«Es war eine surreale Erfahrung»

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Bootsszene aus «The Wolf of Wall Street»: Jordan Belfort (Leonardo DiCaprio) nach seinem Gespräch mit dem FBI-Agenten Gregory Coleman (Kyle Chandler). Im Film wurde Colemans Name zu Patrick Denham geändert. Bild: Key

Nachdem Ex-Betrüger Jordan Belfort im Mai in Zürich auftrat, ist nun der FBI-Ermittler, der ihn ins Gefängnis brachte, zu Besuch in der Schweiz. Inzwischen pflegt er regelmässigen Kontakt zu Belfort – und ist bei einem Thema mit ihm einverstanden.

von Federico Gagliano

Gregory Coleman, haben Sie während der Ermittlungen jemals gedacht: «Diese Story ist filmreif»?

Gregory Coleman: Nein, damals noch nicht. Es war ein faszinierender Fall, aber der Stein kam erst danach ins Rollen. Belfort rief mich nach seiner Gefängnisstrafe an und erzählte mir, er würde ein Buch schreiben. Danach verkaufte er die Filmrechte. Wir scherzten damals noch, ob Brad Pitt ihn spielen würde. Es war eine surreale Erfahrung.

Waren Sie als Berater für den Film tätig?

Ja, die Produzenten riefen mich an und holten mich ins Boot. Als ich das Drehbuch zum ersten Mal las, war ich nicht sehr begeistert. Es erschien mir sehr stereotyp. Hollywood zeigt nur zwei Arten von FBI-Agenten. Entweder sind sie Superhelden oder absolut inkompetent. Ich wollte sicherstellen, dass meine Rolle akkurat dargestellt wird.

Was ist im Film anders?

Einige Szenen haben sich im echten Leben nicht so abgespielt. Dort war es meine Aufgabe zu erklären, wie sich die Szene abgespielt hätte, falls ich sie wirklich erlebt hätte. Ein Beispiel ist die Szene auf dem Boot, als Belfort versucht, mich zu bestechen. Belfort wollte das zwar wirklich tun, ihm wurde aber dann davon abgeraten. Hätte er mich aber gefragt, wäre ich wirklich auf das Boot gestiegen. Erstens, weil ich schon immer so ein Boot sehen wollte. Zweitens würde ich jede Chance nutzen, um mit einem Verdächtigen ohne Anwälte zu reden. Ich würde aber nicht alleine gehen. Deshalb riet ich, einen zweiten Agenten in der Szene zu haben. Das wurde dann auch so umgesetzt.

Gefällt Ihnen der Film?

Ich hätte den Fokus anders gelegt und hätte die realen Ereignisse nachgezeichnet. Aber ich verstehe, dass Sex, Drogen und extremes Verhalten sich besser verkaufen. Mit einer Länge von drei Stunden war mir der Film aber doch etwas zu repetitiv, man hätte einige Szenen schneiden können. Bei einem längeren Flug sah ich einmal eine zensierte Version, die durch die fehlenden Szenen etwas kürzer war und mir deshalb auch besser gefiel. Man hätte auch mit weniger Sexszenen verstanden, dass sich bei Belfort alles darum drehte. Aber ich bin nur ein FBI-Agent, Martin Scorsese ist der Regisseur. Er weiss schon, was er da tut.

Haben Sie durch den Film etwas über Belfort erfahren, dass Sie vorher nicht wussten?

Im Film nicht, aber in seinen zwei Büchern. Ich mag übrigens das zweite Buch besser. Dort habe ich auch etwas Neues erfahren. Während der Ermittlungen hatte ich Belforts Hochzeitsvideo beschlagnahmt. Ich dachte mir, das sei der beste Weg, um seine engsten Freunde identifizieren zu können. Zusätzlich wollte ich den Druck auf seine Frau erhöhen, die ebenfalls in die Geldwäscherei involviert war. Doch eine Reaktion blieb aus. Im Buch erfuhr ich dann, dass es sie verrückt gemacht hatte. Meine Nachricht war angekommen.

