Wenn der Vorgesetzte ein Stressfaktor ist

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Rund ein Drittel aller Erwerbstätigen fühlt sich «häufig» oder sogar «sehr häufig» gestresst. Bild: Key

Führungskräfte spielen eine wichtige Rolle beim Stressempfinden ihrer Mitarbeiter, sagt Kurt Mettler, Geschäftsführer der SIZ Care AG.

von Jörg Riser 

Klar, wenn ein Mitarbeiter nicht arbeiten kann, bringt er seinem Betrieb nichts – oder jedenfalls weniger. Deshalb haben Schaffhauser Wirtschaftsverbände, Ärzteschaften und Sozialversicherungen eine Initiative gestartet, um Absenzen am Arbeitsplatz zu reduzieren. Im Mittelpunkt steht eine verstärkte Kooperation der am Prozess der Wiedereingliederung Beteiligten (siehe SN vom 9. November). Die Resonanz auf den Vorstoss war beachtlich; zur Vorstellung im Rahmen einer Erfa-Veranstaltung der Industrie- & Wirtschafts- Vereinigung im Altra-Ausbildungszentrum in Schaffhausen jedenfalls hatten sich zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft eingefunden. Ob sie alle die dort auch gleich vorgestellte «Absichtserklärung» unterschreiben beziehungsweise es noch tun werden, muss allerdings zur Stunde noch offenbleiben. Gewiss ist hingegen, dass auch Arbeitgeber gefordert sind. Dies machte einleitend, sozusagen in einem Einführungsreferat zum Thema, Kurt Mettler deutlich. Er ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der SIZ Care AG, Zürich, eines Unternehmens, das sich unter anderem mit Fragen des Gesundheits- und des Absenzenmanagements befasst. Und für Mettler ist erwiesen: Der Vorgesetzte spielt dabei eine wichtige Rolle.

Das ist umso bedeutender, weil psychische Probleme ein gewichtiger Faktor geworden sind. Rund ein Drittel aller Erwerbstätigen fühlt sich «häufig» oder «sehr häufig» gestresst, nahezu ein Drittel der Erwerbstätigen nimmt Medikamente ein. Die aufgrund von Absenzen anfallenden Kosten erreichen jährlich mehrere Milliarden Franken. Lediglich zwölf Prozent aller Erwerbstätigen empfinden «nie» oder nur «manchmal» Stress – eine ernüchternde Bilanz.

Sie muss Arbeitgeber schon deshalb interessieren, weil sie einer gesetzlichen Fürsorgepflicht unterliegen (der Arbeitnehmer trägt seinen Part mit der Treuepflicht). Sie postuliert zum Beispiel, dass ein Arbeitgeber die betrieblichen Einrichtungen und den Arbeitsablauf so zu gestalten hat, dass Gesundheitsgefährdungen und Überbeanspruchungen der Arbeitnehmer nach Möglichkeit vermieden werden. Nur: Da liegt noch viel im Argen.

Die Schweizer Arbeitgeber, meinte Mettler, seien für den Umgang mit psychisch erkrankten Arbeitnehmern nicht optimal gerüstet. Lediglich 20 Prozent der Schweizer Firmen halten Verfahren für den Umgang mit arbeitsbezogenem Stress (es gibt natürlich auch anderen) bereit. Das liesse sich ändern, zumal meistens eine ungenügende Arbeitsorganisation und -gestaltung Stress bewirke.

Konkret führen etwa zu hohe Arbeitsbelastungen, eine mangelhafte Arbeitsorganisation, eine fehlende Unterstützung, ausbleibende Rückmeldungen oder fehlende Anerkennung zu Stress. Ursachen, auf die ein Vorgesetzter einwirken kann – und muss. Dass die Wahrnehmungen von Vorgesetzten und Arbeitnehmern dabei weit auseinandergehen, ist durch Studien belegt. Nur: Es ist der Vorgesetzte, der sich in die Situation des Arbeitnehmers einfühlen muss, nicht umgekehrt. Denn wenn sich daraus Gesundheitsschäden ergeben, trifft den Arbeitgeber eine Schutzpflicht. Es lasse sich etwas tun, sagte Mettler: Mitarbeitergespräche gehören dazu oder der Abbau von Überstunden, neue Organisationsformen und – auch ein freundliches Wort.

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