«Wirklich zufrieden ist heute wohl kein Velohändler mehr»

Iris Fontana | 
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Auch wenn die Zahlen grandios scheinen, ist nicht alles eitel Sonnenschein im Velogeschäft. Archivbild: Melanie Duchene

Die Velobranche hat turbulente Zeiten hinter sich. Während Corona wollte gefühlt jeder einen neuen Drahtesel, am liebsten mit Elektroantrieb. Dann kamen Lieferschwierigkeiten und andere Probleme. Und heute ist, so sagen es die Experten, der Markt ziemlich gesättigt. Wir verschaffen uns einen kurzen Überblick über den Velomarkt und lassen dann die sprechen, die es wissen müssen: Vier Schaffhauser Velohändler. Gute Fahrt.

Man muss sich diese Zahlen mal auf der Zunge zergehen lassen: Von 2005 bis 2022 stieg der Verkauf von Velos in der Schweiz von 277'000 auf satte 483'562 Stück pro Jahr (siehe Tabelle unten). Dabei ist vor allem die Zunahme an E-Bikes in dieser Zeitspanne von 1792 auf 218'730 Stück atemberaubend. Ins Auge sticht ausserdem der sprunghafte Anstieg 2020, als Corona begann und der erste Lockdown stattfand.

 

Veloverkauf 2005-2022

Sternli Erhebungsmethode
Quelle: Velosuisse

 

Die Zunahme spiegelt sich auch auf den Schaffhauser Velowegen wider. Die Werte werden an Velozählstellen aufgenommen, hier die Zahlen der Velozählstelle in der Enge Beringen:

Velozählstelle Beringen
Quelle: Pro Velo

 

Wir sehen: Es ging steil bergauf und ab 2021 bei den mit Muskelkraft in Fahrt gesetzten Velos wieder leicht bergab. Doch genug in Statistiken gekramt – lassen wir die Velohändler selbst zu Wort kommen und sich zur aktuellen Situation äussern:

Hansueli Russenberger

Hansueli Russenberger, Inhaber und Geschäftsführer Velo-Sport Russenberger

Diesen Frühling lief das Geschäft aufgrund des schlechten Wetters harzig. Erst auf den slowUp hin zog der Umsatz wieder an. Bei diesem Sonnenschein ist jetzt natürlich Hochbetrieb und es pressiert plötzlich jedem. Grundsätzlich hat die Coronazeit wieder sehr viele Leute zum Velofahren gebracht. Nach dem ganzen Hype hat sich die Situation mittlerweile wieder etwas beruhigt, der Markt ist ein Stück weit gesättigt. Zudem spüren wir auch die offenen Grenzen wieder. Auch ist der Trend nach E-Bikes weiterhin ungebrochen, wobei sich das Image, dass E-Bikes nur etwas für ältere Leute sind, grundlegend verändert hat. Wir haben auch sehr viele junge und sportliche Kunden, die sich dafür begeistern. Mittlerweile ist rund die Hälfte der verkauften Velos E-Bikes. Kassenschlager ist dabei das City-E-Bike, welches sowohl im Alltag, als auch für schöne Touren auf nichtgeteerten Strassen eingesetzt werden kann. Wissen Sie übrigens, was der neuste Begriff einiger Hersteller für ein Velo ohne Motor ist: Bio-Bike. Was den Preis betrifft, haben einige Lieferanten mittlerweile wieder zu viel Material an Lager und beginnen mit Rabattschlachten. Velos werden also eher wieder günstiger und der Preis wird sich wohl bei Vorcorona-Preisen einpendeln.

 

Pascal Lapierre

Pascal Lapierre, Inhaber bike café (verkauft keine E-Bikes)

Da ich ein Einmannbetrieb bin, läuft das Geschäft bei mir immer gleich und zwar Vollgas. Die Lieferengpass-Thematik ist noch nicht ausgestanden, wobei die Fälle sehr unterschiedlich sind und es sehr aufs Produkt und auf Spezialwünsche ankommt. Während Corona hat der Verkauf von Sportvelos etwas zugenommen. In den letzten Monaten liegt der Trend vermehrt bei Gravelbikes. Grundsätzlich kommt es aber immer auf den Kunden und sein Umfeld an, heisst: Was für ein Bike fahren die Kollegen. Wenn in Gruppen gefahren wird, wollen sie meist einen ähnlichen Velotyp wie die anderen haben. Meine meistverkaufte Produktgruppe sind Sportvelos, das heisst, alles ohne Schutzblech.

