Hinrichtung auf Musical-Bühne

Daniel Jung Daniel Jung | 
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Symbolbild

Im Jahre 1782 wurde in Glarus eine Frau zum Tod durch das Schwert verurteilt. Das Urteil des Glarner Rats wurde umgehend vollstreckt. Angeklagt worden war die Frau der Hexerei: Unter anderem soll sie mehrmals Stecknadeln in Trinkgefässe mit Milch gezaubert haben. Die Hinrichtung der Anna Göldi war die letzte von den ­Behörden durchgeführte Hexenhinrichtung der Schweiz. Sie rief europaweit Empörung hervor.

Am 7. September nun soll in Neuhausen am Rheinfall «Anna Göldi – Das Musical» seine Premiere feiern. Auch in dieser Zeitung wurde bereits mehrfach über das kulturelle Grossprojekt berichtet. Dabei tauchte jeweils die Frage auf, ob man mit einem Musical an ein solch erns­tes Thema herantreten könne. Darf man aus einem frauenverachtenden Wahn musikalische Unterhaltung machen?

Ja, man darf.

Niemand kritisiert, wenn sich ein Theaterstück im Schaffhauser Stadttheater mit dem Leben und dem gewaltsamen Tod des amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King befasst. Keiner stört sich daran, wenn Hollywood sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in einem Spielfilm behandelt («Spotlight») oder wenn ein Autor einer Romanfigur eine schwierige Vergangenheit in einem Konzen­trationslager gibt («Der Vorleser»).

Die gegen «Anna Göldi» geäusserten Vorbehalte haben wohl stark mit der Kunstgattung des Musicals zu tun. Jedoch gibt es auch hier genügend Beispiele, wo es dieser Form des populären Singspiels gelingt, sehr ernste Themen vielschichtig zu verhandeln – vom Klassiker «Jesus Christ Superstar» bis hin zum aktuellen Hit «Hamilton».

Wir wissen noch nicht, ob «Anna Göldi» ein gutes Musical wird. Dass sich die Verantwortlichen ein ernstes Thema ausgewählt haben, ist dafür aber kein Hinderungsgrund.

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