«Kein Verkehrsmittel wird priorisiert»

Dario Muffler | 
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Stadträtin Katrin Bernath verteidigt das Vorgehen des Stadtrats in seiner Velopolitik. Sie räumt aber auch ein, dass es Nachholbedarf gebe. Archivbild Selwyn Hoffmann

Stadträtin Katrin Bernath zeigt Verständnis für die ­Kritik seitens der Velofahrer. Dass der politische Wille in Schaffhausen fehle, sich für sie einzusetzen, weist sie aber klar zurück.

Frau Bernath, Pro Velo Schaffhausen äusserte im SN-Interview scharfe ­Kritik: Es fehle der politische Wille, sich für Velofahrer einzusetzen.

Katrin Bernath: Dieser Aussage ­widerspreche ich ganz klar. Wir haben einerseits Beschlüsse aus der Vergangenheit, in denen das Velo als eines von verschiedenen Verkehrsmitteln berücksichtigt ist. Andererseits ist die Aktualisierung des Gesamtverkehrskonzepts aus dem Jahr 2008 in den Legislaturzielen des Stadtrats aufgeführt. Dabei werden die Ziele des Veloverkehrs ebenso wie auch die der anderen Verkehrsträger berücksichtigt.

Aber konkrete Projekte mit einem ­Umsetzungszeitpunkt liegen nur ­wenige bis keine auf dem Tisch ...

Wir waren bis anhin stärker auf planerischer Ebene tätig, das stimmt. Aber mit dem Duraduct wird ein Projekt vorangetrieben. Zudem laufen viele Sanierungs- und Bauprojekte, dabei arbeiten wir mit Pro Velo wie auch mit anderen Verkehrsverbänden zu­sammen. Zudem werden viele kleinere Massnahmen umgesetzt, beispielsweise die in einem Postulat geforderten roten Markierungen für die Sicherheit der Velofahrer. Der Wille des Stadtrats und des Grossen Stadtrats ist also sichtbar.

Ist dieses Gesamtverkehrskonzept nicht nur ein Papiertiger?

Meiner Meinung nach ist es das nicht. Es war die Grundlage für das ­Agglomerationsprogramm aus dem Jahr 2012. Viele bauliche Massnahmen wurden dort übernommen. Es gibt aber auch andere Massnahmen wie die Parkraumbewirtschaftung in den Quartieren, die bereits 2008 als Massnahme des Gesamtverkehrskonzepts formuliert wurde. Die Vorlage dazu hat der Stadtrat kürzlich verabschiedet, und der Ball liegt beim Grossen Stadtrat.

Also befinden wir uns noch auf der Flughöhe der «Grobziele»?

Nein, das stimmt nicht. Im Agglomerationsprogramm hat man Massnahmen für den öffentlichen, für den motorisierten und für den Langsamverkehr definiert. Verschiedene Projekte wurden bereits umgesetzt oder sind in Planung. Den Vorwurf, dass man mit der Realisierung von Projekten für den Langsamverkehr nicht weit sei, müssen wir uns aber gefallen lassen.

«Ich kann eine ­gewisse ­Unzu­friedenheit ­nach­vollziehen, dass noch nicht alle ­Projekte umgesetzt werden konnten.»

Wurde in den letzten Jahren also nur sehr wenig aus dem Agglomerationsprogramm umgesetzt?

Es ist nicht an mir, zu beurteilen, was in der Vergangenheit passiert ist. Das Agglomerationsprogramm umfasst einen Massnahmenplan und eine klar geregelte Finanzierung der Massnahmen. Aus meiner Sicht hat man aber versäumt, die personellen Ressourcen für die Umsetzung der Projekte sicherzustellen. Ich kann eine ­gewisse Unzufriedenheit aus Sicht des Veloverkehrs nachvollziehen, dass gerade diese Projekte noch nicht umgesetzt werden konnten. Es ist aber auch darauf hinzuweisen, dass auch auf städtischer Ebene schon mehrere Projekte des Agglomerationsprogramms realisiert wurden und von Beginn an klar war, dass die Umsetzung viele Jahre dauern wird.

Wieso hinkt man bei den Massnahmen für den ­Veloverkehr hinterher?

Es ist ein umfassendes Paket von Massnahmen. Nur weil wir von den grossen Projekten nichts realisiert haben, heisst das nicht, dass nichts für Velofahrer getan wird.

Woran plant man denn konkret?

Am Radweg zwischen Schaffhausen und Herblingen durch das Falkenareal oder auch an den Veloabstellplätzen am Bahnhof. Dabei geht es in einem ersten Schritt um punktuelle Verbesserungen, die momentan geprüft werden. Es geht bei allen Projekten immer darum, öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen, am Bahnhof sind etwa die SBB ein wichtiger Partner.

