Vom Herzinfarkt zum Neustart: Wie Alex Blunschi sein Leben nach dem Schicksalsschlag umkrempelte

Alexander Vitolić | 
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Keine Sorge, es geht ihm mittlerweile wieder ausgezeichnet: Alex Blunschi auf dem Herrenacker in Schaffhausen. Bild: Katharina Klemenz, Logez Hallau

Alex Blunschi gilt in den Medien als gemachter Mann. Mit Anfang 40 blickt er auf eine illustre journalistische Karriere zurück, in welcher er zuletzt die Programme von Radio SRF 3 und Radio SRF Virus verantwortete. Dann wäre er fast gestorben.

An einem Mittwoch im Juni 2022, kurz nach Mittag, spürte Alex Blunschi plötzlich eine Enge in der Brust. Der 42-Jährige erledigte auf dem Weg von einem Termin zum nächsten ein paar Einkäufe im Coop Fronwagplatz, als er sich auf einmal kraftlos fühlte und die Einkaufstasche auf dem Weg zum Auto in der Tiefgarage kaum mehr tragen mochte. «Die Luft im Parkhaus kam mir unerträglich abgestanden vor. Als ich meine Sachen auf der Rückbank verstaut hatte, ging ich nach oben auf den Herrenacker. Ich spritzte mir am Brunnen kaltes Wasser ins Gesicht. Doch es half nichts.»

Blunschi war geistesgegenwärtig genug, um zu begreifen, dass er dringend Hilfe benötigte. Er schleppte sich in die Apotheke in der Oberstadt, wo er den Betriebsleiter Daniel Tuor antraf. «Ich brauche Hilfe», das sei alles, war er herausgebracht habe, da hatte der Apotheker schon das Telefon in die Hand genommen und wählte den Notruf. «Verdacht auf Herzinfarkt», habe er ihn sagen hören. Zwei Stunden später lag Alex Blunschi im Kantonsspital Winterthur auf dem Operationstisch.

Verstehen, was passiert ist

Wenn es nach dem Medienprofi selber ginge, würde er diese Geschichte heute, eineinhalb Jahre später, gar nicht so hoch hängen, wenn man ihn porträtiert. Schliesslich gibt es noch ganz andere Dinge zu erzählen über den Weg des Flurlingers in die Selbstständigkeit, den er, inmitten einer erfolgreichen Berufskarriere, vor Kurzem eingeschlagen hat: vom Programmchef bei SRF zum Mediencoach und Berater für Unternehmen und Privatpersonen.

Ausschlaggebend für diesen Schritt war der Infarkt indes doch. Oder, besser gesagt, die Momente danach, die Tage und Wochen nach der Genesung. Und dieser eine Satz des behandelnden Arztes: «Wäre Ihnen das irgendwo auf dem Randen beim Velofahren passiert, dann hätte ich jetzt Bürodienst, und der Pfarrer würde eine Predigt vorbereiten.» Er hatte grosses Glück, dass er dem Tod von der Schippe gesprungen war.

«Wäre Ihnen das irgendwo auf dem Randen beim Velofahren passiert, dann hätte ich jetzt Bürodienst, und der Pfarrer würde eine Predigt vorbereiten.»

Ursache für den Infarkt sei eine familiäre Vorerkrankung, «etwas Genetisches», sagt Blunschi heute. Er war nicht übergewichtig, bewegte sich viel, rauchte nicht, fühlte sich nicht gestresst. Äussere Vorzeichen gab es keine, aber auch keine konkreten Ansätze, um zu verhindern, dass so etwas nicht wieder vorkommt. «Würden Sie rauchen, könnten Sie jetzt wenigstens damit aufhören», habe der Arzt zu ihm gesagt.

Die Lösung lag woanders, nämlich in seinem Kopf. Einige Monate nach der vollständigen Genesung nistete sich dort unversehens der fixe Gedanke ein, dass das Leben von einem Moment auf den anderen einfach vorbei sein könnte – auf dem WC, unter der Dusche, am Küchentisch, am Steuer. Einfach so und ganz plötzlich. «Ich bin jetzt nicht der Typ, der sich mit einem Glas Rotwein in der Hand auf den Balkon setzt und über das Leben nachdenkt.» Dennoch fragte er sich jetzt: Was möchte ich tun im Leben? Was macht mich glücklich?

Seine Firma, die Blunschi Story GmbH, ist eine der möglichen Antworten darauf. Blunschi hat eine Partnerin, zwei Töchter im Teenageralter und von seiner Wohnung in Flurlingen, die jetzt auch sein Arbeitsort ist, einen unverbaubaren Ausblick. «Natürlich haben mich viele Menschen gefragt, warum ich einen gut bezahlten Job beim SRF aufgebe, um mich selbstständig zu machen», erzählt er beim Kaffee am Küchentisch. «Aber es war die beste Entscheidung. Es fühlt sich grossartig an. Ich spare mir zwei Stunden Arbeitsweg, und wenn ich müde bin, lege ich mich eine Viertelstunde auf die Couch.» Keine stundenlangen Sitzungen, keine strategischen Diskussionen.

Verstehen, was anders werden soll

Dennoch ist es ihm wichtig, zu betonen, dass es keine leichte Trennung von seinem langjährigen Arbeitgeber und vielen Weggefährten war. Zumal er auch viele von ihnen selbst eingestellt und gefördert habe. «Es gab Tränen, auch von mir. Da arbeiten viele Menschen, die mir sehr wichtig sind.»

Es war zudem ein Abschied auf Raten: Nach seinem Austritt als Leiter der beiden Sender SRF 3 und SRF Virus Ende August verantwortete Blunschi zum Abschluss noch die grosse Sause zum 40-Jahre-Geburtstag des mittlerweile ikonischen Rockmusiksenders im vergangenen November.

Für den Schicksalsschlag ist der Journalist heute fast dankbar. Seine Erkenntnisse daraus gibt er auch in Vorträgen weiter. Die Situation habe ihm gezeigt, dass er sich in einer Art Hamsterrad befunden habe. «Ich war ein Manager», sagt Blunschi, «ich habe nur noch verwaltet, nicht mehr gestaltet.» Und selbst wenn es ihm «Kraft seines Amtes» möglich gewesen wäre, wieder mehr an der Front mitzuwirken, hätte es sich komisch angefühlt, den jungen Menschen, die er gefördert und ins Boot geholt hat, auf einmal das Rampenlicht zu nehmen.

Es ist allerdings nicht so, dass es nichts zu tun gebe. Zweimal an diesem Morgen muss Alex Blunschi einen Anruf wegdrücken, einmal verspricht er, nach dem Mittag zurückzurufen, wenn die Tochter wieder in der Schule ist. Am Abend wartet eine Deadline auf ihn. Und in einer anderen Sache geht es darum, eine junge Frau auf ein Interview mit einem internationalen CEO vorzubereiten, das sie live vor rund 1500 Menschen führen müsse.

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