 

Urs Vogelsanger

Urs Vogelsanger, Gründer und Geschäftsführer von Randenbike

Mit dem Lockdown im März 2020 begeisterten sich Familien wieder neu fürs Velofahren und deckten sich mit allem Nötigen ein. Für uns entscheidend war, dass wir während des Lockdowns, als wir unser Geschäft schliessen mussten, mit unserem Webshop und unserer digitalen Präsenz am Start waren. Dies stellte sich als entscheidender Erfolgsfaktor heraus – wir konnten in dieser Zeit den Umsatz um bis zu 40 Prozent steigern. Natürlich ging dieser danach wieder zurück. Wir sind aber dankbar, dass es uns immer noch gut geht, verglichen mit Händlern, die vom digitalen Geschäft nicht profitieren konnten. Ausserdem verschlechterte sich in den letzten beiden Jahren mit dem Ukrainekrieg und den steigenden Energiepreisen die Situation weiter. Oft bekamen die Händler zudem ihre für den Frühling bestellten Waren erst im Herbst geliefert, als die Saison vorbei war. Für einige entwickelte sich dies zu einem realen Überlebenskampf mit vollen Lagern und Liquiditätsproblemen. Ausserdem half der Regen diesen Frühling nicht. So sind die Preise unter Druck geraten, gerade auch durch Händler, denen das Wasser bis zum Hals steht. Auch spüren wir, dass die Kunden wieder eher zurückhaltend Geld ausgeben. Meine Einschätzung ist, dass momentan Senioren, die ein E-Bike kaufen, den ganzen Handel stützen.

 

Frank Schaub

Frank Schaub, Shopleiter m-way E-Bike Filiale Schaffhausen

Nach Corona hat sich der E-Bike Verkauf wieder normalisiert. Die Nachfrage ist nach wie vor da und das Interesse am Velo weiterhin vorhanden. Gerade als Transportmittel ist das E-Bike zum Beispiel für den Arbeitsweg als Ersatz für die ÖV attraktiv. Im Bereich E-Bike spüren wir eigentlich keine Lieferengpässe mehr. So sind wir den Umständen entsprechend zufrieden – obwohl, wirklich zufrieden ist heute wohl kein Velohändler mehr. Die zahlrechen Unsicherheiten haben einen Einfluss auf die Ausgabefreudigkeit der Menschen. Geben sie heute Geld aus, dann oft lieber für Reisen, da diese nun wieder möglich sind. Auch wenn wir einen Onlineshop besitzen und dieser auch benutzt wird, verkaufen wir nach wie vor die meisten Zweiräder nach einer Beratung in unserem Fachgeschäft. Kauft jemand sein Velo im grenznahen Ausland, geht er danach auch dort in den Fachhandel und kommt nicht zu uns. Der aktuelle Trend bei Velos ist immer auch abhängig von der Region. So werden in grösseren Städten Cargo-Bikes zunehmen, im Raum Schaffhausen ist dafür die Infrastruktur jedoch nicht vorhanden.

Das kleine Velo-Einmaleins (kleiner Auszug)

 

Gravelbike

Gravelbike

Wurde früher als «Radquervelo» bezeichnet. Es ist ein Rennrad mit voluminöseren Reifen und entsprechend stabilem Rahmen, mit dem man auch Feld- und Waldwege befahren kann, ohne gleich eine Reifenpanne zu riskieren. Die Gangabstufung ist nicht ganz so fein wie am Rennrad.

 

E-SUV-Bike / Crossover E-Bikes

 

E-SUV-Bike öé/ Crossover Bike

 

E-SUV-Bikes werden auch als Crossover E-Bikes bezeichnet. Im Prinzip ist das ein voll mit Licht, Schutzblechen und Gepäckträger ausgerüstetes E-Mountainbike, dass sich auf jedem Terrain fahren lässt. Entsprechend hat es Federung an beiden Rädern oder mindestens am Vorderrad und bietet maximale Flexibilität, was den Nutzungszweck und das zu befahrende Terrain betrifft. Die Bereifung hat nicht ganz so grobe Stollen wie bei einem reinen E-Mountainbike, damit es auch auf befestigten Strassen gut rollt.

 

S-Pedeceles

S-Pedeceles

S-Pedeceles sind schnelle E-Bikes, die bis 45 km/h unterstützen. Sie sind hauptsächlich für den Strassenbetrieb vorgesehen, da es sich nicht gut macht, mit hohem Tempo durch den Wald und über Wanderwege zu flitzen. Da das hohe Tempo viel Energie benötigt, sind die Akkus meist grösser und entsprechend schwerer als bei anderen E-Bikes. 

 

Citybike 

City-Bike

Im Gegensatz zum Crossover E-Bike verfügt das klassische Citybike zwar ebenfalls über eine Vollausrüstung mit Licht, Schutzblechen und Gepäckträger. Es hat aber je nach Modell keine oder nur Vorderradfederung und verfügt über Strassenbereifung, die auch deutlich weniger voluminös sein kann. Denn der typische Einsatzbereich des Citybikes ist, wie es der Name sagt, die Stadt und asphaltierte Strassen.

 

E-MTB

E-Mountainbike

Ein robustes, vollgefedertes Offroad-Bike mit voluminöser Stollenbereifung, das für den harten Gebrauch auf ruppigen, wurzelübersäten Wegen mit hohen Absätzen konzipiert ist.

 

Quelle: Bilder und Beschreibungen stammen von Velosuisse.

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