Was die kantonale Bodeninitiative bezweckt

Mark Liebenberg | 
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Was genau will die kantonale Volksinitiative für eine «haushälterische Nutzung des Bodens»Volksbegehren, die am 22. September zur Abstimmung kommt?

Der «Zubetonierung» der Schaffhauser Kulturlandschaft einen Riegel schieben – mit neuen und strengeren Vorschriften im kantonalen Baugesetz: Das will die kantonale Bodeninitiative. Jede Sekunde werde in der Schweiz ein Quadratmeter Boden überbaut, argumentieren die Initianten. Es brauche griffige und handfeste Massnahmen, um die Zersiedelung namentlich in der Landwirtschaftszone und den Bodenverschleiss in den Industrie- und Gewerbezonen zu stoppen. Lanciert von der SP, der AL, den Grünen und der EVP sowie den Verbänden WWF, dem Verkehrsclub und Pro Natura will das Anliegen fünf Bestimmungen direkt ins Baugesetz schreiben.

Verfassungsauftrag Seit 15 Jahren hält die Kantonsverfassung fest, dass mit dem Boden haushälterisch umgegangen werden muss. Das sei bisher ungenügend beachtet worden, finden die Initianten. Daher soll neu «der Kanton dafür sorgen, dass das Nichtbaugebiet in seinem gegenwärtigen Bestand erhalten bleibt». Diesen faktischen Baustopp ausserhalb der explizit gekennzeichneten Zonen hatten auch sogenannte Kulturlandinitiativen in den Kantonen Bern, Thurgau oder Zürich zum Ziel, die von der dortigen Bevölkerung angenommen wurden.

Wie dies konkret erreicht werden soll, will die Bodeninitiative mit drei Kernpunkten festschreiben. In der Landwirtschaft sollen neue Gebäude in bestehende Hofsiedlungen integriert werden und nicht auf dem freien Feld. Werden alte Gebäude nicht mehr benötigt sollen diese zuerst abgerissen werden, wenn neue erstellt werden sollen.

Bauten in sogenannten Speziallandwirtschaftszonen sollen ferner ebenfalls nicht mehr auf dem freien Feld erstellt werden dürfen. Dabei handelt es sich vor allem um Masthallen oder Treibhäuser – sie sollen künftig direkt an die bestehenden Bauzonen angrenzen müssen, um das Bauernland nicht zusätzlich zu zersiedeln. Die Bodeninitiative umschreibt überdies Gebiete, wo keine solchen Spezialzonen ausgeschieden werden dürfen (in geschützten Landschaften, Biotopen und weiteren Gebieten, welche die Gemeinden definieren sollen).

Bodensparend soll laut der Initiative in Zukunft auch in der Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungszone gebaut werden müssen. Neue Gebäude sollen dort «möglichst mehrgeschossig» erstellt werden. Werden Parkplätze benötigt – zu denken ist vor allem an verkehrsintensive Einrichtungen wie zum Beispiel Einkaufszentren –, sollen diese nur noch unterirdisch gebaut werden dürfen. Den Initianten sind in den letzten Jahren neu eröffnete einstöckige Supermärkte mit grossen Parkplätzen ein Gräuel. Im Kantonsrat warnten sie vor einer grassierenden «Aldisierung» der Schweizer Landschaft. Allerdings sollen Ausnahmen «in begründeten Fällen» zulässig sein, heisst es im Initiativtext.

Mit diesen Gesetzesartikeln will die Bodeninitiative erreichen, dass in Zukunft mit der endlichen Ressource Boden im Kanton Schaffhausen schonender umgegangen wird als es bisher der Fall sei, vor allem dort, wo sie die Kulturlandschaft bedrängt sehen. Eine Entwicklung soll auf dem Land und in den meist ausserhalb des Siedlungskerns liegenden Gewerbezonen möglich bleiben, haben die Initianten wiederholt bekräftigt, aber eben hochwertig und nach innen, und nicht auf Kosten der grünen Landschaft.

