Gesucht: Jung, politisch und engagiert
Verlorene Sitze, veraltete Internetpräsentationen und Vorstände, die sich auseinandergelebt haben: Um die Jungparteien im Kanton Schaffhausen steht es derzeit nicht zum Besten.
So geht’s – Eine politische Partei gründen
In der Schweiz steht es jeder Person frei, eine Partei zu gründen. Am üblichsten ist die Form des Vereins. Die betreffenden Bestimmungen finden sich im Zivilgesetzbuch. Ein Verein/die Partei muss in den Statuten schriftlich festlegen: Zweck (politische Ausrichtung), Finanzierung und Organisation (Parteiorgane). Diese Bestimmungen gelten unabhängig davon, ob die Partei auf der Ebene Gemeinde, Kanton oder Bund oder auf verschiedenen Stufen gleichzeitig aktiv ist.
Obwohl Jungparteien auf die Unterstützung von Mutterparteien angewiesen sind, steht es ihnen frei, ihre eigene politische Ausrichtung unabhängig zu wählen. Jedoch sind die meisten Mitglieder einer Jungpartei auch Mitglied der Mutterpartei, wodurch die Möglichkeiten für Beteiligung oder Teilnahme als Kandidaten an Wahlen grösser sind.
Das hat wohl Symbolcharakter: Die Website der Jungen SVP (JSVP) Schaffhausen ist derzeit nicht aufrufbar. Das Einzige, was zu finden ist, ist ihr Auftritt auf der Website der SVP – unter «Sektionen». Der Inhalt der Seite ist hoffnungslos veraltet, so wird etwa unter den Mandatsträgern Daniel Preisig aufgelistet, und der ist mittlerweile 41 Jahre alt. Dazu muss man wissen: Mitglied bei der JSVP darf man nur bis zum Alter von 35 Jahren sein. Also, was ist da los? «Vielleicht wurde eine Rechnung nicht bezahlt», mutmasst Grossstadtrat Michael Mundt (SVP). Die Website der JSVP sei ganz klar vernachlässigt worden. Ein Grund könnte sein, dass sich der Vorstand laut Mundt in den letzten zwei bis drei Jahren auseinandergelebt hat. Das hat sich wohl auch bei den letzten Kantonsratswahlen gezeigt: Von einstmals drei Sitzen blieb einer übrig. Fazit: Die JSVP ist eingeschlafen. Aber damit steht sie nicht allein da.
«Es lief ja so weit alles»
Den Jungfreisinnigen Schaffhausen (JFSH) geht es nicht besser: Zwar ist ihre Website online geschaltet, aber die Mitgliederzahlen der Partei stagnieren. «Wenn sie nicht sogar eher etwas rückläufig sind», gesteht JFSH-Grossstadtrat Andreas Hauser ein. Vor zehn Jahren sei die Partei noch sehr aktiv gewesen. «Wir waren immer 20 bis 30 Leute, die etwas gemacht haben», sagt er. Da habe man nicht so auf den Nachwuchs geschaut: «Es lief ja so weit alles.» Mittlerweile ist die Situation jedoch eine andere: Hauser ist nun 30 Jahre und JFSH-Kantonsrat Marcel Montanari wird 32 Jahre alt. Aus den Jungen, einige davon Studenten, sind Berufstätige geworden. Viele davon arbeiten in Zürich, so wie Hauser selbst. Für grössere politische Aktivitäten fehlt ihnen nun die Zeit. Bei den Wahlen 2016 kam die Quittung: Die JFSH haben sowohl im Kantonsrat als auch im Grossen Stadtrat einen Sitz abgeben müssen. Jetzt sind sie jeweils nur noch mit einer Person vertreten.
«Keine Nachfrage»
Und so geht es weiter: Die Junge CVP (JCVP) Schaffhausen besteht nur noch auf dem Papier. «Sie ist zurzeit nicht aktiv», sagt Simone Stöcklin, Vizepräsidentin der CVP Schaffhausen. Der Grund: keine Nachfrage. Die einstigen Mitglieder würden sich nun in der Mutterpartei engagieren.
