Überraschung im Nussbaumersee

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Aus dem Mittelalter, nicht aus der Jungsteinzeit stammen die jüngsten Funde aus dem Nussbaumersee. Das hat die Archäologen des Kantons Thurgau überrascht.

von Wolfgang Schreiber

Eine Glasscherbe, hauchdünn, hält Simone Benguerel zwischen Daumen und Zeige­finger. Es ist ein Bruchstück eines Trinkglases aus dem Mittelalter. Mit ebenso viel Begeisterung zeigte die Leiterin der Archäologie des Kantons Thurgau Kachelofenbestandteile, natürlich von etwas gröberer Art, aber mit schönem Muster. Diese und viele andere Fundstücke aus den laufenden taucharchäologischen Untersuchungen im Nussbaumersee lagen gestern auf einem Tisch ausgebreitet in der Stammer Badi.

Simone Benguerel ist fasziniert von den neuen Funden, die in Bezug zur späteren Geschichte des Nussbaumersees stehen. Sie entsprechen zeitlich etwa dem Beginn der klösterlichen Tätigkeiten in Ittingen im hohen Mittelalter. Übrigens, so fügte der Thurgauer Kantonsarchäologe Hansjörg Brem hinzu: «Der Nussbaumersee gehört heute noch dem Kloster Kartause Ittingen beziehungsweise der Stiftung Kartause Ittingen.» Seit dem Mittelalter hat der Nussbaumersee dem Kloster als Fischwasser gedient. Die Funde der Taucher aus der laufenden Untersuchung bestätigen vermutlich das legendäre Fischerhaus des Klosters beim Inseli des Sees.

Steinbeil aus der Jungsteinzeit

Die mittelalterlichen Funde, welche die Archäologen überraschten, standen eigentlich nicht im Mittelpunkt der taucharchäologischen Untersuchungen, die seit Januar dieses Jahres durchgeführt werden. Das Hauptinteresse der Untersuchungen galt den jungsteinzeitlichen Pfahlbaufundstellen. Die im Auftrag des Amtes für Archäologie eingesetzten Taucher ­haben Teile von jungsteinzeitlichen ­Gefässen, Geräten, wie von einem Steinbeil, und Produktionsabfälle aus Fels- und Feuerstein, aber auch Knochenabfälle gefunden. Daneben wurde auch Holz geborgen, das nach weiteren Untersuchungen Informationen zur Datierung und Waldwirtschaft liefern soll.

Die Taucher dokumentieren im Auftrag des Thurgauer Amts für Archäologie den Zustand der rund 50 bereits freigelegten Pfahlbauten beim kleinen Inseli sowie bei der Halbinsel Horn. Seit 2011 sind sie Teil des Unesco-Weltkulturerbes Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen. Ebenso wie die jungsteinzeitliche Moorsiedlung Weiher bei Thayngen.

Ein Nachbardorf von Thayngen

Die Moorsiedlung beim Nussbaumersee und die Moorsiedlung Weiher bei Thayngen waren zur gleichen Zeit besiedelt. «Heute könnte man sie als Nachbardörfer bezeichnen», sagte Brem. In Thayngen Weiher wurden unter anderem ein kompletter Bogen und ein Pfeil mit Silexspitze, eine­ Kupferbeilklinge, Gürtelhaken aus Geweih sowie aus Lehm modellierte Frauenbrüste als Wandbestandteile eines vermutlichen Kultgebäudes gefunden. Zu sehen ist das im Museum zu Allerheiligen.

Kann die Pfahlbausiedlung im Nussbaumersee mit ähnlich beeindruckenden Funden prunken? «Ja sicher», sagt Simone Benguerel und weist in einem Buch der Kantonsarchäologie auf die Abbildung eines Lehmbruchstücks hin, auf dem eine Brust erkennbar ist. Das Stück ist bei einer früheren taucharchäologischen Untersuchung geborgen worden.

Kantonsarchäologe Hansjörg Brem gibt einen zusätzlichen Tipp: «Auch wir haben unsere Nussbaumersee-Top-Fundstücke dem Museum überlassen.»

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