Bling-Bling in Hemmental

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Jedes Jahr richtet Wolfgang Schlatter in der alten Schule in Hemmental eine opulente Adventsausstellung ein. Die Weihnachtszeit beginnt für ihn aber schon im Juni.

Isabel Heusser (Text) und Melanie Duchene (Bilder)

Von aussen sieht das Häuschen, das an der Hauptstrasse gleich vor dem Engpass zum Dorfplatz steht, unauffällig aus: beige-braune Fassade, da und dort blättert der Putz ab. Wenn es dunkel ist, ist das Gebäude aber schon von Weitem zu sehen. Dann leuchten Hunderte von Lämpchen aus dem Raum im ersten Stock. Hier, in der alten Schule in Hemmental, richtet Wolfgang Schlatter seit vielen Jahren seine Weihnachtsausstellung ein. Wobei diese Bezeichnung der Sache nicht ganz gerecht wird. Zwar kann man alles, was hier gezeigt wird, kaufen. Mit der Ausstellung angefangen hat er aber, um in der Adventszeit etwas für das Dorfleben zu tun – und seiner Leidenschaft zu frönen: dem weihnächtlichen Dekorieren. «Hier kann ich meiner Fantasie freien Lauf lassen.»

Die Besucher werden von einem warm eingepackten Gastgeber empfangen. Später fürs Foto wird er die Jacke ausziehen, aber nur kurz: Der Raum ist unbeheizt. Wenn es draussen winterlich kalt ist, bilden sich Eisblumen an den Fenstern.

Auf den Tischen und Regalen ist fast ­jeder Quadratzentimeter besetzt. Adventskränze, Christbaumkugeln, Nussknacker-Figuren, Rentiere, Adventsgestecke, Kerzen – alles da. Wolfgang Schlatter strahlt, als er durch die Ausstellung führt. Er hat den ganzen Raum selbst hergerichtet, die Arrangements selbst gemacht. Nur bei den Kränzen bekommt er Unterstützung.

Es begann in der Garage

Angefangen hat alles, als er zu seinem Mann Hermann Schlatter, dem Präsidenten der SVP Stadt Schaffhausen, nach Hemmental zog; die beiden wohnen gleich im Haus nebenan. Eines Winters räumte der gebürtige Deutsche, der in seinem Heimatland zwei Blumen­läden geführt hatte, im Advent die Garage aus und richtete eine kleine Ausstellung ein. Die Leute kamen. Und bald war die Ausstellung nicht mehr so klein. Und Wolfgang Schlatter merkte, dass der Platz zu knapp wurde. Schliesslich konnte er von der Gemeinde Hemmental, die mittlerweile zur Stadt Schaffhausen gehört, den Raum in der alten Schule mieten. «Wenn die ganze Deko weg ist, sieht es hier drin katastrophal aus», sagt er und lacht. «Der Holzboden ist das schönste Element.»

«Ich kaufe nur ein, was mir gefällt, ich achte nicht auf Trends.»

Wolfgang Schlatter

Die Weihnachtszeit fängt bei Wolfgang Schlatter im Juni an. Dann geht er auf Einkaufstour in Grossmärkten. Inspiration holt er bei sich selber: «Ich kaufe nur ein, was mir gefällt, ich achte nicht auf Trends.» Ist er auf Reisen und entdeckt er einen Laden mit Weihnachtsartikeln, muss er hinein. Ende Oktober beginnt er damit, den Raum einzurichten, was zwei bis drei Wochen Zeit braucht. Anschliessend geht es ans ­Dekorieren. Dann läuft er, der in einem 60-Prozent-Pensum im Manor arbeitet, ­innerlich auf Hochtouren. Die Ausstellung bereitet er oft bis tief in die Nacht vor.

Weibliche Nussknacker gibts nicht

Ist die Ausstellung eröffnet, kann er es ruhiger nehmen. Schliesslich will er bei den Besuchern ja keine Hektik verbreiten. Sie sollen nicht nur einkaufen, sondern es sich an einem der Festbänke gemütlich ­machen. Guetzli, Glühwein und Kaffee sind offeriert. Beim Glühweinausschenken kommt auch Hermann Schlatter zum Einsatz. Die überbordende Deko-Begeisterung hat nicht sonderlich auf ihn abgefärbt. Das Flair für Blumen teilt er aber mit seinem Mann: Eigentlich wollte Hermann Schlatter Florist werden. Er wurde dann aber Buchhalter. «Mein Vater meinte, als Florist kann man sich keine Existenz aufbauen.»

Wolfgang Schlatter mag es opulent. Oder, wie er es ausdrückt: «Verkitschter geht es nicht mehr.» Die Nussknacker tragen lila Kleidung und Hüte aus Plüsch, die Kerzen glitzern, die Rehe sind silbrig oder golden. An einer Wand hängen zwei weisse Rehköpfe aus Kunststoff. Um den Hals hat ­ihnen Wolfgang Schlatter jeweils eine weisse Federboa geschlungen. «Ohne sah es einfach zu langweilig aus.» Am liebsten mag Wolfgang Schlatter Weiss – diese Farbe dominiert die Dekoration bei ihm daheim. Sein Mann, der neben ihm steht, lächelt nur – er darf bei der Dekoration nicht mitreden. Auch in der Ausstellung ist ein grosser Teil in Weiss gehalten. Um möglichst viele ­Geschmäcker zu befriedigen, hat Wolfgang Schlatter aber auch eine Ecke mit klassischem Rot eingerichtet, eine andere mit rosa Deko, und auf den grossen Regalen ist alles in Schwarz und Gold gehalten. Schwarze Kerzen für den Adventskranz? «Alles geht», sagt er. Nur die Nussknacker, die sind bis jetzt alle männlich, so, wie es die Tradition will. Oder sie haben einen Teddybärkopf.

Jedes Jahr kommt der Tag, an dem ihm die Lust am Weihnachtskitsch vergeht: an Weihnachten selber. «Dann mag ich die ganze Deko nicht mehr sehen, dann bin ich übersättigt.» Die Festtage verbringen die Schlatters mit der Familie. Zeit, um sich zu erholen. Schliesslich geht die Vorweihnachtszeit für Wolfgang Schlatter schon im Sommer wieder los. Jedes Jahr aufs Neue. «Die Leute erwarten das von mir.»

Die Ausstellung an der Hauptstrasse 4 in Hemmental ist am Freitag, 6. Dezember, Samstag, 7. Dezember und Sonntag, 8. Dezember, jeweils von 16 bis 19 Uhr geöffnet.

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