Rheinfallkraftwerk-Idee im Zürcher Gegenwind

Alfred Wüger | 
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Die Grenze zwischen dem Kanton Schaffhausen und dem Kanton Zürich verläuft mitten durch den Rheinfall. Bild: Melanie Duchene

Vier Weinländer Kantonsräte haben zum Ausbau der Wasserkraftnutzung und zur touristischen Nutzung des Rheinfalls eine dringliche Interpellation an den Zürcher Regierungsrat eingereicht.

Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hat mit einer Vorlage vom 27. Oktober 2020 dem Grossen Rat eine ­Änderung des Wasserwirtschaftsgesetzes beantragt. Die Idee dahinter ist der Plan, zu prüfen, ob der Rheinfall stärker für die Energiegewinnung genutzt werden kann und soll. Insbesondere geht es um den Artikel 19 des Schaffhauser Wasserwirtschaftsgesetzes, der die Nutzung der Wasserkraft auf Schaffhauser Gebiet auf das heutige Mass der Ausnutzung beschränkt. Nun liegt der Rheinfall nicht zur Gänze im ­Hoheitsgebiet des Kantons Schaffhausen, sondern die Hälfte des Falles liegt im Kanton Zürich. Die Zürcher Seite zieht ungefähr gleich viele Besucherinnen und Besucher an wie die Schaffhauser Seite, nämlich rund eine Million jedes Jahr. Beide Kantone sind Mitglied der Interessengemeinschaft IG Rheinfall.

«Operativ beansprucht aber der Kanton Schaffhausen klar den Lead und behandelt den Kanton Zürich als ‹Juniorpartner›», schreiben die vier Zürcher Kantonsräte Markus Späth-Walter (SP, Feuerthalen), Martin Farner-Brandenberger (FDP, Stammheim), Konrad Langhart (CVP, Stammheim) und Paul Meyer (SVP, Mar­thalen) in ihrer dringlichen Interpellation, die sie im Februar an den Zürcher Regierungsrat eingereicht haben.

«Die Art, wie Schaffhausen den Gedanken ins Spiel gebracht hat, den Ausbau der Wasserkraft ausschliesslich am Rheinfall ins Auge zu fassen, ist für uns ein unfreundlicher Akt.»

Markus Späth-Walter, SP-Kantonsrat Feuerthalen

Dass die Kommunikation zwischen den Kantonen Zürich und Schaffhausen nicht zum Besten steht, greift dann auch gleich die erste Frage der dringlichen Interpellation auf: «Wurden die laufende Revision des Schaffhauser Wasserwirtschaftsgesetzes und die potenzielle Auswirkungen auf das Naturschauspiel Rheinfall und dessen touristische Bedeutung in den letzten ­Monaten in der Interessengemeinschaft Rheinfall thematisiert? Falls ja: Mit welchem Ergebnis? Gab es andere Kontakte zwischen der Schaffhauser und der Zürcher Regierung in dieser Frage?».

Intensive Zusammenarbeit nötig

Auf Anfrage wurde Kantonsrat Markus Späth-Walter noch deutlicher: «Die Kommunikation zwischen den beiden Kantonen funktioniert offenbar nach wie vor mehr schlecht als recht. Schaffhausen betrachtete den Rheinfall schon immer als sein eigenes Privileg, auf Zürcher Seite hat sich im Rahmen der gemeinsamen Interessengemeinschaft noch nie ein Regierungsrat persönlich um den Rheinfall gekümmert. In Schaffhausen dagegen ist der Rheinfall Chefsache.» Dass Schaffhausen dominant auftrete, liege am Desinteresse von Zürich. «Und das ärgert uns im Weinland. Mein Anliegen ist es, dass Zürich und Schaffhausen endlich einmal intensiv und auf Augenhöhe zusammenarbeiten, um die Werthaltigkeit des Rheinfalls zu verbessern.» Und so will die dringliche Interpellation auch wissen, wie der Zürcher Regierungsrat die geplante Revision des Schaffhauser Wasserwirtschaftsgesetzes «vor dem Hintergrund der zürcherischen Gesetzgebung im Bereich der Flusswassernutzung» beurteilt. «Die Art, wie Schaffhausen den Gedanken ins Spiel gebracht hat, den Ausbau der Wasserkraft ausschliesslich am Rheinfall ins Auge zu fassen, ist für uns ein unfreundlicher Akt.»

Er höre, so Markus Späth-Walter, aus dem Kreis der Kantonsräte aus dem Norden des Kantons und auch von Naturschützern eine grosse Skepsis gegenüber einem neuen Kraftwerk am Rheinfall heraus. «Bei uns ist das Naturereignis Rheinfall ein Tabu, wie er es lange auch in Schaffhausen war. Dass dieses Tabu in Schaffhausen nun offenbar im Rahmen von Klimadiskussion und neuer Energiepolitik bröckelt, wundert mich.»

Natürlich sehe auch er selber den Zielkonflikt zwischen dem Naturschutz und der Förderung der erneuerbaren Energien, aber: «Ein unterirdisches Kraftwerk am Rheinfall, und es kommt ja wohl nur ein unterirdisches infrage, ist ein Milliardenprojekt. Dieses Geld in Wind- und vor allem Solar­energie zu investieren, wäre mit Sicherheit effizienter.» Kurz: «Eine Änderung des Schaffhauser Wasserwirtschaftsgesetzes, ausschliesslich um den Rheinfall energetisch intensiver nutzen zu können, macht ökologisch und ökonomisch keinen Sinn.» Ob das eine Kampfansage sei? «Eigentlich mehr ein ­eindringlicher Appell für eine intensivere ­Kooperation über den Rheinfall hinweg», so Markus Späth-Walter.

Eine merkwürdige Diskrepanz

Allerdings hat die dringliche Interpellation nicht nur eine allfällig verstärkte Nutzung der Wasserkraft am Rheinfall im ­Visier, sondern die vier Kantonsräte erhoffen sich, dass sich bei der Regierung, mindestens hinter vorgehaltener Hand, ein schlechtes Gewissen regt, weil sie sich nicht offensiver einbringt, denn: «Die Zürcher Regierung investiert wesentlich mehr kantonale Mittel am Rheinfall als der Kanton Schaffhausen.» Das sei eine merkwürdige Diskrepanz. «Zürich investiert viel und mischt sich kaum ein, Schaffhausen investiert wenig und beansprucht klar den Lead am Rheinfall», so Markus Späth-­Walter. Was er der Regierung des Kantons Zürich vorwerfe, sei, dass sie zwar investiere, aber dass es kein grundlegendes Konzept gebe. «Schon vor 12 Jahren habe ich gefordert, es müsse eine übergeordnete Untersuchung geben über die Entwicklung des Rheinfalltourismus, und zwar vom Rheinfall über Rheinau bis zur Tössegg und fürs ganze Weinland. Das ist die Zürcher Regierung bis jetzt schuldig geblieben. Vor allem vor dem Hintergrund des drohenden Atommüll-Endlagers kommt einer solchen Analyse höchste Bedeutung zu.»

Diese Zögerlichkeit der Zürcher Regierung verdanke sich, so der SP-Kantonsrat, den unterschiedlichen Zuständigkeiten. Das Volkswirtschaftsdepartement sei zuständig für den Tourismus, die Baudirektion hingegen für die Investitionen. «Der Tourismus müsste gründlich durchdacht werden, damit die bevorstehenden Investitionen in Laufen und auf der Klosterinsel Rheinau auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts realisiert werden könnten», sagt Markus Späth-Walter.

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