«Wir haben keine Zeit» ist die faulste aller Ausreden

Iris Fontana | 
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Innovationsprojekte scheitern oft schon ganz früh. Bild: pexels.com

Innovation anzustossen, ist etwas vom Herausforderndsten für Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Oft stehen eingespielte Abläufe und Verhaltensmuster dem Prozess im Weg. Was also tun? Wir vom Zahltag haben uns auf die Schulbank gesetzt und bei einer Impulsveranstaltung zum Thema «Innovationshack» genau hingehört und mitgeschrieben. Durchgeführt wurde sie vom Institut für Kommunikation und Marketing (IKM) der Hochschule Luzern (HSLU). Natalie Breitschmid, Mitbegründerin der Zuger Beratungsboutique für Capability Development Sinodus AG, Buchautorin und Dozentin an der HSLU, gab einen Einblick in ihren reichen Erfahrungsschatz und legte den Finger vor allem auf die Ausreden, die uns im Berufsalltag so häufig begegnen.

Das «Management Summary» gleich zu Beginn: Innovation scheitert in einem Unternehmen meist schon ganz am Anfang. Beim Einbezug oder eben dem fehlenden Einbezug der Kunden. Und dann ist die ganze Mühe umsonst. Hinzu kommen die Klassiker, die wir wohl alle aus unserem Berufsalltag kennen, nämlich die grossen, häufig faulen Ausreden.

Expertin Natalie Breitschmid hat die Ausreden für die Impulsveranstaltung zusammengetragen und mit kleinen Beispielen untermalt:

Ausrede Nummer eins: «Es geht nicht»

Manchmal führen nur Umwege ans Ziel, die man zu gehen bereit sein muss. Natalie Breitschmid ist einst von einem Grossunternehmen beauftragt worden, den Erlebnisprozess von Bewerbern neu zu gestalten und insbesondere dafür zu sorgen, dass selbst abgelehnte Kandidaten dem Unternehmen noch Sympathie entgegenbringen. Um Einsichten zu sammeln, war es natürlich wichtig, Interviews mit abgelehnten Bewerbern durchzuführen. Trotz grossem Aufwand liess sich jedoch kein einziger abgelehnter Bewerber finden, der zu einem Gespräch bereit gewesen wäre. So musste eine andere Lösung her. Die bestand darin, sich der Situation anzunähern, indem Mitarbeiter befragt wurden, die gerade erst im Unternehmen begonnen hatten. Zudem wurde eine Zusammenarbeit mit einer neutralen Forschungsagentur aufgegleist, der es aufgrund ihrer Neutralität gelang, regelmässige Erhebungen vorzunehmen. Als weitere Massnahme beauftragten Breitschmid und ihr Team zudem Personen, sich für sie zu Testzwecken auf einen Job in der Firma zu bewerben und ihr konkretes Erleben festzuhalten. Was am Anfang also aussichtslos erschien, konnte über Umwege doch erreicht werden.

Natalie Breitschmid

Natalie Breitschmid Innovation

Die gebürtige Bernerin Natalie Breitschmid hält einen Master in Project Management sowie verschiedenste Zertifizierungen in Kundenzentrierung, Innovation und Agilität. Als ehemalige Leiterin Human Centered Design HR, Geschäftskunden und Prototyping & User Testing bei Swisscom und als international tätige Beraterin und Expertin für Customer Experience hat sie Erfahrung darin, kundenzentrierte Innovationen in Unternehmen voranzutreiben. Sie ist Co-Autorin der beliebten «Das Design Thinking Playbook» und «Das Design Thinking Toolbook»-Serie und unterrichtet an der Hochschule Luzern im Rahmen des CAS Digital Customer Experience.

Ausrede Nummer zwei: «Wir dürfen nicht»

Diese Ausrede verdeutlicht Breitschmid mit der Geschichte über einen Auftrag, bei dem es galt, für ein Unternehmen eine kundenzentrierte Idee auszuarbeiten. Wie immer wollte Breitschmid schon ganz früh im Prozess Kunden einladen, um deren Feedbacks zu der noch nicht spruchreifen, frisch entwickelten Strategie einzuholen. Dabei stiess sie jedoch auf grossen Widerstand der Geschäftsbereichsleiter. Breitschmid: «Die Frage, die man sich in einer solchen Situation stellen muss, lautet: ‘Was kann passieren, wenn ich es trotzdem tue, beziehungsweise was passiert, wenn ich es nicht tue’.» Sie konnte ihren Standpunkt durchsetzen und die sorgfältig ausgewählten und informierten Kunden, die schliesslich den Pitch vorgeführt bekamen, fühlten sich sehr geehrt, so früh in die Angebotsgestaltung mit eingebunden zu werden und wahrten die Vertraulichkeit. Die Organisation ihrerseits konnte viele wertvolle Insights gewinnen und wichtige organisationale Anpassungen vornehmen.

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Ausrede Nummer drei: «Wir haben keine Zeit«

Dies ist laut Breitschmid die faulste aller Ausreden. Klar, die Zeit fehlt eigentlich immer. Aber es gebe so viele verschiedene Möglichkeiten, Einsichten auch anders zu gewinnen als in einem gewöhnlichen Kundenbefragungsprozess, bei dem gar noch der Verkauf miteinbezogen werden müsse. Sie präsentierte den Fall, dass Einsichten in einem B2B-Umfeld (Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen) generiert werden sollten. Einer ihrer «Hacks»: Jeder aus dem Team sucht in seinem eigenen Netzwerk geeignete Zielpersonen und geht diese unkompliziert an. Und schon sind Kundenstimmen da. Mit den heutigen Vernetzungsplattformen wie LinkedIn oder Xing ist das eine einfache Sache. Daneben berichtete Breitschmid von ihren Erfahrungen mit den heute zahlreich existierenden Online- und KI-gestützten Testlösungen, mit denen sehr schnell sehr viel Input generiert werden kann. Eine weitere gut bewährte Methode ist es selbstverständlich, wenn versierte Mitarbeiter, die häufig in direktem Kundenkontakt stehen, Feedbacks sammeln und proaktiv Kunden in ein natürliches Gespräch verwickeln und so gewünschte Einschichten erhalten.

Wie also mit den Ausreden umgehen und in einer Organisation eine offene Innovationskultur etablieren? Breitschmid hat dafür ein kleines Denkmodell parat, das für Auswege anstatt Ausreden steht:

Grafik Hack for Innovation

1. Als erstes müssen die Barrieren erkannt, benannt und im Gespräch beseitigt werden. Zudem ist es wichtig, sich genau zu überlegen, worin denn das eigentliche Problem besteht.

2. Danach geht es an die Denk- und Analysearbeit. Dabei sollten folgende Fragen gestellt werden: Warum tritt diese Situation auf, was ist das beobachtete Verhalten? Wo sind die Hindernisse, wo liegen Risiken?

3. Als nächstes steht die Entwicklung von Alternativen und Ideen an: Wie, wo und vielleicht mit wem können wir die besten Einsichten generieren?

4. Zuletzt gilt es dann die Idee auszuprobieren und zu schauen, ob die gewünschten Ergebnisse erzielt oder Einsichten erlangt werden. Ansonsten gilt es, mit einem neuen Versuch den Prozess zu wiederholen.

Zugegeben: Das war ein sehr kurzer Einblick in ein grosses Themenfeld und wie gewöhnlich wird sich die Umsetzung in den Alltag nicht einfach gestalten. Dennoch haben uns die Zusammenstellung der Ausreden und die Testfragen zum Nachdenken angeregt. Und das ist bekanntlich der erste Schritt zur Verbesserung.

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