Anders hat es dagegen die Ökoliberale Bewegung Schaffhausen (ÖBS) gehandhabt – sie hat gleich gar keine Jungpartei. «Wir sind überaltert», sagt Kantonsrat Roland Müller. Er freue sich über den Zuspruch der Jungsozialisten (Juso) und der Alternativen Liste (AL), die der ÖBS noch am nächsten stünden. «Den Nachwuchs hat man bei der ÖBS leider etwas vernachlässigt», gibt er zu. Und auch die Grünliberalen (GLP) haben in Schaffhausen keine Jungpartei.
Am aktivsten scheinen derzeit noch die Juso zu sein. Seraina Fürer, die für die Partei im Kantonsrat sitzt, ist auf jeden Fall zufrieden. «Viele sind bei uns sehr engagiert», sagt sie. Regelmässig, etwa alle sechs Wochen, gebe es eine Vollversammlung. Derzeit ist es vor allem die 99-Prozent-Initiative, die die Juso Schweiz lanciert haben, die sie unterstützen. «Wir sammeln Unterschriften dafür», sagt Fürer.
Und wer sonst noch jung ist und sich politisch engagieren möchte, geht wohl in Schaffhausen noch am ehesten zur AL. Wobei diese, streng genommen, zwar als junge Partei einmal begonnen hat, die Hauptverantwortlichen aber ihre 20er schon hinter sich gelassen haben.
Es braucht neue Vorstände
Trotzdem scheint es Hoffnung zu geben. Denn fast alle geben an, dass sie sich reorganisieren wollen: Die JSVP will ihre Website überarbeiten und künftig vermehrt auf soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter setzen. Aus-serdem soll es einen neuen JSVP-Vor- stand geben. Generell sei ein grosser Neustart für den März 2018 geplant, erklärt Michael Mundt, der sich dafür engagiert. Die JFSH wollen ebenfalls ihr Präsidium neu besetzen, junge Menschen um die 20 Jahre rekrutieren und haben nach eigener Auskunft auch schon ein paar Interessenten. Und die ÖBS ist gerade daran, etwas aufzubauen.
Es gibt Visionen und Ideen
Konkretere Pläne gibt es da schon bei der GLP Schaffhausen: Die Jüngeren in der Partei, darunter Silvan Baumann, 25 Jahre alt, haben sich vor ein paar Wochen mit Pascal Vuichard, Co-Präsident der JGLP Schweiz, auf ein Bier getroffen. Dazu wurden alle, die Interesse hatten, etwa über Twitter eingeladen. Langfristiges Ziel: eine Jungpartei zu gründen.
Aber das stehe laut Baumann eigentlich nicht primär im Vordergrund. «Es geht darum, dass wir in einer anderen Form Politik machen wollen», sagt er, «die Jugend in Schaffhausen hat eine grosse politische Affinität.» Es gebe Visionen und Ideen. «Es muss doch möglich sein, diese abzugreifen und unterstützen zu können», sagt Baumann. Generell würden sich heute junge Menschen lieber konkret für bestimmte Themen und Ideen einsetzen. Aber sobald es darum gehe, in eine Partei einzutreten, gehe bei vielen Jugendlichen «so etwas wie eine Wand hoch». «Deshalb wollen wir zunächst eine Art Plattform anbieten, um uns locker auszutauschen und dann zu wachsen», sagt er. Soziale Medien werden dabei eine starke Rolle spielen. «Wer eine Lehre macht oder irgendwo ausserhalb studiert, für den ist es oft schwer, sich nebenbei daheim noch zu engagieren», sagt er. Slack, ein Chat für Einzelne sowie Gruppen, wo unter anderem auch gemeinsam an Dokumenten gearbeitet werden könne, würde solche Grenzen aufbrechen. So habe es dort laut Baumann unter den Jugendlichen gerade zum Thema «No Billag» eine super Diskussion gegeben.