Das kommt einem doch alles bekannt vor? Tatsächlich waren zahlreiche Anliegen der Initiative in verschiedenen Raumplanungsvorschriften der letzten Jahre so oder ähnlich bereits enthalten. Bereits in der Kantonsverfassung gilt der Grundsatz, dass Kanton und Gemeinden für eine «geordnete Besiedelung» zu sorgen haben sowie für eine haushälterische Bodennutzung und den Schutz der Natur. Mit dem Raumplanungsgesetz des Bundes, seiner Umsetzung im kantonalen Richtplan sowie dem Baugesetz sind in den letzten Jahren neue Verschärfungen dazugekommen.

Der Unterschied: Die Bodeninitiative will ihre Forderungen direkt ins kantonale Baugesetz schreiben, und so schnelles und konkretes Handeln ermöglichen. Die Initianten rechnen mit rund acht Jahren, bis ihren Anliegen mit neuen Verschärfungen im Bundesrecht Rechnung getragen wird – das geht ihnen zu lange.

Schweizweit einzigartig wäre schliesslich die fünfte Forderung der Schaffhauser Bodeninitiative: Vermieden werden sollen auf öffentlichem Grund Versiegelung und Verschotterung von Grünflächen , also zum Beispiel der Einsatz von «Steingärten» oder Kiesflächen, wo Naturrasen oder eine (in der Pflege oftmals aufwendigere) Bepflanzung möglich wäre. So soll auch ein Beitrag für mehr Artenvielfalt und für ein besseres Abfliessen von Regenwasser erreicht und nicht zuletzt die Überhitzung im Siedlungsgebiet in den Sommermonaten vermieden werden.

Bodeninitiative: Warum Regierung und Ratsmehrheit dagegen sind

Im September 2018 mit 1020 gültigen Unterschriften eingereicht, stand die kantonale Volksinitiative «Für eine haushälterische Nutzung des Bodens» im März im Schaffhauser Kantonsparlament zur Debatte. Regierung und die Mehrheit des Kantonsrats (32 zu 19 Stimmen) empfehlen das Volksbegehren zur Ablehnung – ohne Gegenvorschlag.

Einerseits wurde argumentiert, dass die Initiative zwar grundsätzlich in die richtige Richtung ziele und der Zersiedelungsstopp vom Souverän in mehreren Abstimmungen bekräftigt worden ist. Aber dieser Zielsetzung werde in zahlreichen Bestimmungen des Raumplanungsrechts, im kantonalen Baugesetz oder im kantonalen Richtplan bereits Rechnung getragen. Das kantonale Baudepartement hat in einer Gegenüberstellung dargelegt, wie die Anliegen der Bodeninitiative in den vergangenen Jahren in das Raumplanungsrecht eingeflossen seien – und es noch weiter würden. Bereits bestehende Änderungen müssten jetzt zuerst einmal umgesetzt werden, findet die Ratsmehrheit. Die Einführung weitergehender, scharfer Bestimmungen seien zum jetzigen Zeitpunkt «weder sinnvoll noch zielführend». Als problematisch in der konkreten Umsetzung wurden insbesondere die Ideen zu den Speziallandwirtschaftszonen eingeschätzt: Tierhaltungsbetriebe (etwa Masthallen) nahe bei der Bauzone zu bauen, führe zu Nutzungskonflikten wegen Lärm- und Geruchsemissionen und seien im konkreten Fall womöglich sogar unvereinbar mit dem Tierseuchengesetz. Tiergerechte Haltung erfordere Platz und die Anzahl solcher Betriebe im Kanton halte sich in Grenzen. Andere Forderungen wie die Parkplatzfrage oder der Grundsatz, neue Bauten in der Gewerbezone mehrstöckig zu erstellen, seien ebenfalls neuer raumplanerischer Standard, wurde argumentiert. (lbb)

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