Kämpfen für das Kaiserreich: Schaffhauser während des Ersten Weltkriegs

Ralph Denzel | 
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Auch an der Somme kam es zu teils heftigen Kämpfen - darunter waren auch viele Schaffhauser. Bild: Wikimedia

Vor hundert Jahren ging der Erste Weltkrieg zu Ende. Tausende Schweizer kämpften darin - auf Seite der Deutschen oder Franzosen, auch aus Schaffhausen. Wir zeigen Ihnen die Schicksale einiger.

Am Sonntag jährte sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Für uns Grund genug, nochmals auf die Leiden zurückzublicken, die der Krieg auch nach Schaffhausen gebracht hat. Die Urkatastrophe des Ersten Weltkrieges, wie Historiker sie heute nennen, geht nämlich auch an der Schweiz nicht spurlos vorbei. Der kleine Staat ist bei Kriegsausbruch 1914 rundherum von Kriegsparteien umgeben – mit schwerwiegenden Folgen für die Bevölkerung. Besonders schwer hat es dabei Schaffhausen: Der Ort, der so nahe an der Grenze ist und daher besonders viele Entbehrungen hinnehmen muss.

Knapp 11 Millionen Menschen sterben währen des Krieges – darunter auch viele Schweizer. Auch wenn das Land nicht in aktive Kampfhandlungen einbezogen ist, so finden doch auch Eidgenossen den Tod während den tausenden Schlachten des Krieges – auch auf Seiten der aktiv kämpfenden Truppen. Was bringt Menschen dazu, sich in einen Krieg zu stürzen, mit dem sie nichts zu tun haben?

Die Schweiz: Ein zerissenes Land

Eines der grössten Probleme ist damals die Prägung innerhalb der Schweiz. So kommt es während des Krieges immer wieder zu Spannungen zwischen der deutschsprachigen und der französischsprachigen Schweiz. Die Deutschschweiz sympathisiert stark mit den Mittelmächten Deutschland und Österreich-Ungarn, wohingegen viele Welsche mit der Entente Frankreichs, Grossbritanniens und ihrer Verbündeten sympathisierten. Aber auch die Tatsache, dass immer wieder Vertreter aus der Politik die «Neutralität» der Eidgenossenschaft brechen, führt zu Belastungen und Missgunst untereinander. So wie zum Beispiel die «Obersten-Affäre», bei der die beiden Oberste Friedrich Moritz von Wattenwyl und Karl Egli Geheimnisse des Schweizer Nachrichtendienstes an die Mittelmächte weitergaben.

Die Kanzlei des Schweizer Nachrichtendienstes zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Bild: Wikimedia

Vor allem in den Deutschschweizer Medien wird der Vorfall kleingeredet, auch in den «Schaffhauser Nachrichten». So schreibt die SN 1916: «Wer die beiden Beschuldigten kennt, der weiss: Jeglicher Schatten eines Verdachtes, dass sie absichtlich etwas zum Nachteil ihres Vaterlandes getan haben könnten, ist ausgeschlossen. So kann es sich höchstens um Unkorrektheiten oder Unklugheiten handeln - über die man bekanntlich gerade in solch heiklen Dingen, wo es sich um einen Dienst in schwierigen militärischen Gebieten zu handeln scheint, sehr verschiedener Auffassung sein kann.»

In der französischen Schweiz hingegen wird das Handeln der beiden Militärs als «Hochverrat» betitelt. Das zeigt, wie zerissen das Land damals war. Das Klima führt dazu, dass immer mehr Schweizer entscheiden, sich auch aktiv am Geschehen zu beteiligen – abseits von der Landesverteidigung an der Grenze, für die damals viele Männer eingezogen werden. Viele melden sich für den aktiven Dienst und führen nicht mehr nur verbal Krieg, sondern mit einer Waffe in der Hand an der Front. Sie werden ebenso, wie Millionen anderer Frontsoldaten in einem Material und Vernichtungskrieg aufgerieben – teilweise für wenige Meter Bodengewinn auf den festgefahrenen Fronten.

Wir zeigen die Schicksale einiger.

Karl Attmanspacher, Schaffhausen

Einer, der für die Mittelmächte in den Krieg zieht, ist der Schaffhauser Karl Attmanspacher. Zusammen mit dem 125. Württembergischen Landwehr-Infanterieregiment kämpft er in Frankreich an der Front. Im Oktober 1914 marschiert seine Einheit gegen Verdun, eine Festung, die im Ersten Weltkrieg traurige Berühmtheit erlangen soll.

