«Es stehen Generationenprojekte an»

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Peter Neukomm im Stadtratssaal: «Unser Team arbeitet sehr gut», sagt er. Bild: Selwyn Hoffmann

Was kommt auf die Stadt Schaffhausen im Jahr 2019 zu? Im Gespräch erzählt Stadtpräsident Peter Neukomm, an welchen Baustellen die Stadt arbeitet. Klar ist: Es sind mehrere Grossinvestitionen geplant.

von Dario Muffler und Daniel Jung

Das Jahr 2019 startet aus politischer Sicht alles andere als harmonisch. So muss Stadtpräsident Peter Neukomm Schaffhausen vorerst ohne ein gültiges Budget führen, und mit der Abstimmung über die Quartierparkierungsverordnung vom 10. Februar steht ein emotionaler Abstimmungskampf unmittelbar bevor.

Herr Neukomm, wie ungemütlich ist es, ohne ein gültiges Budget ins neue Jahr zu starten?

Peter Neukomm: Das ist tatsächlich ungemütlich. Die Stadt darf gemäss Finanzhaushaltsgesetz nur das ausgeben, was für die Erfüllung der ordentlichen Staatsaufgaben unabdingbar ist. Immerhin gibt es noch einen Spielraum, der über die gebundenen Ausgaben hinausgeht. Diesen versuchen wir zu nutzen. Wir hoffen, dass wir in der Volksabstimmung dann eine Ablehnung des Referendums erreichen können, sodass wir ab April wieder normal funk­tionieren.

Was passiert, wenn das Referendum ­angenommen wird?

Dann braucht es ein neues ­Budget, das wieder durch den Grossen Stadtrat muss. Weil die Referendumsträger das Steuerfussreferendum und nicht das Budgetreferendum ergriffen haben, gehen wir davon aus, dass sie primär den Steuerfuss und nicht viele weitere Inhalte des Budgets infrage stellen wollen.

Wo ist die Handlungsfähigkeit im Alltag eingeschränkt?

Die gebundenen Ausgaben können wir normal tätigen. In der Weisung an die Mitarbeitenden haben wir präzisiert, dass sämtliche nicht gebundenen Ausgaben getätigt werden können, sofern es ansonsten zu wesentlichen Mehrkosten oder Schäden kommen würde. Vor allem die Zentralverwaltung wird diverse Anfragen aus der Verwaltung, ob Ausgaben getätigt werden dürfen oder nicht, beantworten müssen.

«Auch ein Eigenheimbesitzer kürzt seine Einnahmen nicht, wenn im Haus grosse Renovationen anstehen.»

Das bedeutet einen Mehraufwand für die Verwaltung.

Ja, aber das Referendum ist ein demokratisches Instrument, das man akzeptieren muss. Wir sind der Ansicht, dass es zu einem falschen Zeitpunkt kommt. Es kommen grössere alljährliche Ausgaben auf uns zu, etwa für Prämienverbilligungen, Sozialkosten und Bildungskosten. Zudem stehen riesige Investitionen in unsere Infrastruktur an, die zum Teil zu lange aufgeschoben wurden. Zum Vergleich: Auch ein Eigenheimbesitzer reduziert sein Arbeitspensum nicht und kürzt damit seine Einnahmen, wenn in seinem Haus grosse Renovationen anstehen.

Werden Sie sich im Abstimmungskampf engagieren?

Der ganze Stadtrat wird sich engagieren. Die Botschaft zum Budget 2019 haben wir gemeinsam verabschiedet. Als ich im Grossen Stadtrat zu politisieren begann, lag der Steuerfuss noch bei 112 Prozent, und in den vergangenen Jahren haben wir stetig abgebaut. Natürlich gab es auch noch einen Steuerfussabtausch mit dem Kanton. Heute stehen wir steuerlich sehr attraktiv da, wenn man bedenkt, dass wir ein urbanes Zentrum sind, das die In­frastruktur für eine ganze Region finanziert. Wenn wir Spielraum sahen, liessen wir in den vergangenen Jahren die Bevölkerung immer wieder auch über Steuer­entlastungen daran teilhaben.

Noch vor dem Steuerfussreferendum steht am 10. Februar bereits die Abstimmung über die Quartierparkierungsverordnung an. Weshalb lösen Parkplätze in Schaffhausen jeweils eine so emotionale Debatte aus?

