«Allahu Akbar»: Polizei erklärt Vorgehen

Dario Muffler | 
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Eine zufällig anwesende Polizistin hörte den Ausruf «Allahu Akbar» des jungen Mannes. Symbolbild: RD

Wegen des Ausspruchs «Allahu Akbar» bekam ein Schaffhauser eine Busse. Die Polizei verteidigt sich, während sich der Gebüsste beklagt, in seiner Religionsfreiheit beschnitten zu werden.

Aufruhr um eine lapidare Begrüssung? Oder eine verständliche Reaktion auf eine ernst zu nehmende Situation? Eine Busse, die ein junger Schaffhauser für den Ausruf «Allahu Akbar» aufgebrummt bekommen hat, polarisiert, seitdem er sich in der Pendlerzeitung «20 Minuten» gestern an die Öffentlichkeit gewandt hat. «Allahu Akbar» ist Arabisch und heisst so viel wie «Gott ist der Grösste».

Orhan E.* hat am 12. Mai 2018 «Allahu Akbar» gerufen, als er auf der Fulach­stras­se in Richtung Altstadt ging. Wie er den SN bestätigt, tat er dies, weil er erstaunt darüber war, beim Parkplatz auf dem Güterbahnhofareal in Schaffhausen einen Freund zu sehen. Dies bekam eine uniformierte Polizistin mit. Wie Patrick Caprez, Mediensprecher der Schaffhauser Polizei, sagt, hätten sie und weitere Kollegen den Mann deshalb einer Personenkontrolle unterzogen. «Zu dieser Uhrzeit bestand die Möglichkeit, dass die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt werden könnte», sagt er. «Die Polizistin hat richtig reagiert: Sobald einem Polizisten etwas auffällt, schaut er genauer hin, stellt fest und rapportiert gegebenenfalls.» Da der Ausdruck «Allahu Akbar» in jüngerer Vergangenheit auf der ganzen Welt oftmals vor Terrorakten gerufen worden sei, müsse ein solcher Sachverhalt genauer überprüft werden.

«Ich wollte keine Probleme»

Der Kontrollierte schätzt die Situation nach wie vor anders ein. «Ich wollte keine Probleme und habe ihr während zwei Minuten versucht zu erklären, wieso ich das so gesagt habe», sagt der Gebüsste. Er habe auch nicht geschrien, wie es die Polizistin rapportiert habe.

Er habe sich entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen, nachdem er die Geschichte eines Jugendlichen gelesen habe, der in Bülach von einem Grenzwächter ins Gesicht geschlagen worden sei. Das war Mitte Dezember. Zum «Allahu Akbar»-Ruf sagt er: «Nur weil Terroristen diese zwei Wörter missbrauchen, bedeutet das nicht, dass ich eine böse Absicht habe, wenn ich sie verwende.» Er kritisiert das Vorgehen der Polizei scharf. Dass er die Busse bezahlt habe, liege daran, dass er Angst davor hatte, im Gefängnis zu landen. Dass er sich rechtlich gegen die Verfügung wehren könne, habe er nicht gewusst.

Stadtpolizei stellte die Busse aus

Die Polizistin hielt den Vorfall in der Folge in einem Rapport fest. Sie stellte einen Verstoss gegen Artikel 18 der städtischen Polizeiverordnung fest. Darin geht es um die Erregung öffentlichen Ärgernisses. Der Rapport wurde anschliessend an die Stadtpolizei weitergegeben, die ihn zu bearbeiten hatte: Ein Mitarbeiter musste den Rapport überprüfen und die Busse ausstellen. Das sei ein alltäglich Vorgang, wie Caprez betont. Der 22-jährige Mann bekam von der Stadtpolizei dann im August des letzten Jahres eine Busse von 150 Franken aufgebrummt. Hinzu kamen 60 Franken Bearbeitungsgebühr.

Am Vorfall im Frühjahr 2018 war derweil kein Stadtpolizist beteiligt, sagt Romeo Bettini, Bereichsleiter Sicherheit und Öffentlicher Raum der Stadt Schaffhausen. Die Stadtpolizei hätte also zu einem anderen Schluss kommen können. Für Bettini ist der vorliegende Fall aber eindeutig. «Nachdem dieser Ausdruck in Westeuropa bereits verschiedentlich in Zusammenhängen mit Anschlägen verwendet worden war, war es gerechtfertigt, die Person anzusprechen», so Bettini. Es müsse von Situation zu Situation beurteilt werden. «In diesem Fall war es die Art und Weise des Ausspruchs, die zur Busse geführt hat», sagt er. Kontrollen bei schreienden Personen, die anderen Angst einflössen könnten, würden zum gewöhnlichen Polizeialltag gehören, so Bettini. «Auch wenn jemand auf dem Herrenacker laut fluchend herumschreit, kontrollieren wir die Person.» Würde ein laut fluchender Mann auf dem Herrenacker ebenfalls verzeigt? Der Polizist müsse immer die Situation und das Umfeld vor Ort in die Beurteilung miteinbeziehen, so Bettini. «Ruhestörungen werden – im Sommer vor allem laute Musik aus Boxen oder lautes Geschrei von Menschengruppen – zur Anzeige gebracht.» Und er betont: «Zu sagen, dass dieser Ausspruch in Schaffhausen verboten ist, ist schlicht falsch.»