Deutsche Soldaten stürmen einen Hügel, aufgenommen am 15. März 1914. Bild: Wikimedia

Dort kommt es in der Folge des Krieges zu einer der brutalsten Materialschlachten des ersten Weltkrieges. Alois Peter, ein Veteran dieser Schlacht, berichtet später in seinem Buch «Zeitliches und Ewiges aus dem Weltkrieg» wie folgt über die Situation an der Front von Verdun: «Die Sonne stand tief im Westen, mäßig wehte der Wind. Auf seinen Schwingen kam ein Leichengeruch entgegen, dass uns der Atem stockte. Das Zeugnis eines großen Sterbens! Welch ein Friedhof der offenen Verwesung muss sich da vorne ausdehnen, dass man schon auf so weite Entfernung seinen schrecklichen Atem spürt! Süßlich, beklemmend, zudringlich umschmeichelt er uns, füllt die Lunge, dringt in die Seele. Wortlos empfange ich den ersten Gruß des Todes vor Verdun.»

Das Schlachtfeld von Verdun - über 317'000 Soldaten verloren hier ihr Leben. Bild: Wikimedia

Karl Attmanspacher bekommt davon jedoch nichts mehr mit: der Soldat aus der Munotstadt wird laut Verlustmeldung am 10. Oktober 1914 «verletzt». Sein genaues Schicksal lässt sich in den Wirren des Krieges nicht mehr nachverfolgen. So ist nicht klar, ob der Mann aus Schaffhausen vielleicht doch direkt starb und nur ursprünglich als verletzt gemeldet wurde, oder was sein Schicksal war. Sicher ist: Am 24. Oktober 1914 taucht er erneut unter den Verlustmeldungen auf. Dieses Mal mit dem Vermerk: «ist tot».

Johannes Binder, Schaffhausen

Johannes Binder, geboren in Schaffhausen, taucht im Jahr 1919 in den immer noch erscheinenden Verlustmeldungen auf. Der Vermerk neben seinen Namen: «Vermisst». Es ist nicht klar, wann sich der Schaffhauser dem deutschen Heer anschloss. Sicher ist hingegen, dass er ähnliche Stationen wie auch Karl Attmanspacher durchlebte – nur mit dem Unterschied, dass er erst gegen Ende des Krieges aller Wahrscheinlichkeit nach fiel.

Deutsche blicken über die Front. Bild: Wikimedia

Im Weltkrieg kommen grossflächig Granaten und zum Einsatz – es ist gut möglich, dass ihn die «Erde verschluckt» hat, wie es bei Historikern immer wieder heisst. Dahinter steckt jedoch nichts anderes als die Möglichkeit, dass seine sterblichen Überreste von Granaten zerstückelt worden sind.

Auch durch den Einsatz schwerer Artillerie blieben manche Opfer des Krieges schlicht «verschwunden». Bild: Wikimedia

Seine Einheit, das württembergische Landwehrregiment 120, kämpft auch in Verdun, ehe es sich gegen 1917/18 immer mehr zurückzieht. Heimkehren kann es ab dem 12. November, ein Tag nach der Kapitulation. Nicht dabei ist der Schaffhauser Johannes Binder – gerade mal 20 Jahre alt.

Oskar Müller, Feuerthalen

Nicht nur im Westen starben Leute aus der Region, sondern auch im Osten mussten viele ihr Leben lassen. Einer davon ist Oskar Müller aus Feuerthalen. Dieser ist Teil des preussischen Reserve-Infanterie-Regiment 251, welches der 75. Divison unterstellt ist. Von kaum einem anderen Soldaten aus der Region kann man den Werdegang so genau nachzeichnen wie bei ihm. So ist er bei der Durchbruchsschlacht bei Gorlice-Tarnów dabei, eine der blutigsten im ersten Weltkrieg. Auf Seite der Mittelmächte werden knapp 40‘000 Männer verwundet oder getötet, auf Seite der Russen 100'000, wobei nochmals eine Viertelmillion Soldaten später in Gefangenschaft gehen sollen.

Russische Truppen vor der Schlacht. Bild: Wikimedia

Die Schlacht ist ein wichtiger Sieg für die Mittelmächte – und Oskar Müller scheint sie zu überleben. Aber damit ist der Krieg für ihn und seine Einheit nicht vorbei. Die Russen drängen auf Rache und auch darauf, die Gebietsverluste wieder wett zu machen. So kommt es immer wieder zu Gegenstössen der russischen Armee, unter anderem auch bei der sogenannten Schlacht bei Kowel. Die russische Generalität sieht die Stadt als wichtig an, könne der Besitz dieses wichtigen Verkehrsknotenpunktes doch laut ihrer Ansicht einerseits mögliche Bedrohungen durch einen Flankenangriff bannen und gleichzeitig die deutschen Kräfte zum Rückzug zwingen.

