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Alexa Scherrer | 
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Alexa Scherrer

Es ist der kleine Inselstaat ­Island, der nach dem Furore an der Fussballweltmeisterschaft ­erneut ins Blickfeld des kontinentalen Europa rückt ist. Pünktlich zum Internationalen Frauentag vom vergangenen Mittwoch wollen die Isländer die Gleichberechtigung einen grossen Schritt nach vorn bringen.

Es ist der kleine Inselstaat ­Island, der nach dem Furore an der Fussballweltmeisterschaft ­erneut ins Blickfeld des kontinentalen Europa rückt ist. Pünktlich zum Internationalen Frauentag vom vergangenen Mittwoch wollen die Isländer die Gleichberechtigung einen grossen Schritt nach vorn bringen. Es soll per Gesetz verankert werden, dass gleiche Arbeitspositionen gleich bezahlt werden. Weder Geschlecht noch sexuelle Ausrichtung, Ethnie oder Nationalität sollen eine Rolle spielen. Island ist der allererste Staat, der Firmen ab 25 Mitarbeitern gesetzlich dazu verpflichtet, einen Nachweis für faire Bezahlung zu liefern. Bis in fünf Jahren soll die Lohnlücke zwischen Mann und Frau geschlossen sein. Und diese beträgt auch im fortschrittlichen Norden satte 17 Prozent.

Frauen werden dafür bestraft, dass sie ein Kind bekommen können

In der Schweiz ist die Gleichstellung seit 1981 fester Bestandteil der Bundesverfassung – erst neun Jahre später wurde das Frauenstimmrecht flächendeckend für alle Kantone bindend. Seit 1996 gilt in der Schweiz das Gleichstellungsgesetz, das jegliche Diskriminierung im Bereich der Erwerbsarbeit verbietet. Papier ist geduldig – auch jenes, auf dem die Verfassung ­gedruckt ist. Denn der Global Gender Gap Report des World Economic Forum (WEF) weist aus, dass die Schweiz im vergangenen Jahr aus den Gleichstellungs-Top-Ten gefallen ist und jetzt auf Platz elf rangiert. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückschritt von drei Plätzen – bei der ökonomischen Gleichstellung sogar von 13. Die Schweiz liegt abgeschlagen auf Platz 30.

Dass Frauen am 8. März ihren eigenen Tag haben, dass sie Zeichen setzen, dass sie auf die Strasse gehen und für ihre Rechte demonstrieren, ist also nach wie vor nötig. Gerade in der Arbeitswelt fussen viele der Ungleichgewichtsprobleme zwischen Mann und Frau darauf, dass bereits eine junge Frau dafür bestraft wird, dass sie – rein biologisch – irgendwann Mutter werden könnte. In einer klassischen Familienlaufbahn tritt die Frau früher oder später aus dem Arbeitsleben aus oder reduziert ihr Pensum zumindest drastisch. Dass sich ein Unternehmen aufgrund dieser Erfahrungswerte ausrechnet, ob es sich mehr lohnt, in einen jungen Mann oder in eine junge Frau zu investieren, ist aus unternehmerischer Sicht nachvollziehbar.

Vielleicht ist die Holzhammer­methode aus Island nicht der richtige Weg, in den meisten Fällen ist ein freiwilliges Umdenken dem Zwang vorzuziehen. Die Schweiz läuft mit grossen Schritten auf einen Fachkräftemangel zu, und auch die demografische Entwicklung wird den Arbeitsmarkt unter Druck setzen. Vielleicht könnten aber genau diese Umstände den Anliegen der Gleichstellung in die Hände spielen. Unternehmen werden zunehmend gefordert sein, Arbeitnehmern attraktive Strukturen zu bieten, die sich mit ihrem privaten Familienleben vereinbaren lassen. Strukturen, die mehr Teilzeitarbeitsstellen zulassen, könnten durch den Druck der wirtschaft­lichen Umstände automatisch stärker gefördert werden – und würden den­jenigen Firmen, die sie zulassen, im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte gleichzeitig einen Vorteil verschaffen.

Muss man für eine Familie sorgen, ändert sich die Verhandlungsbasis

Sehen sich die Frauen in der Erziehungs- und Betreuungsfrage dann noch zusammen mit dem Vater als einen von zwei Elternteilen mit gleichen Rechten und Pflichten, wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan. Dass eine Frau fähig ist, auch finanziell für ihre Familie zu sorgen, ist nicht nur wahre Emanzipation – es sichert eine Familie auch ab. Sei es bei einer plötzlich auftretenden Arbeitslosigkeit des Partners oder nach einer Scheidung. Hat man als Frau im Hinterkopf, für seine Familie verantwortlich zu sein, tritt man in Lohnverhandlungen auch entschlossener auf und verkauft sich nicht unter Wert. Werden traditionelle Rollenbilder aufgebrochen, wird es für Unternehmen wiederum automatisch schwieriger vorauszusagen, welcher Elternteil nach der Geburt eines ­Kindes kürzertreten wird. Dass es ­Familien gibt, in denen die Frau arbeitet und der Vater zu Hause bleibt, ist zu begrüssen – ändert aber nichts am ­System.

Es geht nicht nur um Emanzipation, es geht um eine Gleichstellung, die in beide Richtungen funktioniert. Gleichstellung bedeutet nicht, gleich zu funktionieren – aber in einem ­ersten Schritt gleichsam seine Rollenbilder zu hinterfragen.

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