Leben kann laut sein

Dario Muffler Dario Muffler | 
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Dario Muffler. Bild: Selwyn Hoffmann

Schaffhausen trägt in manchen Bevölkerungskreisen und Altersgruppen den Spitznamen «Schlafhausen». Geschuldet ist das dem Eindruck, Schaffhausen biete wenig bis gar keine Möglichkeiten für ausgelassenes Feiern.

Diese Behauptung mag zwar etwas übertrieben sein, aber sie entspricht einer existenten Wahrnehmung. Auch der Stadtrat hat sich für eine Belebung der Schaffhauser Altstadt ausgesprochen. Die Bewilligungen für Feste wie das Lindli-Fäscht werde er auch in Zukunft erteilen, sagte Sozialreferent Simon Stocker gegenüber den SN. Dieser ausgelassene Anlass rund um den Salzstadel war aber eine der Veranstaltungen, die in den letzten beiden Monaten für Unmut bei Bewohnern gesorgt haben. Beinahe jedes zweite Wochenende ein Fest – das war manchen Schaffhausern zu viel. Hauptklagegrund ist jeweils der Lärm.

Der Nutzungskonflikt zwischen Wohnraum und Ort zum Feiern

Fanden während der vergangenen Wochen in der Altstadt nun zu viele Veranstaltungen statt? Die Anlässe haben sich zweifelsohne gehäuft. Das lässt sich zu einem erheblichen Teil durch selten wiederkehrende Veranstaltungen erklären. Der zweitägige Abstecher der Tour de Suisse nach Schaffhausen rief zwar keine Lärmklagen, aber verärgerte Bürger auf den Plan. Zuletzt war das Radrennen 2011 hier. Das Unterstadtfest findet nur alle vier Jahre statt. Das angesprochene Lindli-Fäscht stieg dieses Jahr zum ersten Mal. Die Rhybadi hat neue Betreiber: Neu wird eine Lounge betrieben, Konzerte finden statt, und es wurde eine zweitägige Party auf die Beine gestellt. Der genaue Umgang mit den Lärmemissionen wird in enger Zusammenarbeit mit der Stadt noch gesucht. Das Fazit: Es fanden nicht zu viele Veranstaltungen statt.

Diese Häufung ist aussergewöhnlich – solche Veranstaltungen braucht es aber. Das erst im Juli von der Zeitschrift «Bilanz» veröffentlichte Ranking von Schweizer Städten zeigt eindeutig, dass ein reiches Freizeit- und Kulturangebot die Lebensqualität in Städten steigert. Schaffhausen liegt im Gesamtranking im 55. von 162 Rängen. Im Punkt «Kultur und Freizeit», eines von elf Bewertungskriterien, belegt die Munotstadt den 24. Platz. Schaffhausen bietet demnach ein solides Angebot. Für den ausgehfreudigen Teil der Bevölkerung ist das aber zu wenig. Die verschiedenen Anlässe werden in diesen Kreisen erst als langsames Erwachen aus einem Dornröschenschlaf gesehen.

Diese Situation zeigt den altbekannten Konflikt auf: Eine Altstadt ist einerseits Wohnraum, andererseits ein Ort, wo gefeiert wird. Diese Mischung soll es auch geben. Zwei Dinge sind für eine kombinierte Nutzung der Altstadt essenziell: Rücksichtnahme der Veranstalter und der Partygänger gegenüber den Anwohnern und Toleranz der Anwohner gegenüber der festfreudigen Bevölkerung. Denn eine Stadt ist Kommunikation. Wo diese ist, sind Leute, ist Leben. Dabei können die Bässe auch einmal etwas stärker wummern – ein Muss für ein erfolgreiches Fest ist das aber nicht. Wie soll diesem Konflikt begegnet werden? In Gesprächen über Schallpegel, angemessene Örtlichkeiten für Partys und eine zeitliche Eingrenzung. Solche Abmachungen müssen in einer Verhandlung zustande kommen, in der keine Partei nur von Eigeninteresse getrieben ist.

Durchmischung fördern und für alle attraktiv bleiben

Wegen einer Lärmklage wurde das Hornen der Schiffe auf dem Zürichsee verboten. Was für die einen Kulturgut ist, ist für andere nur störender Lärm. Damit zeigt sich, wie individuell die Definition von Lärm ist. Urs Bühler macht in einem Kommentar in der «Neuen Zürcher Zeitung» folgende Beobachtung: Lärm ist das Geräusch von anderen. Und es sind Geräusche, die einem nicht gefallen: Eine Person mag Guggenmusik, die andere hält sich die Ohren zu. Weiter ist die Lärmempfindlichkeit überaus subjektiv. Während 2011 im deutschen Bad Säckingen eine Minigolfanlage wegen einer Klage eines Nachbarn schliessen musste, gibt es Personen, die nur bei laufendem Fernseher einschlafen können.

Anlässe wie das Lindli-Fäscht oder das anstehende Festival «Stars in Town» bieten – anders als der Ausgang am Wochenende vielleicht – die Chance, die gesamte Bevölkerung zusammenzubringen. Das müssen auch Veranstalter erkennen und bei der Planung des Programms beachten. Nur so wächst die Akzeptanz. Denn eine Belebung des öffentlichen Raums ist im Sinne aller. Schlimmer wäre ein Aussterben der Altstadt. Es muss beides Platz haben: Ruhe und Partystimmung.

Eine Altstadt ist einerseits Wohnraum, andererseits ein Ort, wo gefeiert wird. Diese Mischung soll es ­geben.

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