Parkplätze sind ein emotionales Thema. Ich verstehe aber nicht, weshalb man auswärtigen Pendlern in unseren Wohnquartieren kostenlos Plätze zur Verfügung stellen will. Meine Regierungskollegen aus anderen Städten glauben mir nicht, dass man als Pendler in Schaffhausen noch gratis in den Wohnquartieren parkieren darf. Da ist Schaffhausen schweizweit ein Unikum. Wir haben nun eine Lösung präsentiert, mit der wir die Quartiere entlasten können. Jetzt müssen sich im Abstimmungskampf auch die Betroffenen dafür engagieren.

Sie haben von grossen Investitionen ­gesprochen. Im ersten Quartal wird etwa die Vorlage zum Kammgarn-Westflügel ­erwartet. Wie gehen Sie damit um, dass bereits Kritik an der vorgeschlagenen ­Nutzung des Westflügels laut wurde?

Eine Mehrheit des Grossen Stadtrats hat das präsentierte Nutzungslayout positiv aufgenommen, sodass wir damit auch in die Volksabstimmung gehen werden. Es gibt nur eine Unsicherheit: die Pädagogische Hochschule (PH). Es wäre ein Gewinn, wenn die PH ins Kammgarn­areal umziehen würde. Sie würde zum innovativen und kulturellen Umfeld passen. Ob das klappt, hängt aber von der kantonalen Politik ab.

Die Stadt wartet jetzt also darauf, dass der Regierungsrat eine Vorlage ­präsentiert.

Nein, wir warten nicht, sondern arbeiten weiter. Wir werden unsere Vorlage auch bringen, wenn der kantonale Entscheid noch nicht gefällt ist. Wenn nicht die PH in den Westflügel kommt, dann wird es eine unternehmerische Nutzung geben. Wünschenswert wären innovative Unternehmen aus der Design- und Kreativwirtschaft sowie aus der Informations- und Kommunikationsindustrie. Die Räume sind so attraktiv, dass wir mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung sicher interessante Nutzer finden würden. Wir können aber erst auf die Suche gehen, wenn klar ist, auf welchen Zeitpunkt der Westflügel der Kammgarn zur Verfügung steht.

Hat das Ja zum Kauf des Klostergevierts Auswirkungen auf die Kammgarn-­Vorlage?

Nein, das glaube ich nicht. Das Klostergeviert ist noch weit weg. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis das neue Sicherheitszentrum steht. Wir bleiben aber mit dem Regierungsrat in Kontakt.

Sie hoffen auf die Ansiedlung der PH. Wie viel Hoffnung setzen Sie übrigens in die Hochschulpläne der IT-Firma Acronis für den Standort Schaffhausen?

Es ist ein spannender Ansatz. Ich hoffe, es ergibt sich etwas Positives ... daraus. Das Vorhaben befindet sich aktuell aber in einem frühen Stadium. Es ist schwierig, in den Schweizer Hochschulmarkt hineinzugelangen. Wenn das jemand probieren möchte, und das noch in Schaffhausen, dann ist das etwas Positives.

Schaffhausen könnte also doch noch zum Hochschulstandort werden. Wie sieht es mit der Altstadt als Einkaufsort aus?

Die Altstadt war im vergangenen Jahr ein wichtiges Thema. Wir sind an einem Projekt der Zürcher Metropolitanregion beteiligt, das sich dem Strukturwandel in Innenstädten widmet. Wir arbeiten zusammen mit den Innenstadtakteuren daran, dass die Altstadt als Einkaufszentrum eine Zukunft hat. Auch wenn es noch nicht allzu viele sind: Leerstände sind Gift. Es freut mich, dass derzeit viel läuft in der Altstadt. Man muss aber immer einen Mittelweg finden bei Aktivitäten, um die Anwohner nicht zu stark zu belasten.

«In den nächsten Jahren kommen viele neue Wohnungen auf den Markt, das gibt Perspektiven. Wir brauchen junge Familien.»

Die Stadt will sich nicht nur auf die Altstadt konzentrieren. Insbesondere in zentrumsnahen Zonen wie im Ebnat oder im Mühlental sieht man Potenzial. Was strebt die Stadt bezüglich ­ihrer Entwicklung im kommenden Jahr an?

Wir haben uns immer zu ­einem moderaten Wachstum bekannt. In den nächsten Monaten und Jahren kommen viele neue Wohnungen auf den Markt, das gibt Perspektiven. Wir brauchen auch aus demografischen Gründen dringend junge Familien. Wir haben uns deshalb mit verschiedenen stadt­eigenen Arealen befasst, um zusätzlichen Wohnraum zu ermöglichen. Das ist auch bei gemischten neuen Nutzungen wie im Ebnat West ein Thema. Im Mühlental entstehen neben Wohnraum ebenfalls Arbeitsplätze. Die Imagekampagne des Kantons kommt also zum richtigen Zeitpunkt.

