Sie haben genug von Party-Exzessen am Rheinufer

Andreas Kurz | 
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«Muss das sein?»: Mit ihrer Petition wollen die Lindli-Anwohner den Schaffhauser Stadtrat auf die Situation in ihrem Quartier aufmerksam machen. Im Bild: Urs Willimann, Beat Steinmann, Dorothee Willimann und Katharina Steinmann (von links). Bild: Melanie Duchene

Bereits 500 Personen haben eine Petition gegen Müll und Lärm am Rheinufer in Schaffhausen unterschrieben. Auf einem Rundgang erzählen die Initianten, was auf der Wiese beim Lindli an Sommer-Wochenenden abgeht.

«Wieso wirfst Du Deinen Müll auf die Strasse?», fragt ein Plakat vor der Wiese beim Salzstadel. Eine Frage, die viele Jugendliche offenbar kaltlässt. Bis zu 300 feiern dort an schönen Wochenenden die Nächte durch. Für die Anwohner heisst das: Lärm bis tief in die Nacht und haufenweise Abfall. Zwei bis drei kleine Lastwagenladungen räume Grün Schaffhausen am nächsten Morgen jeweils zusammen, erzählen die Anwohner.

Jetzt wehren sie sich mit einer Petition gegen die Exzesse. Gestartet haben sie drei Ehepaare: Esther und Jürg Peter, Katharina und Beat Steinmann sowie Dorothee und Urs Willimann. Den Stadtrat fordern sie auf, die Polizeiverordnung durchzusetzen und die Anwohner von Lärm und Abfall zu schützen. Die Stadt solle zudem genügend Personal für regelmässige Patrouillen bereitstellen und künftig die Anliegen der Anwohner einbeziehen.

Es sei das erste Mal, dass sie sich politisch engagieren, sagen die Initianten. «Wir fühlten uns hilflos und überlegten, was wir machen können. Die Stadt soll endlich zur Kenntnis nehmen, dass sich nicht nur zwei, drei Anwohner gestört fühlen», sagt Beat Steinmann. Tatsächlich scheinen viele das Anliegen zu teilen: Bis heute seien 500 Unterschriften zusammengekommen. «Das Thema brennt vielen Leuten unter den Nägeln», sagt Urs Willimann. «Momentan ist das hier der grösste Brennpunkt der Stadt.»

Prediger mit Megafon

Bei einem Treffen vor Ort erzählen die Initianten, was sich an Wochenenden abspielt. Los gehe es jeweils gegen 22 Uhr. «Ab dann gehört die Wiese den Jugendlichen», sagt Urs Willimann. Sie kämen mit Pizzaschachteln, Ghettoblastern und Bierpackungen an. Nach einer Stunde steige der Geräuschpegel. Oftmals liefen zwei bis drei Ghettoblaster gleichzeitig. Teilweise nimmt das Treiben bizarre Züge an: «Einmal tauchte ein Prediger auf, der per Megafon seine christliche Botschaft verbreitete», erzählt Beat Steinmann. «Und das um elf Uhr abends.» Die Jugendlichen habe dies natürlich überhaupt nicht interessiert.

«Momentan ist das hier der grösste Brennpunkt der Stadt.»

Urs Willimann, Anwohner

Nach Mitternacht beginne dann das Gegröle und erste Flaschen würden herumgeworfen. Das könne stundenlang andauern. «Die Hardcore-Jungs bleiben bis 3 Uhr», sagt Urs Willimann. Es komme auch zu Vandalismus. Einmal hätten die Jugendlichen die von der Stadt bereitgestellten «Toitoi»-WCs umgeworfen. Der Gestank habe bis in die Stuben der Anwohner geweht.

Wenn es wieder einmal besonders laut ist, melden sich die Anwohner bei der Polizei. Ein einzelner Anruf genüge meistens jedoch nicht, sagt Beat Steinmann. «Wir müssen insistieren, damit etwas passiert.» Wenn die Polizei dann komme, fahre sie höchstens mit dem Auto vorbei, ohne auszusteigen. Auf die Forderung nach Patrouillen erhielten die Anwohner immer dieselbe Antwort: zu wenig Personal.

Eigentlich gilt gemäss der Polizeiverordnung der Stadt Schaffhausen ab 22 Uhr Nachtruhe. «Diese Regeln werden aber nicht durchgesetzt», sagt Dorothee Willimann. «Dabei gehört das doch auch zu den Aufgaben der Stadt.»

Mülleimer dienen als Partytische

Immerhin hat die Stadt rund um die Wiese ein halbes Dutzend Mülleimer aufgestellt. Dazu einen grossen Container für Glasflaschen. «Das ist gut und recht», sagt Dorothee Willimann. «Den Jugendlichen dienen sie aber hauptsächlich als Partytische.» Die Abfallbehälter selbst blieben praktisch leer.

Die Auswirkungen der Party-Nächte beschränkten sich nicht nur aufs Wochenende. Im hinteren Teil des Parks befindet sich ein Spielplatz – der einzige in der Gegend. Dennoch würden ihn die Eltern von Kleinkindern zunehmend meiden, erzählt Dorothee Willimann. Nicht nur auf den Wegen, auch im Sandkasten habe es Scherben, hunderte von Zigarettenstummeln – und womöglich noch anderes. Einige sorgten sich so sehr wegen der Glassplitter, dass sie ihren Hund durch den Park trügen.

Das Scherben-Problem existiert auch am Flussufer. Bei der Bushaltestelle Rosentalgässchen wird der Asphaltboden zum Kiesweg. Dieser ist auch am Montagmittag noch übersät mit Scherben, die in der Sonne glitzern. «Grün Schaffhausen kann das nicht alles auflesen», sagt Urs Willimann. Den Weg würden viele Schwimmer benutzen. Nicht wenige hätten sich dort schon blutige Zehen geholt.

Anwohner denken an Wegzug

Die organisierten Anlässe am Lindli seien weniger das Problem, betonen die Anwohner. Auf die könne man sich einstellen, zudem hielten sich diese Veranstalter an Regeln. «Das Problem ist die freie Nutzung im privaten Rahmen», sagt Beat Steinmann. Die Aufwertung am Rheinufer sei gut, aber es müsse auch eine gewisse Betreuung da sein. Es gehe ihnen nicht um einen leeren Park, sondern um gegenseitige Rücksichtnahme. Die Anwohner fordern deshalb eine Begleitung, etwa durch Streetworker. «Man muss das Angebot der Stadt für die Jungen überdenken», sagt Urs Willimann. Das Problem habe sich schon vor Corona akzentuiert, sind sich die Anwohner einig. Seit vier Jahren werde es immer mehr. Ein Wegzug sei bei einigen im Quartier bereits ein Thema.

Hoffnung machen den Anwohnern die vielen positiven Reaktionen auf die Petition. Vor einer Woche organisierten sie einen Austausch mit der Bevölkerung. Trotz schlechten Wetters seien 50 Leute vorbeigekommen. Einige hätten in den Couverts mit den Unterschriftenbögen auch Geld mitgeschickt und Hilfe angeboten. «Es herrscht eine grosse Solidarität», sagt Katharina Steinmann. Am 25. September wollen die Initianten nochmals eine Standaktion beim Salzstadel durchführen. Die Petition läuft bis Ende Monat. Danach übergeben die Initianten die Unterschriften an Stadträtin Christine Thommen.

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