Affäre Spitalrat: Ex-Direktoren widersprechen Walter Vogelsanger

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Eine Präsentation im Kantonsrat werde es sicher vor Ende Jahr geben. Bild: Melanie Duchene

Die Untersuchung zu überhöhten Entschädigungen und ein Beratungsmandat für die Firma des zurückgetretenen Spitalratspräsidenten soll bis im Herbst Ergebnisse liefern. Wie es so weit kommen konnte.

von Mark Liebenberg und Regula Lienin

Wo viel Geld im Spiel ist, muss es besonders transparent zu und her gehen. Wenn es sich dabei um ein öffentliches Spital handelt, das einen 240-Millionen-Neubau plant, gelten umso höhere Anforderungen an die verantwortlichen Gremien, Entscheidungsträger, Auftragnehmer.

In diesem Lichte ist die Untersuchung zu den hohen Sitzungsgeldbezügen und ein heikles Mandat des Spitalratspräsidenten der Spitäler Schaffhausen zu sehen, welche das Kantonsparlament diese Woche in die Wege geleitet hat. Die Vorgeschichte ist bekannt: Neben den ordentlichen Vergütungen hat der Spitalratspräsident im Jahr 2020 weitere rund 24'000 Franken (ein Äquivalent von 36 Ganztagessitzungen) als Sonderzahlung ausbezahlt erhalten. Als besonders fragwürdig erscheint dem Parlament auch, dass und wie der fünfköpfige Schaffhauser Spitalrat seinem eigenen Präsidenten im Mandatsverhältnis zum faktisch unbefristeten Job als Gesamtverantwortlicher für das Neubauprojekt verhalf. Zehn Monate später stellte die aus Leutert bestehende Firma Xelion GmbH dem Spital dafür 238'256 Franken in Rechnung.

Erst sehr spät gab es Transparenz

Das alles soll nun auf seine Rechtmässigkeit überprüft werden. Doch ein doppelter Flurschaden ist bereits jetzt feststellbar, noch bevor die Resultate vorliegen: Das fehlende interne Controlling und die fehlende Transparenz der Verantwortlichen gegenüber der Politik, welche die Oberaufsicht über das Spital ausübt. Treibende Kraft hinter dem jetzigen Vorgehen ist der Präsident der Gesundheitskommission, GLP-Kantonsrat Ueli Böhni. Erst seit Anfang Januar im Amt, hatte er bereits im Mai auf Unklarheiten und Ungereimtheiten bei den Spitalratsbezügen in der Jahresrechnung hingewiesen. «Die Auskünfte von Herrn Leutert in der Kommission waren ungenügend, sodass wir entsprechende Fragen an den Gesundheitsdirektor gestellt haben, die dann unbeantwortet blieben», sagt Böhni. Rund 40 Detailfragen waren es zuletzt – grundsätzliche Fragen, wie man sie von einem Aufsichtsorgan erwartet, etwa, wie die Höhe der Sonderzahlung festgelegt worden war oder ob Vergaberichtlinien verletzt worden seien. Weitere Auskünfte erhielt die Kommission aber nicht, unter anderem mit Verweis auf den Persönlichkeitsschutz.

Erst nachdem der Kantonsrat am 14. Juni die Beratung darüber abbrach und Transparenz verlangte, lieferte Vogelsanger in einem Vergütungsbericht am 29. Juni umfassende Informationen. «In der Kommission entstand ein grosses Unbehagen; man fühlt sich immer wieder begrenzt informiert und ernst genommen.»

Doch auch die Vergabe des Mandats an Leutert soll untersucht werden. In der Privatwirtschaft sind solche Vorgänge normal. Doch, so Böhni: «In einer Institution, die massgeblich von der Öffentlichkeit finanziert wird, gelten andere Regeln. Wurden alle Corporate-Governance-Prinzipien genügend beachtet, wurde genügend geprüft, ob die Xelion GmbH über die notwendigen Spezialkompetenzen für das Mandat verfügt, und wurden andere mögliche Dienstleister evaluiert?»

Unter Corporate Governance versteht man den rechtlichen und auch den faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung von Unternehmen zum Wohlwollen aller relevanten Anspruchsgruppen. Im Falle des Spitals sei eben auch seine Kommission eine Anspruchsgruppe, so Böhni: «Die Gesundheitskommission stört vor allem auch die Tatsache, dass der Spitalrat bewusst den Leistungs- und Finanzbericht so umgestaltet hat, dass die Differenzen und das Mandat nicht primär visibel wurden.» Tatsache bleibt, dass nie öffentlich kommuniziert wurde, dass der Spitalratspräsident im Mandat als Gesamtprojektleiter beschäftigt wird – auch der Gesamtregierungsrat war darüber nicht im Bild. Auch im Kantonsrat hörten am 14. Juni viele zum ersten Mal davon. Für Kantonsrätin Regula Widmer (GLP, Beringen), bis 2020 Mitglied der Gesundheitskommission, kommt die ganze Entwicklung nicht überraschend. «Es hat sich bereits im Herbst 2019 im Spitalrat eine problematische Vermischung von strategischen und operativen Aufgaben abgezeichnet.» Widmer hatte sich im Dezember 2019 im Kantonsrat kritisch zur Nachfolgeregelung Lüschers geäussert und gefragt, ob der Spitalrat auch wirklich seine strategische Funktion genügend wahrgenommen habe.