Haben Sie Kontakt zu Belfort?

Das mag komisch klingen, aber ich habe Kontakt zu mehreren Leuten, die ich verhaftet habe. Es sind faszinierende Menschen. Ich habe nur mit wenigen wirklich enge Beziehungen, ich halte sie auf Distanz. Aber wenn Belfort im Land ist, rufe ich ihn an und gehe mit ihm Abendessen. Jeder zahlt aber seinen Teil der Rechnung selbst (lacht).

Was halten Sie von Belfort?

Kommt drauf an, ob wir von früher oder heute reden. Früher war er ein furchtbarer Typ, er hatte keinen moralischen Kompass. Er war arrogant und liess sein Geld für ihn reden. Durch den Verlust seines Geldes, seiner Familie und seiner Gefängnisstrafe, die meiner Meinung nach zu kurz war, hat er sich aber verändert. Ich glaube nicht, dass er noch der Gleiche ist. Ich wäre überrascht, wenn er wieder Verbrechen begehen würde. Dafür ist er zu intelligent und talentiert. Früher fehlte es ihm an Reife. Ich hoffe, er hat sich diese inzwischen angeeignet. Würde ich aber jemals erfahren, dass er wieder krumme Geschäfte macht, würde ich nicht zögern und meine Kollegen beim FBI anrufen. Ich hege keinen Groll gegen ihn, noch gegen alle anderen, die ich verhaftet habe. Es war nicht persönlich, es war mein Job.

Was halten Sie von dem Personenkult, der seit dem Film um Belfort entstanden ist?

Es ist beunruhigend. Viele junge und dumme Männer, denn es sind meist Männer, lassen sich zu leicht von den Dingen verführen, die im Film gezeigt werden, ohne die Konsequenzen zu verstehen. Man sollte vom Film lernen, und es nicht nachahmen wollen.

Ist Belfort ihr grösster Fall?

Nein. Es war einer meiner ersten. Ich hatte einige grössere, darüber darf ich aber nicht reden. Belfort ist mein zweitgrösster Fang. Es gibt aber viele solche Fälle. Der Unterschied ist nur, dass es Bücher und Filme darüber gibt.

Belfort hält die digitale Währung Bitcoin für Schwindel. Was halten Sie davon?

Ich bin kein Fan von Bitcoin. Ich vertraue Bitcoin nicht, weil ich überzeugt bin, dass die Währung manipuliert wird. Ich habe 17 Jahre lang Wertschriftenmanipulationen beobachtet. Bitcoins Wert ist sicher dreimal manipuliert worden. Das Grundkonzept finde ich grossartig. Ich bin überzeugt, dass es in Zukunft eine digitale Währung geben wird, die weltweit ausgetauscht werden kann. Diese wird aber von Regierungen kontrolliert werden, nicht von unabhängigen Dritten. Physische Währungen werden aber nicht verschwinden. Jedes Land, das von Naturkatastrophen heimgesucht wird, weiss, dass physisches Geld immer nötig sein wird.

Und welche Bedeutung werden Schweizer Banken in Zukunft haben?

Geheimhaltung war früher ein gutes Verkaufsargument, das heute nicht mehr akzeptabel ist. Die USA haben diesen Wandel aggressiv vorwärtsgetrieben. Schweizer Banken werden sich deshalb verändern müssen. Das wird der Industrie vielleicht zunächst schaden und sie zwingen, kompetitiver zu sein. Dank ihrer herausragenden Reputation werden eure Banken aber nie ihre Bedeutung verlieren.

Gregory Coleman ist der ehemalige FBI-Agent, der Belfort vor Gericht brachte. Er blickt auf eine 25-jährige Karriere im Bereich der Geldwäscherei zurück und trat diese Woche als Gastredner für das Institute for Compliance and Quality Management AG in Zürich auf. Die Firma beschäftigt sich mit der Beratung zur Bekämpfung von Geldwäscherei. Am 12. Oktober tritt er in Luzern auf.

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