«Imagekampagnen eignen sich nicht unbedingt für den demokratischen Diskurs.»

Welchen Eindruck haben Sie von der Kampagne?

Ich will es so sagen: Imagekampagnen eignen sich nicht unbedingt für den demokratischen Diskurs. Es ist wie die Gestaltung von Plätzen: Jeder kann mitreden und weiss es besser. Es steckt die richtige Absicht dahinter, und die Stossrichtung stimmt. Ich glaube, es gibt auch nochmals die Möglichkeit, etwas zu verändern. Die Inputs, die jetzt kommen, kann man aufnehmen.

Damit die Leute hierher ziehen, braucht es Arbeitsplätze. 2018 wurde das schöne IWC-Manufakturzentrum eröffnet, aber die Baulandreserven der Stadt werden knapp. Was macht die Stadt für die Ansiedlung von Unternehmen?

Wir stehen in engem Kontakt mit dem Regierungsrat und der Wirtschaftsförderung. Ein Thema ist die sogenannte Arbeitszonenbewirtschaftung. Das Raumplanungsgesetz ist aber restriktiv. Das erschwert uns die Einzonung von Bauland. Hier versuchen wir den Spielraum, den wir haben, zu nutzen. Wir schauen uns auch stetig um, ob es Industrie- und Gewerbeland zu kaufen gibt. Es ist anspruchsvoll, hier wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wettbewerbsfähig will man auch bei den Steuern bleiben. Das Stichwort lautet Unternehmenssteuerreform. Wie geht es weiter mit den Erträgen aus Unternehmenssteuern?

Es besteht eine grosse Unsicherheit, was ebenfalls dagegen spricht, jetzt die Steuern zu senken. Die Pro­gnosen der Unternehmenssteuern sind nicht mehr so optimistisch. Mehr als 50 Prozent unseres Steuersubstrats kommen von privilegierten Gesellschaften, deren Privilegierung wegfallen wird. Wir müssen darum schauen, dass wir möglichst viele von diesen hierbehalten können. Darum braucht es eine gute Lösung auf Bundes- und Kantonsebene.

Hier steht ja national eine Abstimmung an. 2019 finden auch nationale Wahlen statt. Wie viele Stadträte werden für ­einen Sitz in Bern kandidieren?

(lacht) Ich weiss es nicht, das ist kein Thema bei uns. Ich gehe davon aus, dass alle bisherigen Schaffhauser National- und Ständeräte wieder antreten werden. Ich nehme daher nicht an, dass Stadträte auf den Listen zu finden sein werden, aber wir lassen uns überraschen.

Solche Dinge diskutieren Sie untereinander nicht?

Doch, doch, das diskutieren wir schon. Ich habe zumindest aber nicht den Drang, mich aus der Stadt zu verabschieden. Ein Stadtpräsidium und ein nationales Mandat lassen sich heute vom Aufwand her kaum mehr vereinbaren. Ausser meine Kollegin und meine Kollegen sagten, sie übernähmen einen Teil meiner Arbeit. (lacht)

Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Stadtrat?

Ich bin extrem stolz auf unser Team. 2018 wurde wieder enorm viel und gut gearbeitet, auch in der Verwaltung. Wir haben viele wichtige Baustellen, bei denen es vorwärtsgeht, auch wenn man das von aussen nicht merkt. Bis eine Vorlage an die Öffentlichkeit gelangt, wird viel daran gearbeitet. Wir haben das Problem, dass die Belastung teilweise zu hoch ist – bei unseren Mitarbeitenden wie auch im Stadtrat. Wir müssen schauen, dass die Work-Life-­Balance gewahrt wird. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch 2019 viel aufgleisen können, was die Stadt vorwärtsbringen wird. Die Herausforderung dabei wird es sein, das der Bevölkerung so zu vermitteln, dass wir sie auf unserem Weg mitnehmen können. Es befinden sich riesige Investitionen darunter, man kann sogar sagen, es sind zum Teil Generationenprojekte (siehe Text unten).

«Mit dem konfrontativen Kurs kommt man bestimmt nicht schneller vorwärts.»

In Rücktrittsschreiben von Parlamentariern war vergangenes Jahr ­mehrmals die Rede davon, dass der politische Ton im Grossen Stadtrat gehässiger werde. Sehen Sie das auch so?

Der Ton hat sich verschärft: Ich spüre das auch. Ich bedauere es, wenn nicht mehr an demselben Strang gezogen wird, um die Stadt vorwärtszubringen. Wir können es aber nicht stark beeinflussen. Mit dem konfrontativen Kurs kommt man bestimmt nicht schneller vorwärts. Aber in der Hand haben es die Fraktionen und die Parteien, nicht wir im Stadtrat.

