Der Lachs und sein langer Weg zurück

Saskia Baumgartner | 
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In der kantonalen Fischzuchtanstalt werden seit zwei Jahren Lachse herangezogen. So soll der in der Schweiz ausgestorbene Fisch bis 2030 wieder angesiedelt werden.

Als Patrick Wasem die dunkle Folie vom einem der sechs Aufzuchtbecken anhebt, sieht man nur kurz ein, zwei Schatten im Wasser vorbeihuschen. 18 Lachse befinden im Becken, doch sie verstecken sich, so gut es geht. «Der Lachs ist ein sehr scheuer Fisch», erklärt der kantonale Fischereiaufseher. Und es ist ein Fisch, der gerne im Schatten Schutz sucht.

Aus diesem Grund hat Wasem das Aufzuchtbecken abgedeckt. Auch, weil die Fische sonst schon längst aus dem Becken gesprungen wären. Ausgewachsen können sie mehrere Meter Höhe überwinden. Der Beckenrand wäre für die zweijährigen und 35 Zentimeter langen Tiere daher kein Problem. Im Aufzuchtbecken hält Wasem die grössten der rund 200 zweijährigen Lachse. Die restlichen leben in einem gemauerten, grösseren Aussenbecken. Auch dieses ist mit einer Abdeckplane geschützt.

Wasem rechnet mit 20'000 Eiern

Im Herbst sollen die grössten, geschlechtsreifen Exemplare abgestreift und so der erste eigene Laich in der Fischzuchtanstalt produziert werden. Wasem hat dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) gemeldet, dass er mit rund 20'000 Eiern rechnet. Diese sollen den Grundstock für die Wiederansiedlung des Lachses bilden. In den 1950er-Jahren ist der Lachs im Hochrhein wegen der Kraftwerke und der Wasserverschmutzung ausgestorben. Bis spätestens 2030 soll der Bestand wieder etabliert werden. Neben der Fischzuchtanstalt am Rheinfall sind in der Schweiz auch jene in Giebenach in Baselland sowie in Dachsen in das Projekt involviert.

Ist dieses erfolgreich, wird der Lachs bis in elf Jahren im Hochrhein wieder heimisch sein. Bis dahin haben die Kraftwerke maximal Zeit, ihre Fischtreppen zu optimieren. Gemäss Andreas Knutti, Chef der Sektion Lebensraum Gewässer beim Bafu, besitzt das Kraftwerk Rheinau noch keine Fischtreppe, jene Treppen der Kraftwerke Birsfelden, Säckingen, Laufenburg und Rekingen sind sanierungsbedürftig. Eine Herausforderung sei neben dem Aufstieg auch der Abstieg des Lachses im Rhein. Hier gebe es praktisch bei allen Kraftwerken am Hochrhein noch Sanierungsbedarf.

Selbst wenn alle Hindernisse dereinst beseitigt sind, ist eine Rückkehr des Lachses bis ins Rheinfallbecken ungewiss. Als es vor über 100 Jahren im Fluss nur so von Lachsen wimmelte, fand ein Verdrängungswettkampf um die Laichplätze statt, sagt Patrick Wasem. Waren die besten Plätze besetzt, mussten die Lachse sich andere suchen. Die natürliche Endstation der Suche war das Rheinfallbecken mit den unüberwindbaren Felsen. Bei der Wiederansiedlung des Lachses jedoch werden die Tiere nicht mehr in Massen auftreten, und es sei denkbar, dass sie bereits nahe Basel bessere Laichhabitate finden.

«Wenn ein Fisch erst einmal ausgestorben ist, wird es extrem schwierig, ihn wieder anzusiedeln».»

Patrick Wasem, kantonaler Fischereiaufseher

2017 hat Wasem den ersten Lachslaich nach Neuhausen gebracht, die Fische ausgebrütet und aufgezogen. Die kleinsten hat er aussortiert und der Fischzucht Giebenach weiter gegeben. Diese Lachse werden voraussichtlich in Zuflüssen des Rheins bei Basel ausgesetzt. 2018 besorgte Wasem den neuen Jahrgang. Für die Zucht sind mehrerer Jahrgänge nötig.

Die Lachs-Aufzucht ist in der Schweiz nicht üblich und war auch für Wasem Neuland. So musste er lernen, dass Lachse ihre Nahrung nur bei einer gewissen Strömungsgeschwindigkeit aufnehmen. Das Futter muss im Wasser auf die Lachse zuschwimmen, sonst würden sie es nicht fressen, sagt Wasem. «Sie würden eher sterben, als Futter aufzunehmen, das an der Oberfläche schwimmt.»Das erste internationale Wiederansiedlungsprojekt des Lachses hiess «Lachs 2000», was später in «Lachs 2020» abgeändert wurde. Letztlich, so Knutti, geht es dabei aber nicht nur um den Lachs, sondern generell darum, Lebensräume für Fische wieder aufzuwerten und besser miteinander zu vernetzen. Die Rückkehr des ausgestorbenen Lachses sei hierfür ein wichtiges Symbol, so Knutti. Der Bafu-Sektionschef ist optimistisch. Wasem auch, wenngleich er anmerkt: «Wenn ein Fisch erst einmal ausgestorben ist, wird es extrem schwierig, ihn wieder anzusiedeln.» Er fügt an: «Deswegen betreiben wir auch so einen Riesenaufwand für die Äschen.» Noch in diesem Monat soll klar sein, wie stark der Äschenbestand durch den letztjährigen Hitzesommer gelitten hat. Trotz aller Rückschläge macht Wasem die Aufzucht von Fischen Spass. «Ich kann etwas zurückgeben, wo der Mensch einst etwas kaputt gemacht hat», sagt der Fischereiaufseher. «Fische sind mir näher als vieles andere.»

 

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