Auch die Zivilbevölkerung litt massiv unter dem Krieg. Bild: Wikimedia

Bei dieser Schlacht, bei der die Russen den Mittelmächten massiv zusetzen, findet auch Oskar Müller sein Ende. Am 18. September 1916, die Schlacht ist noch in vollem Gange, findet man neben seinem Namen den Vermerk: «gefallen».

Johann Schellhammer, Schaffhausen

In Frankreich kämpft auch der Schaffhauser Johann Schellhammer, zu Kriegsbeginn 24 Jahre alt. Dort steht er wohl auch Landsmännern gegenüber, denn nicht nur für die Mittelmächte ziehen Schweizer in den Krieg: Auch auf Seiten der Entente und Allierten, also unter anderem Frankreich, Großbritannien, Russland und später auch die USA, stehen Schweizer an der Front.

Während einer Frontpause rasiert ein Friseur einen Kameraden. Bild: Wikimedia

Einer von ihnen ist der Wadtländer Valdo Barbey, der für die Franzosen in den Krieg zieht. Sein Kriegsjournal gilt bis heute als eines der eindrücklichsten Zeitzeugnisse des Ersten Weltkrieges. Darin schreibt der damals 34-Jährige: «Die Schwoben beschiessen uns mit Maschinengewehren; die Kugeln fliegen über uns hinweg. Zu meiner Linken höre ich einen Schrei: 'Ah, Mama!' Dann herrscht Stille. […] Wir erhalten den Befehl, die Gewehre zu ergreifen, die Bajonette aufzusetzen und anzugreifen (…) Jetzt befinden wir uns in der von Kugeln übersäten Zone…Dzing, Dzing, Dzing…einige fallen. Wir laufen, wir springen, einige schreien, einige lachen.»

Auf der anderen Seite: Johann Schellhammer. Dieser steht den französischen Truppen auch bei der Schlacht an der Somme gegenüber, die er anscheinend überlebt. Erst später, in den Archiven heisst es «Stellungskämpfe in der Champagne», wird er als «vermisst» geführt.

Wahrscheinlich ist er ebenfalls gefallen. Ein halbes Jahr später, am 13. März 1917, wird er als «gefallen» eingestuft. Zu diesem Zeitpunkt ist er 27 Jahre alt.

Gustav Vater, Schaffhausen

Nicht an der Front, sondern dahinter leistet im Ersten Weltkrieg der am 2. November 1981 geborene Schaffhauser Gustav Vater seinen Dienst. Er ist dem Feldlazarett 359 unterstellt – die Funktion ist in den Unterlagen nicht mehr nachzuvollziehen.

Ein Arzt führt in einem Schützengraben eine Operation durch. Bild: Wikimedia

Sicher weiss man jedoch: Feldlazarette sind zu dieser Zeit nicht neu, aber doch ein Grund, warum viele Menschen den Weltkrieg überhaupt überleben. Durch Fortschritte in der Medizin werden dort abertausende Menschen gerettet – auch wenn sie den Rest ihres Lebens unter den Folgen des erlebten leiden müssen.

Gleichzeitig sind die Lazarette jedoch nicht nur Orte der Heilung: Aufgrund der teils katastrophalen hygienischen Bedingungen an der Front schleppen Soldaten auch dort immer wieder Krankheiten an, die ebenso wie der Feind die Truppen dezimieren.

Ein deutsches Lazarett. Diese sind meistens relativ weit hinter der Front. Bild: Wikimedia

So ergeht es auch Gustav Vater: Dieser stirbt laut Unterlagen im November 1917 in Folge einer Krankheit im Feldlazarett, in dem er zuvor Dienst getan hat.

Josef Weissenberger, Schaffhausen

Der Krieg hat ihn nicht dahingerafft – auch wenn es genug Möglichkeiten gibt, bei dem es hätte passieren können. Josef Weissenberger ist Angehöriger des Leib-Grenadier-Regiment 109. Dieses ist ebenfalls in Frankreich an der Front. Er nimmt an mehreren Schlachten Teil, in der Champagne, in Lille und in Flandern – übersteht alles.

Deutsche Soldaten hinter der Front. Bild: Wikimedia

Erst gegen Ende des Jahr 1916 wird er laut Verlustmeldungen «leicht verwundet». Er kommt in ein Feldlazarett – und anscheinend nie wieder raus. Am 25. März 1916 steht neben seinem Namen: «infolge einer Krankheit gestorben».

Wollen Sie weiter recherchieren?

Wenn Sie auch wissen wollen, ob ein Verwandter von Ihnen im Ersten Weltkrieg gekämpft hat, können Sie das unter diesem Link tun. Bitte beachten Sie aber, dass dort nur die Namen von Soldaten geführt sind, die auf Seite der Mittelmächte kämpften.

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