körperverletzung, Drohung und sexuelle Nötigung. Dabei hatte er, der in Syrien einmal verheiratet gewesen war und Vater von vier Kindern ist, dann sich scheiden liess, nach Europa flüchtete und nun als Asylbewerber in Schaffhausen lebt, bloss das getan, was ihm nach vollzogener islamischer Heiratszeremonie zustand: Sex mit seiner ihm Angetrauten.

Nur liest sich das in der Anklageschrift etwas anders: In der «Hochzeitsnacht» vor knapp drei Jahren «warf er sie auf das Bett, hielt ihre Hände fest, vollzog den Geschlechtsverkehr, biss und kniff ihr schmerzhaft in die Brüste (die schweren Hämatome sind aktenkundig) und machte weiter trotz der mit versuchtem Wegstossen unterstrichenen, wiederholten Aufforderungen der Frau aufzuhören». Solche «Szenen einer Ehe» erlebte das Opfer, eine geschiedene, türkisch-schweizerische Doppelbürgerin, noch einige Male in ihrer Wohnung in Neuhausen.

Bis zu jenem Tag im Juni 2016, als es zu einem Streit kam, bei dem – immer laut Anklage – der Beschuldigte mit einem Küchenmesser herumfuchtelte, der Aufforderung der Frau, ihre Wohnung zu verlassen, nicht nachkam, Drohungen ausstiess, die verängstigten «Gattin» in eine Ecke drängte, sie grob festhielt, ihr den Mund zuhielt oder sie gar würgte, ihr das Telefon, mit dem sie die Polizei zu alarmieren versuchte, aus der Hand nahm und erst dann, als die Gepeinigte auf dem Balkon laut um Hilfe rief, das Haus verliess.

«Frau hat Mann zu gehorchen»

«Er hat sich wie ein Tier verhalten», schilderte die Gepeinigte den Untersuchungsbehörden die Sexualpraktiken ihres Partners. Jede Abwehr sei umsonst gewesen, liess sie nun auch das Richtergremium mit Andreas Textor als Vorsitzendem sowie Manuela Hardmeier und Eva Bengtsson als Beisitzerinnen wissen – durch die aus dem Türkischen übersetzende Dolmetscherin. Besonders den Oralverkehr habe sie nicht gewollt und sei doch immer wieder mit Gewalt dazu gezwungen worden. «Nein, sie hat das gewollt», meinte der Angeklagte – weil ihm als praktizierendem Muslim der Koran den Oralsex eigentlich verbiete.

Überhaupt: Sämtliches, was ihm da vorgeworfen werde, sei vom Koran untersagt. Deshalb sei bezüglich Sex «alles ganz normal» gelaufen, wobei er, auf richterliche Nachfrage, zugestand, dass in seiner Religion die Frau ihrem Mann zu gehorchen habe. Zu etwas gezwungen habe er sie aber nie. Probleme mit seiner Partnerin seien erst aufgetaucht, seit seine geschiedene Frau die Kinder von Syrien in die Schweiz gebracht habe und ein Sohn nun bei ihm lebe. Wohl deshalb all diese Beschuldigungen, welche die «Angetraute» erhebe, mit der er, seit er einen Monat lang in Untersuchungshaft gesessen war, keinerlei Kontakte mehr pflege.

Ihre Aussagen, auf die sich die Anklage stütze, seien unglaubwürdig und zum Teil widersprüchlich, sekundierte ihm die amtliche Verteidigerin, Rechtsanwältin Birgitta Zbinden, legte minutiös Ungereimtheiten in den Sachverhaltsdarstellungen und in den Aussagen vor der Polizei und der Staatsanwaltschaft offen und plädierte für einen Freispruch in den Hauptanklagepunkten. Ebenso wies sie die Forderungen nach Schadenersatz (400 Franken) und Genugtuung (25 000 Franken) zurück, die Rechtsanwalt Nihat Tektas erhob, der das Opfer als Privatklägerin vertrat. Doch der Staatsanwalt («Sex mit Gewalt verletzt Würde und Selbstbestimmung der Frau») blieb bei seinem drakonischen Strafantrag: Vier Jahre Gefängnis und 500 Franken Busse für den bislang unbescholtenen Angeklagten.

Das Gericht fällte noch kein Urteil. Es wird erst am Freitagvormittag eröffnet. Bis zur rechtsgültigen Verurteilung gilt für den Angeklagten weiterhin die Unschuldsvermutung.

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