Blicken wir zurück auf das Jahr 2018. Was hat den Stadtpräsidenten am stärksten bewegt?

Es lief so viel, auch in Bereichen, die der Bürger nicht sieht. Als Beispiel kann man da etwa die Umstellung auf die digitale Aktenführung nennen. Die Eröffnung der Kammgarn-West-Zwischennutzung und die Abgabe des Wagenareals für die Entwicklung gemeinnütziger Wohnbauten waren für mich Höhepunkte. Zudem ist die Kulturstrategie ein wichtiger Meilenstein. Wir sind Kulturstadt und möchten es auch bleiben. Es gibt in der Schweiz keine Stadt unserer Grösse, die über ein so attraktives Kulturangebot verfügt.

Was war Ihr kultureller Höhepunkt?

Einerseits das 27. Bachfest als grösstes Kulturereignis, das die Stadt selber organisiert. Andererseits die anderen beiden Grossanlässe, die weit über unsere Stadtgrenzen hinausstrahlen, das 9. «Stars in Town» und das 29. Jazz-Festival. Dann aber aus städtischer Sicht auch die Verleihung des ­Georg-Fischer-Preises an Daniela Keiser. 2018 gingen zudem drei der vier grossen Kulturpreise der Schweiz nach Schaffhausen – in den Bereichen Theater, Design und Musik. Das hat das Bundesamt für Kultur zuerst gar nicht realisiert.

Schaffhausen ist eine Kulturstadt. Darf sich Schaffhausen auch eine Sportstadt nennen?

Wir haben eine grosse Dichte an hervorragenden Leistungen, die zeigen, dass der Sport bei uns über einen hohen Stellenwert verfügt, nicht nur im Handball, im Fussball, im Tischtennis oder im Volleyball, sondern auch in anderen Sportarten. Die Stadt ist hier gefordert, um die Infrastruktur für den Jugend- und den Breitensport zur Verfügung zu stellen. Da sind wir noch nicht dort, wo wir sein wollen. So wird nächstens auch eine Vorlage für die Erneuerung der Sportanlagen Schweizersbild und für die Turnhalle Steig ins Parlament kommen. Auch die Sanierung der KSS beschäftigt uns.

Haben Sie persönlich einen sportlichen Vorsatz für das neue Jahr gefasst?

Ich war letztes Jahr in meinem Tennisclub ein gutes Mitglied, weil ich nie auf dem Platz stand, aber den vollen Beitrag gezahlt habe. Ich will mir im neuen Jahr mehr Zeit nehmen, um mich sportlich zu betätigen. Das Pro­blem sind die vielen abendlichen Verpflichtungen, die man als Stadtrat hat.

Ist die Work-Life-Balance Ihre grösste Herausforderung 2019?

Ich glaube, für mich persönlich ist es eine grosse Herausforderung, wohl auch für meine Kollegin und meine Kollegen. Aber ich komme an all diesen Veranstaltungen mit sehr vielen interessanten Menschen in Kontakt. Dabei versuche ich auch grenzüberschreitende Kontakte zu pflegen, weil die Vernetzung über die Landesgrenze hinaus für uns als Grenzstadt sehr wichtig ist.

Die grössten kommenden Investitionen

Der Stadtrat wird dieses Jahr mehrere Bauvorhaben, die Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe bedürfen, in den politischen Prozess bringen. Darunter finden sich die Aufwertung des Kammgarnareals samt Hofgestaltung wie auch die Sanierung des Stadthausgevierts. Diese Vorlage werde schon bald präsentiert, so Neukomm. «Darin geht es einerseits um die Sanierung des nördlichen Teils, den wir im Baurecht abgeben möchten.» Andererseits ist es Ziel der Stadt, die Stadtverwaltung im Geviert zu zentralisieren, um damit verschiedene Altstadthäuser für neue Nutzungen freizuspielen. «Die frei-gespielten Liegenschaften können dann vermietet oder im Baurecht abgegeben werden», sagt Neukomm.

Als «Generationenprojekt» kündigt Stadtpräsident Peter Neukomm die Sanierung der KSS an. Sehr hohe Investitionen in die KSS sind nötig, weil die Anlage in die Jahre gekommen ist. «Die Badeanlagen haben ihr Lebensende eigentlich erreicht», betont Neukomm. «Irgendwann kann auch die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden.» Man müsse den Leuten darum klaren Wein einschenken: «Wenn wir nicht bereit sind, viel Geld in die Hand zu nehmen, müssten wir die KSS irgendwann schlies­sen. Und das will ja eigentlich niemand.» (dmu)

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