Grosszügiger Kanton - unfair gegenüber der Privatwirtschaft?

Iris Fontana | 
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Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, ist das Gesamtpaket an Mitarbeiterleistungen ausschlaggebend. Bild: pixabay.com

19 Wochen Mutterschaftsurlaub sollen Mitarbeiterinnen des Kantons künftig beziehen können und zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin aussetzen müssen. Wie ordnet die Wirtschaft diesen Vorschlag des Regierungsrats ein? Empfindet sie diesen mit Steuern finanzierten Mutterschaftsurlaub als unfairen Wettbewerb im Kampf um Arbeitskräfte? Wir fragen nach bei Marlen Weber, Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der Bildungs- und Personalkommission der Industrievereinigung Schaffhausen IVS sowie Head of Global Compensation & Benefit SIG Services AG.

Frau Weber, was sagen Sie zum vorgelegten Umsetzungsantrag des Regierungsrats, der 19 Wochen Mutterschaftsurlaub inklusive zwei Wochen obligatorischen Urlaub vor dem Geburtstermin beinhaltet?

Marlen Weber: In meiner ganzen Karriere habe ich es nur einmal erlebt, dass eine Frau wirklich bis zum Tag der Geburt gearbeitet hat, deshalb erachte ich dieses Obligatorium von zwei Wochen Mutterschaftsurlaub vor dem errechneten Geburtstermin als kein wirklich grosses zusätzliches Verkaufsargument.

Sie empfinden es also nicht als unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Privatwirtschaft?

Weber: Für eine Einstufung als attraktiver Arbeitgeber ist meiner Ansicht nach viel mehr als der blosse Teilaspekt des Mutterschaftsurlaubs ausschlaggebend. Es handelt sich dabei ja nur um ein Thema, das einen relativ kleinen Teil der Arbeitnehmenden überhaupt betrifft und auch für diese ist es nur ein Aspekt unter anderen. Für Arbeitnehmende viel wichtiger ist meiner Meinung nach das Gesamtpaket an Leistungen, zu welchem vor allem auch die Altersvorsorge und sonstige Benefits zählen. Aber klar, für Frauen, die es betrifft, ist es sicher wichtig, dass eine gute Regelung besteht und von dem her sicher ein Plus für den Kanton als Arbeitgeber.

Wissen Sie, wie die Regelungen bei IVS-Unternehmen im Kanton Schaffhausen aussehen?

Weber: Die grossen Industrieunternehmen, die Mitglied von Swissmem sind, unterstehen dem Gesamtarbeitsvertrag, in welchem 16 Wochen Mutterschaftsurlaub festgesetzt sind und in dem auch der Vaterschaftsurlaub geregelt ist. Ich kenne aber auch Firmen, die freiwillig erweiterte Leistungen sowohl für Mutter- wie auch Vaterschaft anbieten.

Für den Staat und grosse private Betriebe ist die Ausweitung des Mutterschaftsurlaubs vielleicht kein grosser Lupf, aber ist dies für KMU keine Überforderung?

Weber: Klar ist es für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in vielen Bereichen der Mitarbeitervergütungen schwierig, mit den grossen Firmen mithalten zu können. Dafür haben sie andere Vorteile wie Übersichtlichkeit oder Flexibilität, die sie ausspielen können.

Marlen Weber
«Für eine Einstufung als attraktiver Arbeitgeber ist meiner Ansicht nach viel mehr als der blosse Teilaspekt des Mutterschaftsurlaubs ausschlaggebend.»

Wird aber der Staat mit solchen Massnahmen, die er mit Steuergeldern finanziert – wie beispielsweise auch im Lohnbereich – nicht immer mehr zur Konkurrenz für die Privatwirtschaft?

Weber: Grundsätzlich stehen alle Arbeitgeber – ob privat oder staatlich – in Konkurrenz zueinander. Ich bin überzeugt, dass die Privatwirtschaft im Vergleich höchst attraktive Arbeitsstellen und Bedingungen bietet. Staatsbetriebe konkurrenzieren jedoch in gewissen spezifischen Branchen wie zum Beispiel Betreuung und Schule private Kleinbetriebe sehr – es sei hier nur ein Beispiel genannt: Das «ready to teach»-Programm bietet wesentlich attraktivere Anstellungsbedingungen als etwa private Kinderbetreuungseinrichtungen es können und stellt eine problematische Konkurrenz dar.

Spricht die IVS Empfehlungen im Bereich Mutterschaftsurlaub aus?

Weber: Nein, als IVS geben wir keine Empfehlungen ab.

Wären nicht andere Modelle, in die auch Männer stärker miteingebunden wären, nötig, gerade auch um geschlechtsspezifische Ungleichheit abzubauen?

Weber: Dies ist sicher die Zukunft und wird irgendwann kommen. Das heutige System wird flexibler werden müssen, auch im Bereich der Arbeitsaufteilung Mann Frau. Eine solche Veränderung soll meines Erachtens aber vom Gesetzgeber auf nationaler Stufe ausgehen. Wahrscheinlich muss die Zeit dafür einfach noch reif werden. Die Herausforderung wird sicher sein, ein ausgewogenes Modell zu finden, das noch finanzierbar ist für Arbeitgeber wie auch die Erwerbsersatzordnung, welche den gesetzlichen Teil der Mutterschaftsleistungen zahlt.

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