Verschiedene Verwendungsweisen

Der Ausspruch, so schilderte es der gebüsste Mann gegenüber der Polizistin, verwende er als Begrüssungsformel. Für Amir Dziri, Professor für Islamische Studien und Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft an der Universität Fribourg, mutet das eher ungewöhnlich an. «Ausgeschlossen werden kann aber nicht, dass der Ausdruck in einem gewöhnlichen Gespräch verwendet wird», sagt er. «Es kann auch sein, dass es einem Jugendjargon angehört.»

«In diesem Fall war es die Art und Weise des Ausspruchs, die zur Busse geführt hat.»

Romeo Bettini, Bereichsleiter Sicherheit , und Öffentlicher Raum

An und für sich bedeute «Allahu Akbar» «Gott ist grösser». Gemeint sei damit aber, wie bereits erwähnt, «Gott ist der Grösste». Verwendet wird dieser Ausdruck insbesondere in der islamischen Liturgie, etwa in Lobrufen. «Der Ausdruck wird in verschiedenen spirituellen Kontexten gebraucht», so Dziri. «Auch als Schlachtruf wurde der Ausspruch schon immer verwendet, im Sinne von ‹Für Gott und Vaterland›.»

Vor dem Hintergrund, dass der Begriff in den vergangenen Monaten und Jahren von Extremisten bei Anschlägen verwendet wurde, schliesst der Islamexperte auch nicht aus, dass es sich schlicht um eine Provokation handelt, wenn der Begriff verwendet wird.

Rechtsweg wäre offengestanden

Dziri betont weiter, dass kommunikativ einiges schief gelaufen sei. Alle Beteiligten hätten aus ihrer Sicht richtig gehandelt. «Dazu beigetragen hat eventuell ein gewisses Misstrauen», sagt er. Ein Grund dafür könnten die Berichterstattungen rund um den Neubau der Aksa-Moschee am Schalterweg in Schaffhausen sein, so der Wissenschaftler. «Aus Sicht der Polizistin ist es sicher nachvollziehbar, dass sie den Mann zur Rede stellte.» Er zeigt aber auch Verständnis für den 22-Jährigen. «Sollte er den Ausspruch tatsächlich in einem harmlosen Kontext getätigt haben, ist nachvollziehbar, dass er sich diskriminiert gefühlt hat», so Dziri. «Wenn der Ausdruck pauschal kriminalisiert würde, wäre dies ein Einschnitt in die Religionsfreiheit.»

Aksa-Moschee: «Maximale Transparenz wäre im Interesse der muslimischen Organisationen»

Im letzteren Fall hätte der Mann aber die Möglichkeit gehabt, sich auf dem ordentlichen Rechtsweg gegen die Busse zu wehren. Das tat er aber nicht, sondern bezahlte sie relativ schnell, wie Bettini sagt. Dziri bemerkt: «Es stellt sich deshalb auch die Frage, weshalb der Mann erst so spät an die Öffentlichkeit ging.» Im Nachhinein sei es wichtig, so Dziri weiter, dass für den Betroffenen das Vertrauen in die Staatsgewalt hergestellt sei.

«Die Busse ist gerechtfertigt»

Die Szene im vergangenen Frühling spielte sich in der Nähe des Lokals des ­türkischen Kulturvereins Schaffhausen ab. Für diesen ist die Geschichte besonders ärgerlich. Der junge Mann liess sich für «20 Minuten» vor dessen Vereinslokal fotografieren. «Dabei ist er kein Mitglied», betont Vereinspräsident Özkan Aytaç. «Wir sind kein religiöser Verein.» Dass der Kulturverein nun mit dem Ausspruch «Allahu Akbar» in Verbindung gebracht werde, stört ihn. «Mein Telefon ist heiss gelaufen, sowohl Vereinsmitglieder als auch Journalisten wollten Auskunft», sagt er. «Den Ausspruch unterstützen wir nicht, die Busse war aber wohl gerechtfertigt; sie gehört zum Schweizer Rechtsstaat.»

Gegründet wurde der türkische Kulturverein, der im Güterbahnhof, unmittelbar neben der Schaffhauser Polizei sein Vereinslokal hat, 1981. «Wir heissen sämtliche Religionen willkommen», so Aytaç. «Wir leben nach dem Vorbild des Gründers der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk.»

Auch beim Türkisch-islamischen Verein der Aksa-Moschee Schaffhausen ist der Mann kein Mitglied. Dessen Öffentlichkeitsverantwortlicher Ibrahim Tas sagt: «Diese Geschichte ist schade für das Zusammenleben der Religionen im Kanton Schaffhausen.»

* Name der Redaktion bekannt

Kommentare (1)

Andreas Korte Di 08.01.2019 - 22:43

Kann man solche Leute nicht einfach in islamische Laender ausweisen? Offensichtlich lehnt er die Werte unserer Gesellschaft ab.

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