Denkmalpflege kommt vors Volk
Fundamental verschiedene Positionen traten im Schaffhauser Kantonsrat beim Denkmalschutz zutage. Was sollen, was dürfen die Gemeinden eigenverantwortlich regeln?
Sätze zur Situation
Thomas Hauser (FDP, Schaffhausen): «Sehr geehrte bereits anwesende Kantonsparlamentarier …» Hauser macht nach der halbstündigen Pause gern auf die Minute genau weiter, während die Parlamentarier oft sogar fraktionsweise verspätet in den Saal tröpfeln.
Christian Heydecker (FDP, Schaffhausen): «Schau mir in die Augen, wenn ich mit dir spreche!» An Urs Capaul (ÖBS), dem er vorwarf, einen gesetzlichen Sachverhalt absichtlich falsch zu interpretieren.
Richard Bührer (SP, Thayngen): «Bisher haben hier viele Theoretiker geredet, jetzt sollte mal jemand aus der Praxis sprechen.» Bührer sass lange in einer Gemeindeexekutive – dies tatsächlich im Unterschied zu vielen anderen Rednern.
Raphaël Rohner (FDP, Schaffhausen): «Trauen Sie den Gemeindebehörden ruhig etwas zu.» Ein Votum pro Subsidiarität.
Jürg Tanner: «Immer wenn es auf der rechten Seite laut wird, dann habe ich recht.» Die Bürgerlichen hatten lautstark auf eines seiner Voten reagiert.
Andreas Schnetzler (EDU, Gächlingen): «Ich staune über diesen Antrag, wir sind noch nicht mal bei den wirklich strittigen Themen …» Über einen früh gestellten Rückweisungsantrag.
Markus Müller (SVP, Löhningen): «Tote mumifizieren wir ja auch nicht mehr heutzutage. Aber Gebäude will man in grosser Zahl vor jeglichen baulichen Eingriffen schützen.»
Regierungsrat Martin Kessler: «Ich bitte Sie, jetzt Ihren Speichel zu sammeln und diesen trockenen Brocken herunterzuschlucken.» Vor der Schlussabstimmung über die Denkmalpflege-Revision, die Kompromisse von allen Seiten erfordert hatte.
Raphaël Rohner, zum Zweiten: «Ich werde zustimmen, aber mit einem Knurren.»
Und dann wurde es plötzlich sehr emotional und grundsätzlich. «Kein Zweifel, Sie demontieren hier gerade den lokalen Denkmalschutz. Sie alle auf der bürgerlichen Seite sind Heuchler, weil sie zwar immer ein identitätsstiftendes Heimatgefühl beschwören, aber nun dafür sorgen, dass sich der Staat nur ja nicht für einen sorgfältigen Umgang mit unserem historischen Erbe einsetzen kann», fasste Jürg Tanner (SP, Schaffhausen) seinen Unmut zusammen. «Das ist ein infame Unterstellung», gab Christian Heydecker (FDP, Schaffhausen) zurück. «Am Denkmalschutz ändert sich kein Komma, kein Jota nur die Zuständigkeiten werden neu geregelt und zwar konsequent nach dem bewährten Subsidiaritätsprinzip.»
Verhärtete Fronten
Bei der Teilrevision des kantonalen Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) für den Bereich der Denkmalpflege hatten sich schon in der ersten Lesung Gräben aufgetan zwischen jenen, welche die Gemeinden in jedem Fall zum Einholen einer denkmalschützerischen Stellungnahme vor baulichen Vorhaben an kommunal geschützten Objekten verpflichten wollen – und jenen, die es den kommunalen Behörden freistellen wollen, ob sie bei solchen Änderungen die (neu kostenpflichtige) Beratung der kantonalen Denkmalfachstelle oder einer anderen professionellen Denkmalschutzorganisation einholen sollen. Die Diskussion, wohlgemerkt, dreht sich um den Umgang der Gemeinden mit ihren «nur» kommunal geschützten Objekten, also solchen, die nicht bereits in einem kantonalen oder gar nationalen Schutzinventar enthalten sind – also zum Beispiel Bauernhäusern, Brunnen, Scheunen, aber auch bei Ortsbildern, die die Gemeinde selber als schützenswert aufgelistet hat. So weit, so abstrakt.