Abstellplätze, die zum Teil nicht überdacht sind ...

Es gibt verschiedene Stellen am Bahnhof, an denen man das Velo abstellen kann, zum Teil sind sie nicht überdacht, zum Teil überfüllt. Für kurzfristige Optimierungen habe ich den Auftrag erteilt, Möglichkeiten zu prüfen, die bisherigen Plätze besser zu nutzen oder zusätzliche Plätze zu realisieren.

Da geht in naher Zukunft also etwas?

Ja, jetzt liegen erste Ergebnisse vor. Ich empfinde das als wichtiges Thema. Die Umsetzung braucht aber auch hier Zeit, weil der Platz rund um den Bahnhof knapp ist und es zahlreiche Bedürfnisse gibt, die wir unter einen Hut bringen ­müssen.

Kommen wir noch auf andere Projekte zu sprechen, die in naher Zukunft anstehen, etwa die Sanierung der Rheinuferstrasse. Kommt es dort in Zukunft zu Konflikten zwischen Velofahrern und Fussgängern?

Es ist richtig, dass sich Fussgänger und Velofahrer den Promenadenweg entlang des Rheins teilen müssen. Nur, was wären die Alternativen gewesen? Entweder hätten sich die Auto- und die Velofahrer eine Spur ­geteilt, oder für jeden Verkehrsteilnehmer hätte es einen eigenen Streifen gegeben. Dann hätte man die bestehende Kragplatte zugunsten einer breiteren abbrechen müssen. Das wäre massiv teurer gewesen.

Auch die Situation an der Adler­strasse-Unterführung gefällt Pro Velo nicht. Wird sich dort etwas ändern?

Die Entschärfung der dortigen Situation für alle Verkehrsteilnehmer ist Teil des Agglomerationsprogramms. Es geht auch darum, diesen Verkehrsknoten des motorisierten Verkehrs zu entlasten. Die Abhängigkeiten der Kreuzung reichen bis zum Obertor, deshalb geht diese Realisierung nicht innerhalb eines Jahres. Bis Ende nächsten Jahres soll die neue Verkehrsführung aber klar sein. Bereits vorgezogen, wird die Sicherheit für die Velofahrer verbessert, indem eine eigene Grünphase geschaltet wird.

Müsste man aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse in der Stadt nicht die gesamte Verkehrsaufteilung von Grund auf nochmals überdenken?

Dann wären wir in der Zeit, als man ganze Häuserzeilen abgerissen hat, um grosse Alleen zu bauen. Heute sind wir in einer ganz anderen Situation. Wichtig sind auch kleinere Dinge und kontinuierliche Verbesserungen, dann wenn Sanierungen an­stehen.

Ist das nicht einfach nur «Pflästerli-Politik?

Ich glaube, dass es beides braucht. Einerseits die grossen Projekte, in denen man grosse Investitionen in die Infrastruktur tätigt. Andererseits ist es geradeso wichtig, dass man regelmässig kleinere Optimierungen vornimmt.

Als klein kann man auch die Ver­besserungen für Velofahrer in der Stadt Schaffhausen beschreiben. Wieso geht das so langsam?

Einerseits gehen Planungsprozesse einfach lange. Andererseits sind wir in unseren personellen Ressourcen beschränkt.

Es kann aber auch die Folge einer ­Priorisierung sein. Zieht der Stadtrat den öffentlichen Verkehr dem Langsamverkehr vor?

Seitens der Stadt gibt es keine Priorisierung des einen gegenüber einem anderen Verkehrsmittel. Wir ­haben verschiedene Verkehrsträger, die alle ihre Berechtigung haben. Dass jetzt zwei grössere Projekte im öffent­lichen Verkehr umgesetzt werden, ist sehr erfreulich. Das ist aber keine Aussage gegen ein anderes Verkehrsmittel. Verkehr darf man nicht von einzelnen Verkehrsmitteln aus denken, sondern am Schluss geht es um Mobilität.

Das ist ein ziemlich abstrakter Begriff. Was wollen Sie damit sagen?

Das heisst, dass ich möglichst schnell und komfortabel von A nach B will. Je nach Situation habe ich andere Bedürfnisse, wie ich ans Ziel kommen will. Diese unterschiedlichen Bedürfnisse und die Vorteile der verschiedenen Verkehrsmittel müssen in einer umfassenden Mobilitätsplanung berücksichtigt werden. Mit dem Langsamverkehr ist man in Städten, entgegen seiner Bezeichnung, oftmals schneller als beispielsweise mit dem Auto.

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