Hier duftet es den ganzen Tag legal nach Cannabis

Luc Müller | 
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Hanf mitten in Thayngen: und das ganz legal. Im Industriegebiet verarbeitet die ­BioCan AG Cannabis, das nicht berauscht, zu Tabak­ersatz. Die Branche boomt.

Da liegt was in der Luft – der Raum ist geschwängert mit Cannabisduft, der einem direkt in die Nase steigt. Eine grosse Maschine, mit der Bauern normalerweise ihr Heu trocknen, wirbelt einen mächtigen Windstrom durch die Halle im Thaynger Industriegebiet, wo früher die Augustin-Druckerei tätig war. Die Druckerei arbeitet nun am alten Standort in Merzenbrunnen weiter. Jetzt weht in den Werkhallen wortwörtlich ein neuer Wind. Auf grossen, mit Netz bespannten Holzrahmen liegen Hanfpflanzen zum Trocknen aus. Die Maschine holt aus den Pflanzen rund 1400 Liter pro Stunde heraus.

Hans Peter Kunz, ein kleiner, drahtiger Mann, führt durch die Produktionsstätte der BioCan AG, die legalen Hanf zu Tabakersatz verarbeitet. Das Produkt ist derzeit in aller Munde und sorgt für Furore: Es sieht wie Cannabis aus, das wegen seiner Rauschwirkung verboten ist, und riecht auch gleich. Es kann nun seit August 2016 in Shops, am Kiosk oder im Detailhandel ganz legal gekauft werden. Mit dem Hanf rollt man sich wie bisher eine Zigarette. Das Produkt verkauft BioCan unter dem Namen «C Pure – FedTonic»: Im firmeneigenen Onlineshop gibt es die 3-Gramm-Packung des Hanfes für 25 Franken.

Pioniere in der Schweiz

Der Verwaltungsratspräsident der BioCan AG, Markus Walter aus dem zürcherischen Ossingen, hat dazu eine spezielle Cannabispflanze gezüchtet. Der THC-Gehalt liegt unter 1 Prozent, somit ist das Produkt gesetzeskonform (siehe Box). Dafür besitzt der Hanf der BioCan AG einen höheren CBD-Wert, der beruhigend wirkt. Bei der BioCan AG in Thayngen bezeichnet man sich selbst als die Schweizer Hanfpioniere. Tatsächlich waren sie die Ersten in der Schweiz, die THC-arme Cannabisblüten als Tabakersatz angeboten haben. Ihr Produkt wurde im August 2016 vom Bundesamt für Gesundheit notifiziert und darf somit offiziell in den Handel. «Solch THC-armes Gras gab es weltweit schon, aber keiner hat geglaubt, dass es einen Markt dafür gibt: Wer will schon einen Joint rauchen, der nicht berauscht? Wir aber haben das Potenzial gesehen.»

«Wer will schon einen Joint rauchen, der nicht berauscht? Wir haben das Potenzial gesehen.»

Hans Peter Kunz, Leiter Finanzen und Dienste BioCan AG

Inzwischen gibt es viele Nachahmer, die ein gleiches Produkt herstellen. Aktuell setzt die Branche mit dem legalen Hanf rund 50 Millionen Franken im Jahr um. BioCan verkauft monatlich mehr als 200 Kilogramm ihres legalen Hanfs, so Kunz.

Am Anfang harzte der Verkauf

Es gebe aber viele Produkte auf dem Markt, dir gar nie vom Bundesamt für Gesundheit notifiziert wurden, ärgert sich Kunz. Eigentlich müssten die zuständigen kantonalen Labore eingreifen und solche Ware aus dem Verkehr ziehen. «Leider zeige sich bei den kantonalen Labors ein uneinheitliches Bild: Einige würden eingreifen, andere scheinen sich wenig darum zu kümmern», ärgert sich Hans Peter Kunz. «Die Zollverwaltung, welche für die Tabaksteuer zuständig ist, ist sehr aktiv und sorgt dafür, dass wenigstens die Tabaksteuer gezahlt wird», freut sich Kunz. «2016, im ersten Jahr unserer Firma, waren wir in einer schwierigen finanziellen Situation. Jetzt, da unser Produkt vom Bundesamt für Gesundheit zugelassen und somit legal ist, kommen wir mit der Arbeit fast nicht mehr nach. Denn die Kunden haben nun die Sicherheit, dass sie etwas Legales rauchen», sagt Kunz. Der Mann hat wie das hergestellte Produkt einen aussergewöhnlichen Weg hinter sich. 2005 arbeitete er noch als Bankdirektor bei der UBS, danach gründete er eine Firma für chirurgisches Zubehör. Nun ist er als externer Firmenberater bei der BioCan AG als Leiter Finanzen und Dienste tätig. Weiter geht die Firmenführung. «Chef, haben Sie kurz Zeit?» Kunz hatte zuvor erst schnell telefoniert und zwei weitere Gespräche auf später verschoben. Jetzt nimmt er sich kurz Zeit. «Ich brauche noch ein Arbeitszeugnis», so der Mitarbeiter. «Schreibe dir ein sehr gutes, damit du bald wieder einen guten Job bekommst», sagt Kunz.

Viele junge Mitarbeiter

Jetzt sei gerade Erntezeit für den Outdoor-Hanf, den die Firma in der ganzen Schweiz auf freien Feldern anbaut. Auch im Kanton Schaffhausen auf einer Fläche von rund 1,8 Hektaren. Wo, will Kunz nicht verraten, «unsere Leute beschützen die Felder und rufen im Notfall die Polizei.» Ansonsten verwendet die Firma auch noch Indoor-Hanf und Hanf aus Gewächshäusern. Laute Musik und emsige Betriebsamkeit: So ist die Atmosphäre im nächsten Raum. Hier wird gerade «gestrippt: Die Hanfpflanzen werden von Hand vom Stängel runtergeschoben. Der Abfall wird später gehäckselt und kompostiert. In vier Kühlwagen werden die auf dem Feld geernteten Hanfpflanzen täglich in Thayngen angeliefert. Würde die empfindliche Pflanze nicht gekühlt, würde sie gären, braun und somit unbrauchbar werden. In einem nächsten Schritt wird die durch das «Strippen» vorsortiere Pflanze getrocknet und in abschliessender Feinarbeit von den letzten kleinen Blättchen befreit – bis nur noch die reine Hanfblüte daliegt. Jetzt zur Outdoor-Ernte, die von September bis Ende Oktober dauert, arbeiten rund 150 Mitarbeiter hier in Thayngen – sonst sind es rund 50. «Wir bieten niederschwellige Arbeitsplätze an. Wir haben hier auch viele Leute, welche aus der Arbeitslosigkeit oder der Sozialhilfe kommen», sagt Kunz und fügt an: «Wir sind eine soziale Firma, wir zahlen einen Stundenlohn von 25 Franken, weit mehr als üblich für Erntearbeiter.» Wer sich umschaut, sieht vor allem jüngere Gesichter. Der Umgang in der Firma ist locker: In der Pause dürfen sie einen «legalen Joint» rauchen.

Die Firma stellt eine Hanf­essenz her, die man für das Wohlbefinden anwenden kann, und verkauft auch Hanföle. Längerfristig könnte es sein, dass die BioCan eine eigene Hanfzigarette plant.

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