Die Gesetzesrevision wurde nötig vor dem Hintergrund neuer nationaler Vorgaben und mit dem Ziel einer Entlastung der kantonalen Fachstelle für Denkmalpflege, die bisher die Gemeinden gratis beraten hat.
Der Zwang für die Gemeinden, vor jeder Massnahme an einem lokalen Denkmalschutzobjekt die Meinung des Denkmalschutzes einzuholen, sei kontraproduktiv, warnte Christian Heydecker (FDP, Schaffhausen): «Besteht kein Zwang, werden die Gemeinden im Zweifelsfall eher grosszügig sein im Einholen von fachlichem Rat.» Auch bestehe die Gefahr, dass Gemeinden einfach weniger Objekte auf ihre Schutzliste nähmen, wenn sie befürchten müssten, bei baulichen Massnahmen jedes mal ein Gutachten einholen zu müssen.
Die bürgerliche Mehrheit in der vorberatenden Kommission hat deshalb einen Kompromiss erarbeitet: Wenn ein Gemeinderat eine Baubewilligung für eine bauliche Änderung an einem solchen Objekt erteilt, dann erhält das kantonale Baudepartement eine Kopie. Sehen die Fachleute den Denkmalschutz tangiert, dann können sie beim Regierungsrat innert 30 Tagen einen Rekurs einlegen. Alternativ können Kritiker auch vom Verbandsbeschwerderecht Gebrauch machen. Diese Notbremsen reichten indes gestern Vertretern von SP, ÖBS und GLP nicht – sie forderten die Pflicht für die Gemeinden. «Das Know-how ist in den Gemeinden schlicht nicht vorhanden in der Praxis.», sagte Andreas Frei (SP, Stein). Was man mit der Freiwilligkeit mache, sei «Sterbehilfe für lokale Schutzobjekte» (Kurt Zubler, SP, Schaffhausen).
Das Subsidiaritätsprinzip hielten dagegen die Bürgerlichen hoch. Raphael Rohner gab aber auch zu bedenken, dass bei Rekursen die Unvoreingenommenheit der beratenden Fachleute im Baudepartement fraglich sei. Aber diese Kröte gelte es zu schlucken. Ein Antrag auf Rückweisung an die Kommission von Matthias Freivogel (SP, Schaffhausen) scheiterte. Josef Würms (SVP, Ramsen meinte: «Wir können zum Denkmalpflegegesetz nochmals fünf Kommissionssitzungen und eine Ratssitzung abhalten – es kommt nicht besser heraus, als es jetzt ist.»
In der Schlussabstimmung stimmte der Rat dem Gesetz mit 38 zu 16 Stimmen zu. Sieben Stimmen mehr und der Rat hätte das Gesetz von sich aus verabschieden können. Das letzte Wort zur NHG-Teilrevision hat damit nun das Volk.
Gestern im Rat
Vorsitz: Thomas Hauser (FDP, Schaffhausen)
- Der Kantonsrat hat die Teilrevision des Gesetzes über den Natur- und Heimatschutz im Kanton Schaffhausen (Bestimmungen zur Denkmalpflege ) in zweiter Lesung zu Ende beraten. Der Rat stimmte der Revision mit 38 zu 16 Stimmen zu. Damit kam keine Vierfünftelsmehrheit zustande. Das Gesetz untersteht damit dem obligatorischen Referendum und kommt vors Volk.
- Wasserstoff und Methan zur Stromerzeugung? In der Theorie ist das eine gute Idee, für Schaffhausen lohnt sich die so genannte Power-to-Gas-Technologie aber nicht. Zu diesem Schluss ist der Kantonsrat einstimmig gekommen. Er hat eine entsprechende Studie der Kantonsregierung bestätigt. Die Idee ging auf ein Postulat von Jeanette Storrer zurück.