Wie geht es jetzt weiter? Böhni erklärt, der Fragenkatalog werde jetzt genau präzisiert aufgrund der vorliegenden Unterlagen – dann werden externe Experten oder Firmen evaluiert und eingeladen, sodass der Auftrag zu einer Untersuchung erteilt werden kann. «Ziel ist es, nach den Sommerferien die Aufträge zu erteilen.» Danach werde es wohl zwei Monate dauern. Ergebnisse werden in der Kommission evaluiert, das rechtliche Gehör wird gewährt werden. Eine Präsentation im Kantonsrat werde es sicher vor Ende Jahr geben.

Ex-Spitaldirektoren widersprechen Vogelsanger

In besonders dramatischen Worten beschrieb Regierungsrat Walter Vogelsanger am Montag im Kantonsrat die Situation rund um das Spitalneubauprojekt im Herbst 2019. Der Spital-CEO Daniel Lüscher hatte seinen Abgang nach Bern nach nur zwei Jahren bekannt gegeben. Der Spitalrat habe den Rekrutierungsprozess für eine Gesamtprojektleitung rasch gestartet, so Vogelsanger. Nach seiner Darstellung sei dieses für die Spitäler Schaffhausen elementare Grossprojekt in der Planung zum damaligen Zeitpunkt «nicht auf Kurs gewesen», weshalb ein schnelles Handeln notwendig wurde, so Vogelsanger: «Das Neubauprojekt stand auf wackligen Beinen, es war, um es in klaren Worten zu sagen, gefährdet.» Nach der Darstellung Vogelsangers war es damals «die beste Lösung», dass der fünfköpfige Spitalrat die Xelion GmbH in der Person Rolf Leuterts, dem Spitalratspräsidenten, die Gesamtprojektleitung übertragen hat. Damit sollte vermieden werden, dass das Grossprojekt «aufgrund des bestehenden Führungsvakuums noch mehr ins Stocken gerät».

Doch trifft dies zu? War das Neubauprojekt «nicht auf Kurs»? Die SN haben den früheren Spital-CEO um eine Stellungnahme dazu gebeten.

«Aus der Luft gegriffen»

Daniel Lüscher teilt die Einschätzung Vogelsangers ganz und gar nicht, wonach das Bauprojekt im Herbst 2019 derart in Schieflage war und es schnell habe gehen müssen, um es zu retten. «Das ist eine aus meiner Sicht aus der Luft gegriffene Behauptung», sagt Lüscher. Als Spitaldirektor habe er zuletzt fast die Hälfte seines Pensums für das Neubauprojekt aufgewendet. «Mir gegenüber ist nie jemals kommuniziert worden, dass etwas nicht stimmt.»

Und wenn, so Lüscher, würde dies auch auf Vogelsanger und Leutert selber zurückfallen. Denn beide sassen die ganze Zeit über in der Baukommission. «Herr Leutert war ja sogar deren Präsident», erklärt Lüscher, der heute zwei Spitäler in der Stadt Bern leitet.

In die Vorgänge rund um die Mandatserteilung an die Xelion GmbH sei er weder involviert gewesen, noch hätten Vogelsanger oder der Spitalratspräsident ihn um seine Meinung gefragt, wie es mit dem Projekt weitergehen könnte, sagt Lüscher.

Die jetzt publik gewordenen Vorgänge lösen in ihm Befremden aus. «Good Governance ist ein hohes Gut. Ich bedaure, dass der Eklat jetzt zulasten der Spitäler Schaffhausen geht.»

Doch so ganz alternativlos war die Erteilung des Mandats an Leutert und die Xelion GmbH auch noch aus einem anderen Grund nicht. Denn Anfang Oktober 2019 meldete sich jemand bei Vogelsanger und Leutert, der das Neubauprojekt sozusagen aus dem Effeff kannte: Lüschers Vorgänger Hanspeter Meister sagt auf Anfrage der SN: «Nach der Ankündigung des Rücktritts von Daniel Lüscher hatte ich den Herren Leutert und Vogelsanger schriftlich angeboten, die Gesamtleitung des Neubauprojekts auf Honorarbasis oder in einem Teilzeitpensum interimistisch zu übernehmen, bis eine definitive Lösung gefunden wird.»

Meister sei daraufhin ins Departement des Innern eingeladen worden, wo man ihm eröffnete, dass man auf sein Angebot nicht eintreten wolle. «Das hat mich sehr befremdet, nach all den Jahren erfolgreicher Tätigkeit in den Spitälern Schaffhausen, wo doch mit dem Abgang von Lüscher eine grosse Lücke entstand und ich helfen wollte», sagt Meister. Immerhin hatte Meister ab 2010 bei der Übertragung der Liegenschaften, der Standortevaluation und beim Architekturwettbewerb bis im Februar 2018 den Lead gehabt. (lbb)

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Auch Radio Munot hat mit dem Regierungsrat Walter Vogelsanger gesprochen.

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Kommentare (2)

Erwin Probst-Girsberger Mo 12.07.2021 - 15:22

Ist das SP? Pflegende und Lehrer verdienen nicht viel wie der Spitalratspräsident verdient hat! CHF 320.- zu 23.-? Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun? Sagt er.

Peter Dörig Do 08.07.2021 - 14:59

Und Schaffhausen hat es einmal mehr, sein "bereicherndes" Skandäli ...
In diesem Sinne ganz gehörig
beste Grüsse Peter Dörig

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